Wie notiert ihr Eure Texte metrisch?

[artname]

Hallo musiktexter,

Ich schreibe unterwegs bei jeder Gelegenheit: U-Bahn, Bus, Café, Parkbank, Meeting usw. Oft empfiehlt es sich nicht, die Zeilen zu diktieren. Die Umgebung ist oft zu laut, oder diktieren wirkt einfach affig.

Also schreibe ich mit mobilen Geräten oder schlicht Schreibblock. Sobald ich eine Zeile geschrieben habe, hämmert in meinem Kopf eine "Arbeitsmelodie". Also ist sofort ein rhythmisches Schema in meinem Kopf. Meistens notiere ich anfangs dieses Betonungsschema und nutze dafür metrische Platzhaltersymbole. Obwohl ich Notist bin, nutze ich keine Noten. Das wird mir zu unübersichtlich.

Mal ein Beispiel aus der Hüfte, wobei X für betonte Silbe und x für unbetonte Silbe steht. In wenigen Sekunden kann eine Zeile beispielsweise so wachsen:

1. Zeile: Hey, Damen und Herren lasst euch erweichen (x/ Xxx Xx Xx xXx)

2. Zeile: Verratet x Eure Xxx Zeichen
Verratet x Eure "metrischen" Zeichen
Verratet "mir" Eure "metrischen" Zeichen!

Verständlich geschrieben? Vermutlich habt ihr alle ein eigenes Zeichensystem, womit ihr Platzhalter notiert.

Ich habe schon vieles durch.
- Vom Notieren des Textes innerhalb von Notenapps (Notion)
- Text und Harmonien mit "Onsong". Sieht sehr übersichtlich aus.
- Leadsheets, wo ich auf unliniertem Papier Takte und Viertel (1 2 3 4) notierte und die Texte irgendwie drunter setze. wird schnell unübersichtlich.
- Auch mit Excelzellen hab ich es probiert. Macht sich mit Handy aber schlecht.
- Sehr gute Erfahrungen sammelte ich auch mit "Anytune pro". Eine Audioapp mit eingebauter Notizfunktion. Man kann dazu leicht Loops definieren UND die Wiedergabe-Geschwindigkeit von Demos relativ verlustfrei reduzieren. Leider vergesse ich oft, Kopfhörer mitzunehmen.

ALSO meine Erfahrung sagte mir über die Jahre: Je einfacher das Platzhaltersystem, umso länger bleibt die Konzentration des Texters am Ball!!!! Was sagen Eure Erfahrungen?

 

[Gel Mitglied 86343]

Also Silben habe ich heute Morgen auch durchgezählt. Bewusst mache ich das aber erst, seitdem ich Songtext-Forum mit lese.

 

[Teestunde]

Mein Tag war heute echt beschissen.
...
Wer will denn sowas wirklich wissen?
...
______________________________
Mein Tag war heute echt beschissen.
Drum frag nicht, wie das Schreiben geht.
Wer will denn sowas wirklich wissen?
...
______________________________
Mein Tag war heute echt beschissen.
Drum frag nicht, wie das Schreiben geht.
Wer will denn sowas wirklich wissen?
Bei mir, da ist es eh zu spät.
______________________________
(so, nun merke ich, dass der Text völliger Quatsch ist)
(was lässt sich retten?)
______________________________
Mein Tag war heute echt beschissen.
Nur Blödsinn zu Papier gebracht. - (Nee!)
...
...
______________________________
Mein Tag war heute echt beschissen,
Papier und Stift sich spinnefeind. - (Nee, auch nicht! Wenn, dann WAREN sich Papier und Stift spinnefeind)
...
...
______________________________
(plötzlich)
Wer will denn sowas wirklich wissen?
Die Meisten kümmert es nicht sehr,
wie sie beim Schreiben vorgehn müssen
und ihre Texte bleiben leer.
______________________________
(für heute erst mal Pause, bevor ich mich zu sehr verrenne)
(Musik an, Tee kochen... )

Die in Klammern gesetzten Bemerkungen notiere ich nicht, sondern denke sie nur.

 

[artname]

Wow, @Teestunde, du nutzt keine Platzhalter beim Schreiben? Du fängst immer wieder von vorn an? Habe ich auch mal gemacht. zu jedem Versuch auch noch ein neues Blatt Papier!

Hallo @malles, wie zählen? Könntest du das mal an 2-3 Zeilen demonstrieren?

 

[Teestunde]

Keine Sorge, ich lösche meine Ergüsse sowieso immer mal zwischendurch.

 

[artname]

Naja, Werner Karma beispielsweise löscht nicht so schnell, Wenn er verwirft, nutzt er oft die Durchstreichfunktion. So sieht er, was bei ihm gerade nicht im Rennen ist, aber u.U. wieder ins Rennen zurück kehren könnte. Würde ich auch öfters nutzen, aber viele Apps haben diese Funktion nicht,

Ich schreibe unterwegs meist mit IPad Air2 und nutze als Notizprogramm "Notability". Die App hat ein gutes Ablagesystem, man kann gut zeichnen, farbig tippen und kann Audios und Texte aufnehmen und wandeln.

 

[Teestunde]

Unterwegs zu schreiben hab ich bisher noch nie probiert. Höchstens mal einen Einfall notiert. Weil ich fast immer Musik höre, wenn ich unterwegs bin. Oder meinen Sprachkurs. Und ein IPad besitze ich nach wie vor nicht. Nie eins gehabt.

 

[artname]

@Teestunde, du schreibst also 99% zu Hause? Wie schreibst du? Hörst du pausenlos, die geradezu betextende Schleife? Oder tippst du nur den Rhythmus mit den Fingern?

Also wenn ich nachdichte,höre ich pausenlos die jeweilige Schleife. Teilweise betexte ich so anfangs auch ein Demo. Unterwegs verlasse ich mich auf mein rhythmisches Gedächtnis.

 

[Gel Mitglied 86343]

Hallo @malles, wie zählen? Könntest du das mal an 2-3 Zeilen demonstrieren?

Na, z.B. heute Morgen beim Struktur-Suchen:
(Achtung, in diesem Vers ist ein Fähler versteckt-)

Sie spiegeln deine Phantasie,
wie du sie noch gar nicht kennst.
Schöne Bilder, bunt wie nie,
damit du in die Falle rennst.

Eigentlich müsste eine Silbe in der ersten Zeile wegfallen,
damit der Vers ausgewogen gesungen/gesprochen werden kann.
Es sind nämlich immer Sieben Stück. (Hoffichdoch)
Gesprochen ist der erste Satz auch ohne das 'Sie' im Zusammenhag verständlich.

 

[Teestunde]

, du schreibst also 99% zu Hause? Wie schreibst du? Hörst du pausenlos, die geradezu betextende Schleife? Oder tippst du nur den Rhythmus mit den Fingern?

Ich schreibe meistens abends beim Fernsehn. Da ich wegen meiner Medikamente eine unleserliche Krakelschrift habe, tippe ich mit 10 Fingern. Das geht besser.

Moment, ich hab deine Frage noch nicht richtig beantwortet: Wenn ich mir einen bestimmten Rhythmus merken will, schreibe ich mir einen Schimmel. Der kommt auf die linke Seite meines zweispaltigen Blattes (Computer). In die rechte Spalte schreibe ich dann meinen richtigen Text. Oft höre ich auch eine Melodie, bis ich sie auswendig kann und orientier mich daran.

 

[artname]

Sie spiegeln deine Phantasie,
wie du sie noch gar nicht kennst.
Schöne Bilder, bunt wie nie,
damit du in die Falle rennst.

Ich würde in Zeile 4 ein Problem sehen. "In" ist kein sonderlich sinntragendes Wort.

Sie spiegeln deine Phantasie,
so wie du sie noch gar nicht kennst.
Ein Fest der Bilder, bunt wie nie
dass du in ihre Falle rennst

Aus der metrischen Gründen habe ich nun alle Zeilen mit unbetonten Auftakt versehen. Das schafft ein sogenanntes ruhiges Gewohnheitsmaß. Der Hörer groovt sich unbewußt auf diesen Rhythmus ein... und kann so dem Song entspannter folgen.

Aus solchen Erwägungen heraus ( schaffung eines Gewohnheitsmaßes) schreibe ich vorab ein metrisches Schema. - Die Gefahr derartiger metrischer Ops ist, dass der Text anfängt zu leiern. Letztendlich muß man immer feiner justieren, abschmecken.

Aber darum geht es in dem Faden nicht vordergründig. So wie oben würde ich in der Bahn jedenfalls die Metrik skizzieren.

 

[artname]

@Teestunde,
Du schreibst in zwei Spalten: Links den Schimmel, rechts den originalen Text? - Wow! Das mache ich nur bei Nachdichtungen so. Da MUSS ich mich ja an die linke Spalte halten.

Ansonsten stünden links bei mir semantisch-klanglich neutrale, rhythmische Platzhalter. Begründung: Ich hätte Angst, dass der Schimmel meinen originalen Text semantisch und klanglich zu sehr primen, manipulieren könnte. Deshalb würde ich links nur neutrale Zeichen akzeptieren. Verstehst du, was ich meine?

Was ist für Dich der Vorteil dieser, deiner Arbeitsweise?

Und wenn du die Melodie auswendig kannst, notierst du dir ihren Rhythmus?

 

[Turquoise]

Ich setze mir - wenn überhaupt, d.h. wenn ich es mir nicht merken würde und denke, dass es notwendig ist um es nicht zu vergessen - über die betonte Silbe ein Akzent-Zeichen, also ein kleines Dreieck oder Häkchen mit nach unten gerichteter Spitze. Die unbetonten markiere ich gar nicht.

 

[Teestunde]

Was ist für Dich der Vorteil dieser, deiner Arbeitsweise?

Der Vorteil ist, dass ich den Rhythmus auch am nächsten Tag wiederfinde.

Und wenn du die Melodie auswendig kannst, notierst du dir ihren Rhythmus?

Nein, nie. Es ist auch eher eine Art Instant-Auswendiglernen. Die russischen Melodien der letzten Tage hab ich allesamt wieder vergessen.

 

[Andaraginga]

Sie spiegeln deine Phantasie,
wie du sie noch gar nicht kennst.
Schöne Bilder, bunt wie nie,
damit du in die Falle rennst.

Das ist interessant.
Ich hab die vier Zeilen gelesen und gedacht "die zweite ist doch "falsch", da ist eine Silbe zu viel".
Spontan wollt ich das runterleiern als:

Sie spiegeln deine Phantasie,
wie du sie nohoch gar nicht kennst.
Schönehe Bilder, bunt wie nie,
damit du in die Falle rennst

Bei der natürlich viel besseren Betonungsvariante hat Zeile 2 für mich einen textlosen Schlag Auftakt, was ich irgendwie auch vermerken würde:

x wie du sie noch gar nicht kennst.

 

[Gel Mitglied 86343]

Bei der natürlich viel besseren Betonungsvariante hat Zeile 2 für mich aber einen textlosen Schlag Auftakt, was ich irgendwie auch vermerken würde:

Stimmt schon, so gesehen ist es die zweite Zeile
Ich hatte spontan die Sieben Silben gewählt.
Bei Änderung der ersten Zeile in
Spiegel Deiner Phantasie
passt Zeile Zwei aber doch wieder.
Nur die letzte Zeile hat wieder Acht Silben.
Das hatte ich übersehen.
@artname baut das Ding dann einfach mit jeweils Acht Silben.

Sie spiegeln deine Phantasie,
so wie du sie noch gar nicht kennst.
Ein Fest der Bilder, bunt wie nie
dass du in ihre Falle rennst

 

[artname]

@Andaraginga

ich freue mich, dass wir in im Falle der zweiten Zeile eine wie auch immer gelagerte Gemeinsamkeit finden. Ja, auch ein nicht betexteter, aber empfundener Auftakt ist schön!!
Nebenbei, ein metrisches Zeichen (x) für einen ungetexteten Auftakt macht durchaus Sinn! Werde das mal praktizieren. - Andaraginga, wie notierst du deine Texte?

@Turquoise: Du setzt im Schrift^bild auf jede betonte Silbe einen Ak'zent? Du siehst, das Ipad bietet geringe Möglichkeiten. Muß man es dann wohl mit dem Stift tun. Aber ich seh das, wie Du vermutlich auch: Je weniger Akzente man setzt, umso besser liest sich der Text während des Dichtens.

Die erfahrenen Dichter sehen tatsächlich innerhalb 1,5 Sekunden, wie viele Silben mit welcher Betonung eine Zeile enthält. Ohne zu X-en (XxXxXxxxX). ich übe diese Übersicht noch.

@Teestunde, ich staune noch immer, dass du keinerlei Platzhaltersymbole verwendest.

@malles, wie gesagt, ich such anfangs ein "Gewohnheitsmetrum", weil das Ruhe in den Text bringt. Am Ende streiche ich oft Silben wieder und bringe so nachträglich wieder mehr Dynamik in den Text.

 

[Teestunde]

@Teestunde, ich staune noch immer, dass du keinerlei Platzhaltersymbole verwendest.

Sollte ich? Ich werde es mal probieren. Danke für deine Erläuterungen diesbezüglich.

 

[artname]

FRAGE AN ALLE: Mit welchem Textprogramm schreibt ihr Texte?

Ich pendle zwischen Onsong, Notability und Anytune pro (IOS Apps). Manchmal auch Notendruck (Notion).

@Teestunde: Ja, ich würde es schon deshalb tun, weil ein Schimmel vom Klang und der Semantik manipuliert. Wenn mir jemand ein Gesangsdemo schickt, verlange ich, dass da keine klar verständlichen englischen Zeilen auftauchen, weil die mich sofort rettungslos primen würden.

 

[Teestunde]

Microsoft Word Starter 2010