Die lineare Wahrheit (Treue ist nicht treu)

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Wenn ich 40 Jahre lang treu bin, und dann im Suff die fette Nachbarin flachlege, dann war mir meine Treue auf einmal nicht mehr treu.
Hatten du und deine Nachbarin wenigstens Spaß?
 
Das ist ein sehr deterministischer Ansatz. Ich glaube nicht, dass es sich so verhält. In Wirklichkeit mündet jeder Punkt in eine Gabelung, und man muss eine Entscheidung treffe
Lieber @Turquoise , als Autor begutachte ich nicht, sondern gebe meine individuelle Meinung und Erfahrung preis. Und die lauten: Jeder hat seine eigenen Maßstäbe für Treue, die noch zudem sofort an den jeweiligen Konflikt angepasst wird.

Ich lebe in einer langen Beziehung und hatte auch vorher meisten langjährige Partnerschaften. Auch beruflich. Das Ringen um gegenseitige Anerkennung der eigenen Ansprüche hört nie auf… und die Konfliktlösungen entwickeln sich ebenfalls.

Wahrscheinlich kommt man am besten, wenn man sich sehr genau überlegt, welche Erwartungen man weckt, wenn man seine Überschwänglichkeit im Zaum behält. Da gebe ich dir völlig Recht. Aber der beste Willen reicht nicht aus, einen anderen Menschen so zu lesen, dass es nie zu Konflikten kommt. Wer das anders sieht, überschätzt sich mE sehr ‚
 
Deswegen wird auch die Treue nicht untreu, weil der Mensch eine Entscheidung fällt. Der Mensch entscheidet sich für oder gegen die Treue. Die Treue selbst kann da überhaupt nichts tun. Sie steht dann vielleicht ziemlich bedröppelt daneben . . . aber sie ist weiterhin treu. Nur braucht/will sie eben gerade keiner mehr.
Das sehe ich nicht so einfach. Wir schlittern in die Treue hinein.,, und oft leider wieder heraus. Die Frage ist immer wieder: was ist wichtiger, die Bereitschaft zur Anpassung unserer Ansprüche, damit unsere Partner ihre ebenfalls ausleben können oder unser Gefühl, dabei zu kurz zu kommen..,,

Dein Bild von der betröppelten Treue ist zwar süß, aber nützt vermutlich wenig. Ich würde lieber sagen, die Treue ist eine Erfindung, die sehr nützlich ist in einem Konflikt, aber sie ist eben viel komplexer, als ihr unschuldiger Anblick vermuten lässt. Weil eben gerade moralische Kategorien sehr dehnbar sind.

Ich sehe mich übrigens als treuen Gefährten, aber ich bin auch nicht blind und taub.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber der beste Willen reicht nicht aus, einen anderen Menschen so zu lesen, dass es nie zu Konflikten kommt. Wer das anders sieht, überschätzt sich mE sehr ‚
Jeder, der über einen langen Zeitraum mit ein und dem selben Menschen liiert ist, kennt die Versuchung, untreu zu werden. Ich auch.
Aber wenn ich es täte, würde ich nie auf die Idee kommen, die Schuld dafür der Treue in die Schuhe zu schieben.

Das sehe ich nicht so einfach. Wir schlittern in die Treue hinein.,, und oft leider wieder heraus. Die Frage ist immer wieder: was ist wichtiger, die Bereitschaft zur Anpassung unserer Ansprüche, damit unsere Partner ihre ebenfalls ausleben können oder unser Gefühl, dabei zu kurz zu kommen..,,

Dein Bild von der betröppelten Treue ist zwar süß, aber nützt vermutlich wenig. Ich würde lieber sagen, die Treue ist eine Erfindung, die sehr nützlich ist in einem Konflikt, aber sie ist eben viel komplexer, als ihr unschuldiger Anblick vermuten lässt. Weil eben gerade moralische Kategorien sehr dehnbar sind.
Ich habe damals in meinem Text Die Liebe den Versuch unternommen, eine Tugend als eine eigenständig von uns selbst unabhängig existente Sache darzustellen. Zu dem Text angeregt hat mich unter anderem das sogenannte Hohelied der Liebe aus 1. Korinther 13.

Mit der Treue verhält es sich meiner Ansicht nach genauso. Auch sie existiert unabhängig von uns. Wie auch Wahrheit oder Lüge unabhängig von uns in der Welt sind - ebenso Musik, Düfte oder Gott. Der Konstruktivismus behauptet ja, das alles entsteht erst durch die Einbildung in unserem Hirn. Dann würden wir tatsächlich in der Matrix leben und alles wäre eine Projektion.

Wahrscheinlich bist Du also ein Konstruktivist, der sich nicht vorstellen kann, dass die Treue nicht ihn selbst braucht, um existieren zu können. ;-)

Jedenfalls trennen uns da wieder Welten. Man "schlittert" meiner Ansicht nach auch nicht in Treue hinein. Und man "lebt sie" auch nicht "aus", wenn man verliebt ist. Das klingt für mich nach Wellness, nach Konsum und sehr materialistisch - fast nach Marx, der behauptet, das Sein bestimme das Bewusstsein.

Bei mir ist es genau anders herum: meiner Ansicht nach bestimmt das Bewusstsein das Sein. Oder zumindest sollte es so sein.

Aber wie gesagt: uns trennen da Welten... ;-)
 
Wie gesagt:

Treue macht nicht treu funktioniert als Aussage:

wenn der eine dem anderen treu ist, ruft (macht) das nicht im anderen automatisch auch Treue hervor. Soweit so gut.

Aber Treue ist nicht treu funktioniert nicht.

Das ist als würde man sagen, ein Baum ist kein Baum, oder ein Berg ist kein Berg.

Du hast recht: Treue ist eine Tugend. Die wird nicht zur Untugend, nur weil jemand darin versagt.
Wenn das, was man unter Treue versteht, sich mit der Zeit ändert, dann ist die Treue aus Sicht eines einzelnen nicht treu. Wenn dein Weibchen zum Playboy geht, um der Welt ihren Body zu zeigen als Ausdruck ihrer Emanzipation, dann geht das heute noch als Treue durch.
 
Die Meinungen zum Text sind gespalten. Das freut mir durchaus.

Die angeblich richtige Auffassung der Treue wird tatsächlich seit Menschengedenken von den unterschiedlichsten Parteien für sich beansprucht. Auch mir sind in meinem Leben verschiedenste Treueschwüre begegnet. Treueschwüre, von denen es später hieß, dass das damals halt so üblich war. Und somit lernte ich verschiedenste Deutungen der Treue kennen. Individuelle und gesellschaftliche. Ist es denn wirklich so verwunderlich, wenn ein Mensch sich sagt: Beachte sehr genau, wer dir in bewegten Tagen mit Treue kommt.

Und wen das scheinbar „ unbestimmte“ meiner Argumente nervt … Hm… Goethe leitet Faust 1 mit dem Gedicht „Zueignung“ ein. Seit einigen Tagen bin ich unentwegt mit seinen Zeilen beschäftigt:

Ihr naht euch wieder, schwankende Gestalten,
Die früh sich einst dem trüben Blick gezeigt.
Versuch ich wohl, euch diesmal festzuhalten?
Fühl ich mein Herz noch jenem Wahn geneigt?
Ihr drängt euch zu! nun gut, so mögt ihr walten,
Wie ihr aus Dunst und Nebel um mich steigt;
Mein Busen fühlt sich jugendlich erschüttert
Vom Zauberhauch, der euren Zug umwittert.

Ihr bringt mit euch die Bilder froher Tage,
Und manche liebe Schatten steigen auf;
Gleich einer alten, halbverklungnen Sage
Kommt erste Lieb und Freundschaft mit herauf;
Der Schmerz wird neu, es wiederholt die Klage
Des Lebens labyrinthisch irren Lauf,
Und nennt die Guten, die, um schöne Stunden
Vom Glück getäuscht, vor mir hinweggeschwunden.

Sie hören nicht die folgenden Gesänge,
Die Seelen, denen ich die ersten sang;
Zerstoben ist das freundliche Gedränge,
Verklungen, ach! der erste Widerklang.
Mein Lied ertönt der unbekannten Menge,
Ihr Beifall selbst macht meinem Herzen bang,
Und was sich sonst an meinem Lied erfreuet,
Wenn es noch lebt, irrt in der Welt zerstreuet.

Und mich ergreift ein längst entwöhntes Sehnen
Nach jenem stillen, ernsten Geisterreich,
Es schwebet nun in unbestimmten Tönen
Mein lispelnd Lied, der Äolsharfe gleich,
Ein Schauer faßt mich, Träne folgt den Tränen,
Das strenge Herz, es fühlt sich mild und weich;
Was ich besitze, seh ich wie im Weiten,
Und was verschwand, wird mir zu Wirklichkeiten.

Lg und Dank an alle :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Die angeblich richtige Auffassung der Treue wird tatsächlich seit Menschengedenken von den unterschiedlichsten Parteien für sich beansprucht.
Wenn ich ins Lexikon, in die Dichtung (Nibelungenlied / Die Bürgschaft), in die Weisheitsliteratur (Bergpredigt), in die juristische Literatur (Straftatbestand Untreue / Veruntreuung) schaue, dann gibt es da genau eine Auffassung von Treue: dass sich jemand an jemanden oder etwas fest bindet oder etwas zusagt - und dabei bleibt.

Wo er damit aufhört (z.B. Amtseid bricht), ist es keine Treue mehr. Und nicht eine subjektive oder alternative Auffassung von Treue.

Eine Lüge ist auch keine "alternative Auffassung von Wahrheit".

Zugegeben - heutzutage wird das leider so gehandhabt, denn der Mensch ist ja immer auf seinen eigenen Vorteil aus. Aber das geht eben nicht dauerhaft gut. Man kann sich die Taschen voll-lügen und die Realität biegen, wie ein Raum-Zeit-Wurmloch. Aber irgendwann ist dann eben Krieg. Und dann muss man sich mit der Realität auseinander setzen, weil plötzlich scharf geschossen wird. Je länger man sich was vorlügt, desto bitterer am Ende das Erwachen.

Deshalb würde ich das Thema Treue nicht so behandeln und behaupten, das sei ja alles relativ, nur weil jemand aufgehört hat treu zu sein. So ist das Leben und solche Dinge passieren. Und es tut immer verdammt weh.

Irgendwann muss man der Wahrheit ins Auge schauen und erkennen: im menschlichen Herzen ist dermaßen viel Schlechtes, dass die Treue oftmals keine Chance hat, dagegen anzukommen, weil einfach zu viele gegenteilige Kräfte mitmischen. V.a. das nie endende Begehren nach dem, was einem vermeintlich fehlt, was man nicht hat - das ja im Endeffekt nichts anderes als der immerwährende Schrei unserer Existenz nach der Überwindung der Trennung von ihrem eigenen Ursprung ist.

So, genug gefaselt. :rolleyes: Sorry.
 
Ich habe damals in meinem Text Die Liebe den Versuch unternommen, eine Tugend als eine eigenständig von uns selbst unabhängig existente Sache darzustellen. Zu dem Text angeregt hat mich unter anderem das sogenannte Hohelied der Liebe aus 1. Korinther 13.
..schon erstaunlich, wie unterschiedlich man das Hohelied verstehen kann..für mich geht es darin um die Normalität der Suche nach (sexueller) Nähe und Vertrauen und das Erleben der Welt unter diesen Bedingungen..der/die andere wird überhöht/euphorisiert wahrgenommen..dabei organisieren und vollziehen die Liebenden ihr Zusammensein (kann man das so sagen?)..das Ganze in Storytelling verpackt..

..der Satz "Deine Brüste sind zwei Zicklein, Zwillingsjunge der Gazelle, die in Blumenwiesen weiden.", war mein Einstieg, der mir beim zufälligen Aufschlagen einer herumliegenden Bibel ins Auge sprang..ist wirklich schon ne Zeit her..
 
..schon erstaunlich, wie unterschiedlich man das Hohelied verstehen kann..für mich geht es darin um die Normalität der Suche nach (sexueller) Nähe und Vertrauen und das Erleben der Welt unter diesen Bedingungen..der/die andere wird überhöht/euphorisiert wahrgenommen..dabei organisieren und vollziehen die Liebenden ihr Zusammensein (kann man das so sagen?)..das Ganze in Storytelling verpackt..

..der Satz "Deine Brüste sind zwei Zicklein, Zwillingsjunge der Gazelle, die in Blumenwiesen weiden.", war mein Einstieg, der mir beim zufälligen Aufschlagen einer herumliegenden Bibel ins Auge sprang..ist wirklich schon ne Zeit her..
Bitte genau hinschauen:

ich bezog mich nicht auf die Dichtung Salomos, sondern auf den 1. Korintherbrief, den Paulus von Tarsus geschrieben hat. Ein Klick auf den Link hätte genügt. ;-)

Natürlich geht es im Hohelied Salomos um den körperlichen Aspekt von Liebe...
 
dann gibt es da genau eine Auffassung von Treue: dass sich jemand an jemanden oder etwas fest bindet oder etwas zusagt - und dabei bleibt.
So ist es, je stärker die Bindung um so stärker das Treue verhalten.
 
So widersprüchliche Formulierungen sind oft das Salz in der Suppe.
Einmal ist keinmal, die Letzten werden die Ersten sein, nichts ist so beständig wie der Wandel, schöne Scheiße, bittersüßer Klang der Stille.
Ich find die Zeile "Treue ist nicht treu" als Versuch, einen Gedanken auszudrücken, legitim. Richtig packen, tut es mich aber nicht.
 
Ich find die Zeile "Treue ist nicht treu" als Versuch, einen Gedanken auszudrücken, legitim. Richtig packen, tut es mich aber nicht.
Danke, lieber @Andaraginga für deine für mich nachvollziehbare Meinung. :)

Meine Hooks entstehen meist, indem ich darüber nachdenken, ob sie universell anwendbar sind. Und so habe ich den Begriff der Treue natürlich nicht nur auf die Liebe und Freundschaft angewandt. Sondern beispielsweise auch auf die Politik….

Nun kam ich mir kaum Leser vorstellen, die der Politik glaubwürdige Treue bescheinigen würden. Konsequente Treue würde die Politik mE ja auch blockieren. Das gilt mE für ALLE!! Richtungen.

Aber auch parteiintern gibt es oft heftige Kämpfe um die Treue. Da haben Realos und Fundamentalisten völlig verschiedene Meinung zur Treue . Wobei die Fundamentalsten der einen Partei wiederum die Fundamentalisten der Gegenpartei gerade für deren treuren Fundamentalismus verhöhnen. Während die Realos, die das Ding mit der Treue nicht so verbissen sehen, ihre Fähigkeit zur gelegentlichen Untreue aneinander wohl eher schätzten….;)

Oder etwa nicht?

Auch in der Liebe gibt es genügend Beispiele, dass gerade SEINE und IHRE Treue sich täglich erbittert bekämpfen, zur Trennung führen können.

Ich für meinen Teil betrachte ALLE moralischen Begriffe letztlich! für fragwürdig, sehe in dieser Skepsis aber eher eine Flexibilität, die Untreue des Anderen, wenn schon nicht tolerieren zu können, dann doch wenigstens zu verstehen.

Und aus diesen Grunde packt MICH regelmäßig das Grauen, wenn der Appell an die TREUE jegliche Tiefenbetrachtung ersetzen soll!! Und das ist leider viel zu oft der Fall
 
Zuletzt bearbeitet:
Löwenbräu, ich bleib Dir treu. 🍺 :love:
 
Es sind einige schöne Bilder drin, jedoch die Kernaussage ist imo sachlich falsch.
Entweder oder. Treue, Ehrlichkeit etc, sind eindeutig.
Verläßt Du diese Definitionen, dann irrlichterst Du nur noch durch Dein Leben, oder?
Das endet dann im "wahr ist unwahr, richtig ist unrichtig etc, was ein einziger Schmarrn ist.
Das hat imo auch nichts mit Schwarz weiss zu tun und Zwischentönen.

Einige Zeitgenossen demonstrieren ja schon länger, was so ein Kompassverlust anrichtet. Dann findet man sich zB. auf Veranstaltungen wieder, wo die Realität komplett verneint wird und es sektenartig zugeht. Siehe "Querdenken", you know.
 
Nichts ist, wie es scheint. Ein Baum ist bei genauerer Betrachtung ja eigentlich auch ne Currywurst.
 

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