Ich ruhe nicht in mir

[house12]

Hallo Gemeinde,

es würde mich freuen wenn der ein oder andere sich Zeit nähme, meinen heutigen Karfreitagstext durchzulesen und eine kleine Rückmeldung - jeglicher Natur - zu geben.

Der Text fasst meine Gedanken der letzten paar Tage zusammen. Wer in sich ruht und wer nicht. Wer nur so tut. Ob jeder der - wie ich - selten in sich ruht, sich nur nicht genügend darum bemüht. Oder wie oder was oder warum.

Ich ruhe nicht in mir

Es gibt einen Hunger, der das
Dünne Kissen in der Wiege füllt
Er macht die Seele durstig
Und er bleibt auf ewig ungestillt

Es gibt eine Angst so listig,
Wendig und beweglich, unsichtbar
Die tote Zwillingschwester
Nie beweint oder betrauert, ohne Grab

Nein ich ruhe nicht in mir
Ich will mich immer wieder neu erzieh’n
Mir mangelt’s an Distanz
Bin schnell auf Hundertachtzig und gern mittendrin
Nein ich ruhe nicht in mir
Ich tu trotzdem mein Bestes und komm hin
Nein ich ruhe nicht in mir
Trotzdem ruht in mir viel

Es gibt Zweifel ohne Gründe
Wissen alles besser und genau
Wo deine schwachen Stellen rosa pochen
Unter seidenraupendünner Haut

Es gibt diese Einsamkeit mit Augen
Die niemals um Gnade flehn
Wie junge ungewasch’ne Schlüsselkinder
Auf der Strasse nachts um Zehn

Nein ich ruhe nicht in mir
Ich will mich immer wieder neu erzieh’n
Mir mangelt’s an Distanz
Bin schnell auf Hundertachtzig und gern mittendrin
Nein ich ruhe nicht in mir
Ich tu trotzdem mein Bestes und komm hin
Nein ich ruhe nicht in mir
Trotzdem ruht in mir viel

 

[MamaMuuht]

Wow! Das haut mich echt vom Hocker! Ein sehr starker Text mit sehr eindringlichen Bildern. Ich hör das schon jetzt gesungen und bekomme Gänsehaut! Inhaltlich möchte ich da gar nix zu sagen, der Text spricht für sich. Wer nix hört, ist taub. Oder tot.

Zwei Anmerkungen zum Rhythmus bzw. einer Formulierung. Du schreibst "schnell auf achzig. Zum einen kenne ich den Ausdruck anders, nämlich " bin schnell auf hundertachzig". Und ich glaube auch, das das deutlicher ist und vom Rhythmus besser passt?

Und die letzte Zeile des Refrains schreit meiner Meinung nach rhythmisch nach einem so vor dem viel.Aber du hast wahrtscheinlich den Klatschtest gemacht? Ich auch, komme da aber immer ins Strudeln....Kann natürlich auch gut kommen, so eine ungwohnte Betonung oder Pause...

 

[altessockenfach]

berührend. ich versteh ihn zwar nicht wirklich, aber das ist ja egal.

 

[holgi]

Ein sehr guter Text, ich weiss was du sagen möchtest.

Wie sieht die Idee zur Vertonung aus?

 

[popnapp]

Ich finde die Idee und den Titel schonmal klasse. Aber ich verstehe nicht alle Bilder. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich die zentrale Message richtig begreife und ob ich sie unterschreiben würde. Muss ja auch gar nicht sein, dass jeder Hörer das genau so sieht, ist klar. Trotzdem liste ich mal die Zweifel, die mir beim Lesen/vorm inneren Ohr hören in den Sinn kamen:

Nein ich ruhe nicht in mir
Ich muss mich immer wieder neu erzieh’n

Das Bild finde ich sehr passend. "In sich ruhen" bedeutet dann wohl, dass man mit sich selbst im Reinen ist (das sehe ich auch so) und an sich nichts konkretes auszusetzen hat, man keinen Anlass sieht, sich zu etwas anderem zu erziehen. Ich würde nur das "muss" durch ein selbstbewussteres "will" ersetzen. Finde ich nämlich durchaus eine ehrenwerte und richtige Sache, wenn man Anlass sieht, sich selbst zu erziehen. So gesehen wäre mir das "in sich ruhen" nämlich zu bequem, selbstzufrieden und unflexibel.

Mir mangelt’s an Distanz
Bin schnell auf Achtzig und gern mittendrin

Diese Implikation finde ich nicht so passend. Es klingt, als bedeute "in sich ruhen", dass man distanziert, unbeteiligt und abseits bleibt. Würde ich anders sehen. Wenn man mit sich selbst im Reinen ist, heißt das ja nicht, dass man sich nicht über andere Dinge aufregt, sich einmischt und mittenrein drängt, um was zu ändern. In sich Ruhende können das vermutlich sogar eher und öfter tun, weil sie nicht so viel mit sich selbst beschäftigt sind.

Nein ich ruhe nicht in mir
Ich tu trotzdem mein Bestes und komm hin

Das stört mich auch ein wenig, weil ich gar nicht finde, dass "in sich ruhen" sooo erstrebenswert ist, dass man, wenn man es nicht tut, wenigstens sein Bestes tun müsste wenn man schon nicht das angeblich optimale "in sich ruhen" schafft. Ich würde hier also eher das "trotzdem" weg lassen. Vielleicht eher "Ich tu aber mein Bestes und komm hin", oder so.

Na ja, Feinheiten. Was man so findet, wenn man ins Grübeln kommt. Der Text ist aber offensichtlich schonmal gut, denn zumindest mich hat er tatsächlich nachdenklich gemacht. Schafft ja längst nicht jeder Text (weil ich vermutlich eher borniert als "in mich ruhend" bin).

Die Verse finde ich tendenziell etwas zu poetisch und zu verschlüsselt. Da verstehe ich nicht, was gemeint ist. Ich ahne es höchstens. Da wäre etwas mehr Klarheit und Konkretes mehr nach meinem Geschmack. Aber das kann man natürlich auch anders sehen.

Jetzt bin ich natürlich, wie holgi zum Beispiel auch, gespannt auf die Vertonung.

 

[house12]

Wow! Das haut mich echt vom Hocker! Ein sehr starker Text mit sehr eindringlichen Bildern. Ich hör das schon jetzt gesungen und bekomme Gänsehaut! Inhaltlich möchte ich da gar nix zu sagen, der Text spricht für sich. Wer nix hört, ist taub. Oder tot.

Zwei Anmerkungen zum Rhythmus bzw. einer Formulierung. Du schreibst "schnell auf achzig. Zum einen kenne ich den Ausdruck anders, nämlich " bin schnell auf hundertachzig". Und ich glaube auch, das das deutlicher ist und vom Rhythmus besser passt?

Und die letzte Zeile des Refrains schreit meiner Meinung nach rhythmisch nach einem so vor dem viel.Aber du hast wahrtscheinlich den Klatschtest gemacht? Ich auch, komme da aber immer ins Strudeln....Kann natürlich auch gut kommen, so eine ungwohnte Betonung oder Pause...

Jörg, danke für dieses fette Lob. Du hast natürlich recht, es muss Hundertachtzig heissen, ich hab keine Ahnung was ich mit den fehlenden Hundert gemacht hab. Ich hab das jetzt im Text verbessert. Schön, dass du immer so detailliert liest und rückmeldest, echt! Die letzte Zeile im Chorus lass ich vorerst mal so, mal sehn was sich eventuell später beim Singen ergibt, ein kleines "so" ist ja schnell hinzugefügt.

 

[house12]

berührend. ich versteh ihn zwar nicht wirklich, aber das ist ja egal.

Danke auch an dich, altessockenfach (dieser nick... ). Schön, dass dich der Text trotzdem erreicht, auch wichtig zu wissen für mich!

 

[house12]

Ein sehr guter Text, ich weiss was du sagen möchtest.

Wie sieht die Idee zur Vertonung aus?

Ich hätte fast geantwortet, "schön, dass du weisst was ich sagen möchte" aber womöglich ist das gar nicht so schön für dich. Trotzdem hört man das natürlich gern als Frau Nein, im Ernst, Holgi, ich freu mich dass die Botschaft ankommt!

Der Text sucht noch nach seiner Vertonung, mein Talent beschränkt sich auf Singen und Texten. Hast du Ideen und/oder Interesse oder kennst du jemand der jemand kennt, der jemand kennt?

 

[house12]

"In sich ruhen" bedeutet dann wohl, dass man mit sich selbst im Reinen ist (das sehe ich auch so) und an sich nichts konkretes auszusetzen hat, man keinen Anlass sieht, sich zu etwas anderem zu erziehen. Ich würde nur das "muss" durch ein selbstbewussteres "will" ersetzen. Finde ich nämlich durchaus eine ehrenwerte und richtige Sache, wenn man Anlass sieht, sich selbst zu erziehen. So gesehen wäre mir das "in sich ruhen" nämlich zu bequem, selbstzufrieden und unflexibel.

Danke dir für die ausführliche Rückmeldung, popnapp. Mir gefällt dein Vorschlag "will" statt "muss" zu sagen, ich habe das eben im Text geändert.

Es klingt, als bedeute "in sich ruhen", dass man distanziert, unbeteiligt und abseits bleibt. Würde ich anders sehen.

Ich denke es geht mir eher um die so genannte "gesunde" Distanz, die Fähigeit zu wissen wo man selbst aufhört und die anderen anfangen. Ding nicht persönlich zu nehmen oder sich zu schnell direkt angesprochen zu fühlen.

Wenn man mit sich selbst im Reinen ist, heißt das ja nicht, dass man sich nicht über andere Dinge aufregt, sich einmischt und mittenrein drängt, um was zu ändern. In sich Ruhende können das vermutlich sogar eher und öfter tun, weil sie nicht so viel mit sich selbst beschäftigt sind.

Ich gebe dir völlig recht und genau diese Überlegungen haben mich auch zum Schreiben angetrieben. Den Satz im Text "nein, ich ruhe nicht in mir" kann man eben auch so deuten: für mich bedeutet In-sich-Ruhen eben nicht, dass ich einem Konflikt aus dem Weg gehe oder mich nicht aufrege. Für andere bedeutet es aber genau das.

Das stört mich auch ein wenig, weil ich gar nicht finde, dass "in sich ruhen" sooo erstrebenswert ist, dass man, wenn man es nicht tut, wenigstens sein Bestes tun müsste wenn man schon nicht das angeblich optimale "in sich ruhen" schafft. Ich würde hier also eher das "trotzdem" weg lassen. Vielleicht eher "Ich tu aber mein Bestes und komm hin", oder so.

Ich finde das ebenfalls nicht erstrebenswert. Meine Aussage im Text ist eher ein wenig spöttisch gemeint. Generell beschreibst du aber die Gedanken,die ich mir auch gemacht habe.

Die Verse finde ich tendenziell etwas zu poetisch und zu verschlüsselt. Da verstehe ich nicht, was gemeint ist. Ich ahne es höchstens. Da wäre etwas mehr Klarheit und Konkretes mehr nach meinem Geschmack. Aber das kann man natürlich auch anders sehen.

Ich bin selbst keine Freundin von zu viel Bildhaftigkeit. In diesem Fall ist die Botschaft aber so intim, persönlich und autobiografisch, dass ich keine Lust hatte, sie komplett nackt zu präsentieren. Deshalb hab ich ein paar Bildschichten drüber gestülpt.

Jetzt bin ich natürlich, wie holgi zum Beispiel auch, gespannt auf die Vertonung.

Dazu fehlen mir noch die Partner, wie bereits in meiner Antwort an holgi erwähnt.

 

[asli]

Hi house12!

Finde den Text sehr gelungen. Sprachlich sehr schön. Das einzige Wort, das mich ein wenig stört, sind die "Schlüsselkinder", das Wort sticht aus den ganzen Bildern hervor und kommt mir irgendwie so "technokratisch" vor.

Auf der Strasse noch nach Zehn

..fände ich "auf der Straße nachts um Zehn" auf jeden Fall singbarer. ( Hatte gestern zum Testen mal die Klampfe rausgeholt ). Aber 22 Uhr is ja wohl noch nicht Nacht.....

LG

Asli

 

[MamaMuuht]

@asli

Tja, das Wort Schlüsselkinder hat, glaube ich, für jeden einen anderen Geschmack. Ich verbinde damit eigentlich die 70er Jahre. Schlüsselkinder waren die anderen, wo die Mutter auch arbeiten ging. Oder alleine, weil alleinerziehend. Es waren die "armen" Kinder, mit denen manche eine seltsame Form von Mitleid hatten. Dem Kind wurde geholfen, die Mutter wurde still verachtet. Ich weiß übrigens gar nicht, ob der Begrifff heute noch Verwendung findet. Laut Wikipedia eher nicht. Spannend ist, das der Begriff in der DDR eher mit einem Statusgewinn von Kindern verbunden war.

Deine Zeile mit der Strasse finde ich gut. Noch nach ist tatsächlich nicht soo doll zu singen. Okay, Zehn Uhr ist nicht Nachts. Aber für Kinder ja schon....
Was meint denn die Autorin?

 

[house12]

@asli & Jörg

Schlüsselkinder waren in meiner Kindheit arme, verwahrloste. freche Gören mit dem Schlüssel an der Schnur um den Hals unter dem schmutzigen Pulli mit den Geschwistern wie Orgelpfeifen im Schlepptau. Haben gespielt wo sie nicht sollten und in der Abenddämmerung noch auf dem Spielplatz rumgekreischt. Manche Eltern sahen nicht gern wenn ihre eigenen Sprösslinge mit ihnen spielten, andere holten sie rein, um sie zu füttern.

"Auf der Strasse nachts um Zehn" gefällt mir. Dachte auch schon an "auf dem Spielplatz bis nach Zehn". Aber ich glaube "nachts" singt sich besser. Oder?

 

[Stoner]

Manche Eltern sahen nicht gern wenn ihre eigenen Sprösslinge mit ihnen spielten,

Jo, "Spiel´nicht mit den Schmuddelkindern,..." - war das Reinhard Mey?
(Fällt mir gerade ein zu dem Satz)

Ansonsten war ich bei den Begriff auch kurz etwas verdutzt - mußte an "Schlüsselfiguren" denken, bis mir die Bedeutung wieder einfiel.

Ich verbinde mit "Schlüsselkindern" nichts negatives, was sie selbst betrifft.
Es ist eher das Elternhaus, was aber je nach Situation auch nichts dafür kann.
Schlüsselkinder heißen so, weil sie "mit dem Wohnungsschlüssel um den Hals" herumlaufen.
Weil niemand zu Hause ist, der die Tür aufmacht.
Die Gründe sind vielfältig:
- Vater arbeitet, Mutter auch
- Vater arbeitet, Mutter ist abgehauen/saufen oder rumhuren. Oder umgekehrt.

"NACHTS um zehn" finde ich sehr gut u. passend. Für (junge) Kinder ist zehn Uhr ja eigentl. schon nachts.
Außerdem gefällt mir "UM zehn" besser als "BIS zehn" - denn bei "UM zehn" stellt man sich direkt eine konkrete Situation vor. "BIS zehn" ist dagegen eher eine schwammige Aussage, ein beliebiger Zeitraum, der keine konkreten Bilder liefert.
Auch wenn sich bei "UM zehn" sicher jeder was anderes vorstellt, so stellt er sich zumindest was vor. Einen ZeitPUNKT (Situation) kann man sich bildlich vorstellen, einen ZeitRAUM weniger.

 

[holgi]

Ich hätte fast geantwortet, "schön, dass du weisst was ich sagen möchte" aber womöglich ist das gar nicht so schön für dich.

Ich kann damit leben

Seit Jahrzehnten beschäftigt mich dies, ich habe aufgehört an eine Lösung zu glauben, ich halte es derzeit mit Roth; "auf meinem Grabstein soll einmal stehen; er hat es versucht"

 

[Stoner]

Nein ich ruhe nicht in mir
Trotzdem ruht in mir viel

Diese 2 Zeilen machen mich nachdenklich - weil sie so widersprüchlich sind - auf den 1. Blick.

Aber eigentlich geht´s mir nicht anders.
Ich ruhe nicht in mir - vieles geht mir auf den Sack, macht mich traurig, nachdenklich, wütend, aggressiv, depressiv.
Und trotzdem ruht viel in mir:
Auch wenn ich manchmal ausflippen könnte, versuche ich immer ruhig zu bleiben.
Oder manche Emotionen sind so schlimm, daß ich sie einfach vergessen oder verdrängen möchte.
Das ist nicht immer der beste Weg, aber manchmal der einzig erträgliche.
Aber wenn man das dauerhaft "erfolgreich" praktiziert, ist man irgendwann wie innerlich tot.
Da kann man besser mal Herzschmerz spüren, als gar nichts mehr zu empfinden.

 

[house12]

@ alle

Zur Info: ich habe die diskutierte Zeile geändert, sie lautet jetzt "auf der Strasse nachts um Zehn (danke asli). Ich danke euch allen für euer Interesse und eure Zeit. Und jetzt wende ich mich mal meiner Lammkeule zu.....