Das reimt sich nicht auf Spaß

[Teestunde]

Das reimt sich nicht auf Spaß

Schon als ich noch klein war, erklärte man mir:
Du bist nicht zu deinem Vergnügen hier.
Sogar aus dem Spiel wurde eine Art Pflicht,
verkrampft pädagogisch, nur – schön war es nicht.
Am Schreibtisch wächst kein Gras.
Das reimt sich nicht auf Spaß.

Die Schule begann. Ich war ganz vorn dabei.
Die Freundin bekam schon ne Mark für ne Drei.
Ich kriegte für meine Zensuren kein Geld.
Das hat mir die Sache gehörig vergällt.
Als ob ich Frösche fraß.
Das reimt sich nicht auf Spaß.

Das Studium, ich warf es nach kurzer Zeit hin.
(Vergesst nicht, dass ich noch ein Mauerkind bin.)
Wozu sich so quälen? Man kommt eh nicht weit.
Das Land ist zu klein, die Regale zu breit.
Fünf Jahre Stress - für was?
Das reimt sich nicht auf Spaß.

Ich ging zum Theater, verkaufte Billets.
Im Altbau zu zehnt heizten wir mit Briketts.
Der Spielplan bestand leider oft aus dem Quark,
den keiner ertrug, denn das Rot schien zu stark.
Wann geben die mal Gas?
Das reimt sich nicht auf Spaß.

Ich fand einen Mann und ich kriegte ein Kind.
Die Mauer ging auf und der eisige Wind
blies – hoppla! – das ganze Theaterhaus weg.
Kultur, hieß es, hat in dem Kaff keinen Zweck.
Wie schnell man uns vergaß!
Das reimt sich nicht auf Spaß.

Und trotzdem, ich wollte den Staat nicht zurück
mit Stabü und Stasi und Blei im Genick,
nur für den Versuch, über Grenzen zu gehn.
Ich wollte das Neue gern positiv sehn.
Ganz keck hob ich das Glas.
Vielleicht macht es ja Spaß!

Heut stehe ich vor meiner Lebensbilanz:
Okay, ich bin ehrlich, sie glückte nicht ganz.
Es ging mir die meiste Zeit nur so la la.
Was übrigens fast immer meine Schuld war.
Weil ich mein Ziel vergaß.
Wer spotten will, viel Spaß!

 

[Andaraginga]

Klingt sehr echt.
Von Art, Aufbau und Geschichte musste ich sofort an "Von nun an ging's bergab" von Hildegard Knef denken.

 

[Rex]

Klingt authentisch und echt. Kriegt so nicht jeder hin.

Weil ich mein Ziel vergaß.

Welches Ziel war denn das nun?
Kommt für mich nicht klar rüber.

Etwa: "Ich will Spaß. Ich will Spaß. Ich geb Gas, Ich geb Gas."

 

[Cuttos]

Des ist wie der vorherige Text von dir mal wieder ein ganz Großartiges Ding.
Vertonst du diese auch ?
Hat mir Spaß gemacht zu lesen.

 

[ModulationMatrix]

Wirkt auf mich stark, der Text. Das Ziel am Ende bleibt in der Tat offen, aber das finde ich nicht schlimm. "fast meistens" klingt komisch. "Fast immer", oder einfach "meistens" sind ja geläufig.

 

[Teestunde]

"fast meistens" klingt komisch. "Fast immer", oder einfach "meistens" sind ja geläufig.

Wird geändert. Stimmt.

Von Art, Aufbau und Geschichte musste ich sofort an "Von nun an ging's bergab" von Hildegard Knef denken.

Mag sein, dass ich das sogar im Hinterkopf hatte.

Welches Ziel war denn das nun?

"Ich wollte das Neue gern positiv sehn." Das meinte ich mit Ziel.

 

[Teestunde]

Klingt authentisch und echt. Kriegt so nicht jeder hin.

Ach so, ja, diesmal wollte ich bei mir bleiben beim Schreiben. Ist nur leider ernüchternd ausgefallen. Ein Interpret wird sich dafür kaum finden, denn wer will sich schon in diese Schuhe stellen.

 

[helge1973]

ja, diesmal wollte ich bei mir bleiben beim Schreiben. Ist nur leider ernüchternd ausgefallen. Ein Interpret wird sich dafür kaum finden, denn wer will sich schon in diese Schuhe stellen

Diesen Satz versteh ich noch weniger als den Text

fürs Singen ... tja, da wird's echt anspruchsvoll das unterzubringen ohne so n paar Günni Gabriel-Schleifen benutzen zu müssen, denn der Text liest sich nicht so flüssig (liedmäßig gesehen) wie Dein sonstiger Stoff.

Finde auch die Zeitsprünge viel zu rasend ... wäre eher inhaltlich genug für n Album, sonst bleibt es zu trivial und das will es doch nicht


In Ansätzen richtig gut und auf dem richtigen Weg, dringt jedoch bei mir nicht ganz durch.
Vlt auch weil Deine letzten Sachen alle so verdammt gut waren.

 

[Teestunde]

Finde auch die Zeitsprünge viel zu rasend ... wäre eher inhaltlich genug für n Album, sonst bleibt es zu trivial und das will es doch nicht

Er wäre eben NICHT genug für ein Album, der Text. Ich wollte nichts erfinden und dazulegen, was nicht zutrifft.

 

[Andaraginga]

Ach so, ja, diesmal wollte ich bei mir bleiben beim Schreiben. Ist nur leider ernüchternd ausgefallen. Ein Interpret wird sich dafür kaum finden, denn wer will sich schon in diese Schuhe stellen.

Du musst das selber singen.
Es ist dein Ding und wirkt weil rüberkommt, dass du was zu erzählen hast.
Das ist wichtiger wie die perfekte Gesangsstimme (falls du die nicht hast).

 

[Teestunde]

Du musst das selber singen.

Nett von dir. Ich bin immer noch "schockiert", wie lauwarm meine Bilanz ausgefallen ist. Da vergeht mir die Lust zu singen. Mich tröstet allerdings, dass meine Ehrlichkeit offene Ohren findet. Offenbar habt ihr ein gutes Gespür für wahre Worte.

 

[SoulFrontier]

Es ging mir die meiste Zeit nur so la la.
Was übrigens fast immer meine Schuld war.

Ist schon traurig! Schön die Ehrlichkeit dabei es ist eigene “Schuld“.

Hätte jeder Mensch, dessen Leben nicht ganz so toll verlief, diese Ehrlichkeit dann wäre dies ein besseres Land und eine bessere Welt.

 

[Turquoise]

Hallo Teestunde,

ich würde ein bisschen was anders machen.

1.)

Einer der schönsten Sätze - am Schreibtisch wächst kein Gras - passt mMn nicht.

- weil der Bezug etwas konstruiert klingt; man kann ja durchaus am Schreibtisch auch ohne Gras Spaß haben
- weil der Satz in der Gegenwart steht und damit keine Verbindung zu "Damals" hat

wie wäre es mit:

so oft ich am Schreibtisch auch saß
es machte keinen Spaß


2.)

Dass kein Geld für Deine Zensuren bekommen zu haben Dir die Schule "vergällt" hat, klingt, als hättest Du es für Geld lieber gemacht. Das ist kein besonders . . . nun ja . . . nachahmenswerter Ansatz. Denn unser Bildungsideal lautete ja "Nicht für die Schule (oder für Geld) sondern für das Leben lernen wir".
Wenn es also bei Dir tatsächlich so gewesen sein sollte, würde ich das dem Zuhörer nicht so aufs Brot schmieren, sondern vielleicht das Desinteresse an Deinen eigentlichen Bedürfnissen stärker herausstellen. (Oder war Dein Bedürfnis das Geld?)
Und was hat das mit dem Lesen zu tun? Hätte Dir Lesen für etwas Geld mehr Spaß gemacht? (Im Endeffekt glaube ich aber, dass das Geld hier nur eine Ausrede ist und die Wahrheit anderswo liegt, siehe Anm. zur nächsten Strophe...)


3.)

Sein Studium hinzuschmeißen fiel einem mMn nicht leichter, wenn man ein "Mauerkind" war. Im Gegenteil: ich denke, in der DDR wurde seltener abgebrochen, als heute. Eben weil die Perspektiven begrenzt waren, war das Studium doch eine der wenigen Optionen, um überhaupt einmal den Duft der Welt zu schnuppern.

Ich frage mich also, ob die gelieferte Begründung tatsächlich der wahre Grund gewesen ist. Vielleicht ist die Wahrheit so: man ist im Herzen ein Träumer / Idealist und hat im / durchs Studium erkannt, dass diese Träume vom Studium überhaupt nicht berührt werden bzw. jenseits davon existieren? Vielleicht hatte man sich in diesem Punkt getäuscht, gedacht, durchs Studium kann man sich mit seinen Träumen auseinander setzen - und war nun ernüchtert?

Falls ja - wieso dann aber wieder die Regale als Alibi?


4.)

Wann gibt wer mal Gas? Die Roten? Oder die, die was anderes wollten? Und wie ist überhaupt "Spaß" in dieser Beziehung zu verstehen? Den meisten Ostkünstlern, die ich im Nachhinein per Interview o.ä. gelesen habe, ging es weniger um oberflächlichen "Spaß" (Fun) sondern, darum etwas zu bewirken. Dann wäre Spaß ohnehin der falsche Begriff, sondern eher sowas wie Erfüllung oder berufliche Befriedigung. Und das kann - da bin ich mir sicher - auch aus der Opposition heraus und im brikettbeheizten Altbau - Spaß machen.

Überzeugt ich nicht sehr. (Okay - ich verstehe aber, dass hier vmtl. eher der flapsige Ausdruck, des macht keen Spaaß gemeint ist...)


6.)

Sobald man versuchte müsste es heißen. Dann passt aber das Versmaß nicht mehr. Müsste also ein anderes Verb her, z.B. beschloss


7.)

Die letzte Strophe bringt dann erstaunlicherweise die einzig nachvollziehbare Erklärung, die die oben genannten Widersprüche auflöst:

Du selbst warst Schuld.

Und hier müsste der eigentliche Text beginnen, denn das "Warum?" ist die spannende Frage, die solch ein Text klären müsste.

Ansonsten sagt er (in Kurzform) lediglich:

1. Die Umstände
2. Die Umstände
3. Die Umstände
4. Die Umstände
5. Die Umstände
6. Die Umstände
7. Na gut - in Wirklichkeit ich selbst

 

[Saurus]

Die Geschichte kommt mir (als Auch-Ossi) sehr bekannt und authentisch vor

 

[TheSnatcher]

Authentisch und glaubwürdig. Musikalisch würd ich defintiv an Reinhard Mey denken. Akustik-klampfe und dann halb erzählend, halb singend vorgetragen. Speziell denke ich an sowas wie "Es gibt keine Maikäfer mehr".

 

[helge1973]

Musikalisch würd ich defintiv an Reinhard Mey denken. Akustik-klampfe und dann halb erzählend, halb singend vorgetragen. Speziell denke ich an sowas wie "Es gibt keine Maikäfer mehr

This!

 

[Teestunde]

1. Die Umstände
2. Die Umstände
3. Die Umstände
4. Die Umstände
5. Die Umstände
6. Die Umstände
7. Na gut - in Wirklichkeit ich selbst

Da muss ich definitiv noch was tun. Allerdings wollte ich mich in nichts reinsteigern, was nicht zutrifft. Aus Feigheit oder Eitelkeit. Es ist genau so, wie du es zusammenfasst.
Erst mal Abstand gewinnen und dann noch mal alles auseinander nehmen.

 

[Teestunde]

Ach so, noch was, wir als Besucherabteilung des Theaters wurden von den Schauspielern immer gefragt, warum wir für einige Stücke so wenig Karten verkaufen. Dann haben wir denen erklärt, dass die Leute sich für sozialistischen Realismus leider nicht interessieren und dass es doch auch andere Sachen gibt, die man inszenieren könnte. Dann waren sie todbeleidigt und gaben uns die Schuld. Wegen mangelnder Werbung. So ging das hin und her. Und das machte wirklich keinen Spaß.
Trotzdem werde ich mal versuchen, diese Zeit auch aus einer anderen Ecke zu beleuchten. Falls es mir gelingt, die Lampe noch mal anzuknipsen.

 

[speedtom]

Mich erinnert es ein wenig an 'My Way'. So eine Bilanz des Lebens...Obwohl du dafür doch etwas zu jung bist!

 

[Teestunde]

Einer der schönsten Sätze - am Schreibtisch wächst kein Gras - passt mMn nicht

Im Moment fällt mir kein besserer Satz ein. Und an den Haaren herbeiziehen mag ich ihn nicht.

Wenn es also bei Dir tatsächlich so gewesen sein sollte, würde ich das dem Zuhörer nicht so aufs Brot schmieren, sondern vielleicht das Desinteresse an Deinen eigentlichen Bedürfnissen stärker herausstellen. (Oder war Dein Bedürfnis das Geld?)

Weißt du, ich musste als Lehrerkind vieles einsehen, u. a. auch, dass ein wirklich liebes Kind nicht nur lernt, weil es soll, sondern, weil es sich inbrünstig für alles interessiert. Für das Leben, ja. Dabei wäre eine kleine Anerkennung meines Fleißes mir wirklich was wert gewesen. Es reicht nicht, immer nur vollgequatscht zu werden. Es wurde eitel überwacht "wie gerne" ich Hausaufgaben mache. Stell dir das mal vor!

Ich frage mich also, ob die gelieferte Begründung tatsächlich der wahre Grund gewesen ist. Vielleicht ist die Wahrheit so: man ist im Herzen ein Träumer / Idealist und hat im / durchs Studium erkannt, dass diese Träume vom Studium überhaupt nicht berührt werden bzw. jenseits davon existieren? Vielleicht hatte man sich in diesem Punkt getäuscht, gedacht, durchs Studium kann man sich mit seinen Träumen auseinander setzen - und war nun ernüchtert?

Es war auch viel ML dabei in so einem Studium. Von fünf Jahren knapp zwei Jahre ML (Marxismus-Leninismus), dazu hatte ich einfach keine Lust.

Sobald man versuchte müsste es heißen. Dann passt aber das Versmaß nicht mehr. Müsste also ein anderes Verb her, z.B. beschloss

Ich empfinde "versucht" als richtig. Schließlich versuchte ich es ja nicht, sondern ich beziehe mich auf jene, die es wagten. "Versuchte" klingt so, als hätte ich es selber auch probiert.

Und hier müsste der eigentliche Text beginnen, denn das "Warum?" ist die spannende Frage, die solch ein Text klären müsste.

Das "Warum" ist tatsächlich spannend. Aber so weit bin ich noch nicht.

Ich hoffe, dir einigermaßen gerecht geworden zu sein.