Der Kompressor

[Tmny]

Hallo,

da ich immer nochnicht sicher bin bzw. höre wie ich einen Kompressor richtig einstelle, möchte ich versuchen die Anwendungsfälle zu definieren und euch mit ein paar Fallbeispielen beschäftigen.

Folgende Anwendungen unterscheide ich,bitte um Ergänzung
Langzeit Dynamik -> Gleichmäßige Lautsärke
Kurzzeit Dynmaik -> Transien- und Sustaintenbearbeitung


Ich fang mal mit der Kick an.

Ich hatte bis jetzt immer das Problem, dass der Drummer die Kick unregelmäßig spielt und sie daher eine hohe Dynamik besitzt, so. Ein Fall für die Langzeitdynamik. Wie Taste ich mich heran an die optimale Einstellung heran, ohne die Kick zu zerstören.

Ich versuche es meistens mit:

niedrigem Treshhold: Damit der Kicklauf permanent komprimiert wird und attack & release wenig Auswirkungen haben, ich weiß nämlich nicht wie ich die in dem Fall richtig einstelle : )

Eher gringerer ratio bis es gerade gleichlaut klingt.

Attack & Release: Großes Fragezeichen

Die Transientbearbeitung mache ich meistens ohne Kompressor mit einem Transientenplugin, da ich mit dem Komp. nie so gute Ergebnisse erziele, sollte man aber eigentlich können oder?

Ich würde es mit folgender Einstellung probieren:
längere Attackzeit um die die Transiente unberührt zu lassen und eher kürzere Realeasezeit damit sie nicht den nächsten Schlag der Kick beeinflusst. Threshold eher hoch, dafür aber hoher Ratiowert.
Was tut man aber bei dem Wechselspiel zischen schneller doublekick und langsam gespielter?
Wann möchte man lange releasezeiten damit der Kompressor den nächsten Schlag noch erfasst?

 

[b_riesel]

für die einstellungen der attack und release zeit würde ich mal folgendes probieren:

du stellst attack und release auf 0 (kürzeste zeit) ratio auf voll und fährst den compressor mit dem threshold mal ordentleich rein, sodaß es richtig pumpt.

dann fängst du mit der attack-zeit an und hörst darauf, wie sich ein vergrößern auf die einschwingphase des tones auswirkt.

als nächstes gehst du an die release-zeit. um bei deinem beispiel mit der kick zu bleiben. wenn du die releasezeit erhöhst, wirst du feststellen, daß das "fleisch" des tones ab einem gewissen punkt deutlich nach hinten tritt und vom kompressor abgeregelt wird. hier kannst du einen punkt suchen, in dem der "fleischanteil" und vor allem die länge des fleischanteiles anfängt zu grooven.

als nächstes dann die ratio. gerade, wenn man overheads, oder raumaufnahmen komprimiert, kann man schön hören wie der sound bei steigenden ratio-verhältnissen kleiner, weniger räumlich wird. auch hier soweit zurückregeln, bis du einen guten kompromiss gefunden hast.

zuletzt dann den threshold um den kompressor nur auf den lautstärkenbereich anzuwenden, auf der er benötigt wird.

und eines nicht vergessen: die ratio von aneinandergereihten kompreesionsvorgängen addiert sich nicht, sondern multipliziert sich. sprich einmal mit 2:1 und einmal mit 10:1 ergibt eine gesamtratio von 20:1 und nicht 12:1.

ich weiß, meine antwort gibt dir keinen konkreten ratschlag auf deine frage. aber der schlüssel zur kompression ist herauszufinden, wie der kompressor genau auf das material wirkt, wie klingt das, was macht es mit dem groove, wie kann der kompressor den groove unterstützen. dafür gibt es kein rezept. das macht den kompressor zu einem instrument für deine eigene kreativität.

und lieber keinen kompressor als einen falsch eingestellten.

 

[DaVogi]

sehr guter post von b_riesel!

bzgl langzeitdynamik:
statt einen kompressor so einstellen zu versuchen das er für den ganzen song passt kann es oft sinnvoller sein die volumekurve zu automatisieren oder die kick auf mehrere spuren aufzuteilen.

der doublebass-teil bekommt dann ein kompakteres, attackreicheres klangbild wohingegen die kick in langsamen passagen mehr brauch haben darf und nicht so 'schneidend' sein muss.

kick komprimiere ich eigentlich kaum... auch weil eine starke komprimierung imho nicht viel bringt weil das klangbild extrem anders ist zwischen zu leichtem treten (kein attack und wumms) und zu hartem (nur attack, abgewürgtes sustain) .... bei nem inkonsistenten drummer fahr ich deswegen eher ein trigger-sample (mit eher konstantem ton/wenig dynamik) dazu für die kontenance und die originalkick erhält die lebendigkeit und natürlichkeit des drummers.

 

[karumba]

kick komprimiere ich eigentlich kaum

geht mir genauso. der großteil der bearbeitung kommt vom EQing.

 

[Tmny]

du stellst attack und release auf 0 (kürzeste zeit) ratio auf voll und fährst den compressor mit dem threshold mal ordentleich rein, sodaß es richtig pumpt.

Interessanter Ansatz, ist man von dieser Richtung nicht verleitetet eine zu starke Kompression einzustellen, weil man sich ja durch die extreme Einstellung an die Artefakte kurzzeitig gewöhnt? Das Test ich mal.

als nächstes gehst du an die release-zeit. um bei deinem beispiel mit der kick zu bleiben. wenn du die releasezeit erhöhst, wirst du feststellen, daß das "fleisch" des tones ab einem gewissen punkt deutlich nach hinten tritt und vom kompressor abgeregelt wird. hier kannst du einen punkt suchen, in dem der "fleischanteil" und vor allem die länge des fleischanteiles anfängt zu grooven.

Findet man diesesn "Fleischanteil" überall, oder speziell bei Transientenreichen Signalen? ZB bei OHs?

und eines nicht vergessen: die ratio von aneinandergereihten kompreesionsvorgängen addiert sich nicht, sondern multipliziert sich. sprich einmal mit 2:1 und einmal mit 10:1 ergibt eine gesamtratio von 20:1 und nicht 12:1.

Das ist mir neu.. interessant.
Ich hab sie meisten komplett ausgetauscht, weil auch mit dem zusätzlichen Sample die Lautstärkeunterschiede zu derb warn. Mach ich aber ungern iwie, das kommt mir wie bescheißen vor, es muss doch mit einem Kompressor lösbar sein.

kick komprimiere ich eigentlich kaum

bei nem inkonsistenten drummer fahr ich deswegen eher ein trigger-sample (mit eher konstantem ton/wenig dynamik

 

[DaVogi]

klar lässt sich das auch ohne samples/trigger lösen... nur musst du dann weiter vorne beginnen und nicht beim kompressor, sondern beim schlagzeuger.

edit: eine wichtige lektion als tontechniker die du lernen musst ist -> nicht jedes material lässt sich auf ein level hochpushen das auch gegen profi-produktionen anstinken kann. die kette ist nur so stark wie das schlechteste glied. natürlich sollst du dich nach oben orientieren und das beste rausholen was möglich ist. ...

aber irgendwann muss man erkennen und sagen -> mehr ist im rahmen der gegebenen möglichkeiten nicht machbar.

zum triggern ansich: ich hab da zu beginn auch skrupel gehabt und empfand es als 'niederlage'. aber wenn man das behutsam einsetzt kann es eine mittelmäßige produktion wirklich nach vorne bringen... und es hat sich auch noch nie ein schlagzeuger beschwert wenn sein kit dann amtlich(er) geklungen hat....

(es ist auch im prof. bereich keine seltenheit das man ganze bandmusiker durch nen studiomusiker ersetzt.)

das wichtigste ist für mich einfach, das der song und die künstlerische itention dahinter respektiert wird. wenn du das ehrst und dem gemeinsamen ziel folgst ist es vollkommen egal ob du sachen ersetzt, durch den fleischwolf drehst oder einfach nur mutest.

klar sollte man jetzt nicht unbedingt ohne hinzuhören da seine standardsamples draufpappen so als standardbehandlung.... aber falscher 'stolz' ist eigentlich nicht angebracht imho.

genug philosophie ausflug.

snare komprimieren ist lustiger btw....

 

[the_Emre]

Folgende Anwendungen unterscheide ich,bitte um Ergänzung
Langzeit Dynamik -> Gleichmäßige Lautsärke
Kurzzeit Dynmaik -> Transien- und Sustaintenbearbeitung

Man sollte auch unterscheiden zwischen einzelnen Spuren, Gruppen und auf Summe.

Zum Beispiel Drums in der Gruppe oder Kick und Bass in der Gruppe oder Stimme und Instrumental oder eben die gesamte Summe, oder Kaskadieren von allem.

Wenn man nach Michael Brauer und Compressor im Internet sucht, bekommt man auch eine Menge zu dem Thema zu lesen.

mfg
-Emre-

 

[Tmny]

klar lässt sich das auch ohne samples/trigger lösen... nur musst du dann weiter vorne beginnen und nicht beim kompressor, sondern beim schlagzeuger.

edit: eine wichtige lektion als tontechniker die du lernen musst ist -> nicht jedes material lässt sich auf ein level hochpushen das auch gegen profi-produktionen anstinken kann. die kette ist nur so stark wie das schlechteste glied. natürlich sollst du dich nach oben orientieren und das beste rausholen was möglich ist. ...

aber irgendwann muss man erkennen und sagen -> mehr ist im rahmen der gegebenen möglichkeiten nicht machbar.

zum triggern ansich: ich hab da zu beginn auch skrupel gehabt und empfand es als 'niederlage'. aber wenn man das behutsam einsetzt kann es eine mittelmäßige produktion wirklich nach vorne bringen... und es hat sich auch noch nie ein schlagzeuger beschwert wenn sein kit dann amtlich(er) geklungen hat....

(es ist auch im prof. bereich keine seltenheit das man ganze bandmusiker durch nen studiomusiker ersetzt.)

das wichtigste ist für mich einfach, das der song und die künstlerische itention dahinter respektiert wird. wenn du das ehrst und dem gemeinsamen ziel folgst ist es vollkommen egal ob du sachen ersetzt, durch den fleischwolf drehst oder einfach nur mutest.

klar sollte man jetzt nicht unbedingt ohne hinzuhören da seine standardsamples draufpappen so als standardbehandlung.... aber falscher 'stolz' ist eigentlich nicht angebracht imho.

genug philosophie ausflug.

snare komprimieren ist lustiger btw....

Der Text hat mich echt zum nachdenken gebracht und mich meine Philiosophie nochmal überdenken lassen : )

Dann komm ich mal zur Snare, da hab ich nämlich noch weniger Ahnung.
Zuerst mal höre ich nicht ob ich eine Snare komprimieren soll, oder nicht.
Die Langzeitdynamik passt seltsamerweise meistens, außer ich verhöre mich, allerdings die Einelzschläge klingen oft nicht durchsetzungsfähig.

Komprimiert man Snare Top und Bottom unterschiedlich oder nur auf der Summe?
Was ist der Regefall: Zuviel Attack, zu wenig Sustain, umgekehrt?

Gibts sonst Tipps worauf man achten soll?

 

[DaVogi]

@ snare: also da kommts natürlich extrem drauf an welchen sound man erreichen will.

diesen typischen 'patsch' sound den man aus modernen rock/metal genres erkennt kommt hauptsächlich von einem stark komprimiertem top mikro... kurze regelzeiten... attack gefühlvoll eingestellt um genug bauch durch zu lassen und dennoch das ding kontrolliert an die wand fahren. hier eignet sich am ehesten ein agressiver FET-like kompressor.

also schnapp dir mal ein 1176er plugin und erhöhe den input (bzw. threshold senken) bei hoher ratio:
du hörst wenn die snare diesen festen, patschenden ton bekommt.

nachteile der starken komprimierung -> hihat spill ist gerne mal ein problem... (dezentes expandieren vor dem kompressor kann hier schon seeehr viel rausholen). deswegen kann man sich mit einem sauberen triggersignal das man für diesen patsch zufährt sehr viele probleme ersparen.

ein stark bearbeiter parallelweg kann dann helfen dem signal kraft in den tiefmitten mitzugeben (das kann man sehr drasisch eqen, verzerren und gaten).

bottom wird bei mir eher nur 'massiert' mit dem komp und ist für die natürlichkeit der snare zuständig.

 

[Tmny]

Wow danke, der thread ist echt wertvoll für mich!

Ich verwende übrigens immer den DAW internen Kompressor, kann es sein, dass der ungeeignet für Snares ist? nein oder?

 

[tomric]

Ich verwende übrigens immer den DAW internen Kompressor, kann es sein, dass der ungeeignet für Snares ist? nein oder?

Würde ich so nicht sagen, es gibt evtl. welche, deren Regelverhalten und Sound einem für bestimmte Instrumente besser oder weniger gut taugt. Ich fand den Dynamics 3 aus PT bspw. durchaus nett für Snares und Kicks. Im Moment greif ich da aber lieber zum dbx160 (UAD).

 

[cavemaen]

Mit einem (oder mehreren) Kompressor wäre ich vorsichtig, man kann damit viel kaputtmachen.

Ein Kompressor ersetzt kein Billigmikrofon und auch keinen tauben Vorverstärker!

Früher hatte man nur in der Summe einen Limiter. Durch einen kleinen Trick in der Schaltung, wurde der Limiter zu einem Kompressor, also Klangverdichter.

Das CD-Presswerk nutzt welche und jagt das Signal durch Billigwandler und die Radiostationen nochmal. Das wird zu einem stark verdichteten Lärm zusammengepresst, der gerade bei den Privaten schlimm tönt!

Wenn Du ein gutes Mikro hast mit einem guten Vorverstärker, brauchst Du so'n Teil nicht.

Man "kann" sanft was machen im Gesang oder ein Soloinstrument hervorheben, aber mit Vorsicht, denn es sollte nichts zu dominant klingen.

Ein Effektgerät ist richtig eingestellt, wenn man es nicht hört und nicht über allem steht.

ProBIER es aus.

Rudolf

 

[Tmny]

Danke Tomric und Rudolf.

Mag noch wer was loswerden bez. Snare komprimieren, bevor ich zum nächsten Thema übergehe?

Toms verhalten sich wahrscheinlich ähnlich zur snare, oder? Was gibts da für besonderheiten?

 

[DaVogi]

toms funktionieren auch mit weniger kompression... hier liegt das a&o bei stimmung und ordentlich gespielt.

was VCA mäßiges mit mittlerer attack/release (also beides länger als bei der snare) funktioniert hier eigentlich ganz gut.

wichtiger find ich aber sauberes EQen und einen guten reverb... eine gewissenhafte vorarbeit (schneiden oder gate/expander) ist in manchen genres leider auch von nöten, ansonsten bekommt man die toms nicht so laut (weil der spill nervt) wie man sie in dichten arrangements will/braucht.

 

[Tmny]

Die Overheads sind mir auch ein großes Rätsel was kompression angeht. Ich höre immer wieder dass die sehr hoch komprimiert werden, aber warum? Werden Räume generell höher komprimiert, also zB auch Verbs im Effektkanal?

Worauf hört man ?
Welche Attackeinstellung funktionieren eher für OHs?

 

[DaVogi]

zwischen oveheads und raum mikros würd ich erstmal unterscheiden.

oh komprmiere ich wenig, da gehts eher um leichtes verdichten des gesamtsounds od. auch eine gewissen groove aufzuprägen.

raum mikros dagegen werden eher hart rangenommen und dann leise beigemischt. deren aufgabe sehe ich mehr als 'exciter' -> auf gefühlsebene nicht frequenzebene.

durch die starke komprimierung maximiert man die bewegte luft die ein drumset atmen lässt, nicht zwangsläufig wird dabei die absolute räumlichkeit/raumeindruck erhöht.

 

[Tmny]

Aha das bringt etwas Licht ins Dunkle. Danke