Durchs Sternenmeer

[Teestunde]

Durchs Sternenmeer

Ich kam in regennassem Kleid.
Schnell hast du mich davon befreit,
hast mich gewärmt auf jede Art,
mit aller Glut und trotzdem zart.
Die Fahne hat mich nicht gestört,
ich war vom Musiker betört.
In guten Stunden schwebte der
nämlich im Traum durchs Sternenmeer.

Dass ich nun deine Muse war,
na klar, das schmeichelte sogar.
Bei Licht betrachtet, war ich bloß
die Putze vom Herrn Gernegroß.
Ich hab die Flaschen fortgeräumt
und hab mit dir vom Ruhm geträumt.
Ganz so, als ob sie einfach wär,
die Reise durch das Sternenmeer.

Wir liebten uns tagein, tagaus,
jedoch der große Hit blieb aus.
Bald wurde mir aufs Brot geschmiert,
ich hätte dich nicht inspiriert.
Aus Wut ließ ich die Flaschen stehn,
solltest doch du zur Tonne gehn!
Warum gelang er uns nicht mehr,
der Traum vom Flug durchs Sternenmeer?

Längst putzt ne Andere dein Heim,
ging dir genauso auf den Leim.
Womöglich regt sie dann und wann
auch dein Genie zum Schaffen an.
Falls nicht, ist sie nur Nummer acht.
So lange, bis es wieder kracht.
Dabei hoff ich für dich so sehr,
ihr fliegt zu zweit durchs Sternenmeer.

Okay, ich wünsch euch beiden Glück!
Vielleicht schreibst du dein Meisterstück
in einer warmen Juninacht,
wo dich der Vollmond schlaflos macht
und du nicht zu betrunken bist.
Wenn dann ein Star geboren ist
und keine Fessel schnürt dich mehr,
ist der Weg frei durchs Sternenmeer.

 

[rho]

Schöner Abschied aus der Co-Alkoholiker-Kiste.
Auch formal finde ich nichts zu meckern.

Mir fällt spontan der Klang der späten sanften Chet Baker Stücke ein, jenem Jazz-Trompeter, der Ende der 80er in Amsterdam besoffen aus einem Hotelfenster fiel.

 

[Locis]

Amsterdam besoffen aus einem Hotelfenster fiel

Da war was anderes als Alk im Spiel.

Zum Text: Finde ich wieder sehr schön. Bis auf - ja, vielleicht das Gravierendste: was ist das für eine Pointe? Oder wo ist die Pointe? Irgendetwas Außergewöhnliches, was aus einem guten Text einen herausragenden Text macht... Ich weiß: leichter gesagt, als getan. Mir fällt spontan nichts ein...

 

[Teestunde]

@Locis
Dass sie ihm nichts vorwirft und mit ihm gemeinsam durchs Sternenmeer fliegen will, wenn er tatsächlich sein Meisterstück fertig hat. - IMO reicht das als Pointe. Man muss es nur deutlich singen.
Aber vielleicht fällt mir noch ein anderer, stärkerer Dreh ein. Danke erst mal.

@rho

Mir fällt spontan der Klang der späten sanften Chet Baker Stücke ein, jenem Jazz-Trompeter, der Ende der 80er in Amsterdam besoffen aus einem Hotelfenster fiel.

Und ich denke mal wieder an Christian Grygas im Zaza-Kostüm.

 

[Locis]

Dass sie ihm nichts vorwirft und mit ihm gemeinsam durchs Sternenmeer fliegen will, wenn er tatsächlich sein Meisterstück fertig hat

Aber grade das kommt hier nicht rüber. Wieso sollte er sie rufen, es sei denn irgendetwas besonderes verbände sie, also z.B. sie wäre seine wirkliche Muse. Oder: sie betrachtet seinen Sternenflug aus der Ferne und freut sich trotzdem daran. Oder sie erinnert sich an die gemeinsame Zeit und sagt, das war mein Sternenmeer.

 

[Teestunde]

Wieso kann er sie nicht (an-)rufen? Die Verbindung ist ja nicht für alle Zeiten abgerissen.
Du meinst, nach dem Rauswurf reden sie nicht mehr miteinander? Dann muss ich vielleicht lieber S471 ändern und klarmachen, dass sie noch immer miteinander reden...

Ich hab S4Z1 und Z2 mal vorsichtig geändert und den Rauswurf etwas abgemildert.

 

[Locis]

S471?

Ja, irgendsowas. Daß sie noch Kontakt haben wird nicht deutlich.

 

[Locis]

Ach, S4Z1, jetzt verstehe ich. Nee, es müßte deutlich werden, daß er sie zwar rausgeworfen hat, aber er sie aus irgendeinem Grund immer noch kontaktiert, oder sie dann eben den Flug aus der ferne beobachtet, was ich auch okay fände. So ist es im Moment (trotz Änderung) immer noch unklar, warum sie meint, er solle sie Anrufen...

 

[hedelund]

Ja ich sehe das auch ein bisschen so:

Er rackert und rackert, schleppt letzlich die Kohle nach Hause, wovon sie ja schließlich auch nicht so schlecht zu leben scheint.
Sie putzt ein bisschen die Bude, und wenn er immer nur trinkt, ist ja mit zin zin auch nicht mehr so viel.

Als der arme Kerl, ein Musiker mit Idealen dann so ziemlich am Ende ist, schmeisst er sie raus, weil er endlich seine Ruhe haben will.
Ist doch aus der Sicht eines Musikers verständlich.

Bisschen mit Humor nehmen, aber da ist verdammt viel, was in die eigene Geschichte reinpassen könnte.

Schöner Text Teestunde, gefällt mir auch gut

Liebe Grüße
Hedelund

 

[Teestunde]

@Locis
Jetzt hab ich den Fehler gefunden: Das Wort "her" in der vorletzten Zeile der Schluss-Strophe irritiert. Es soll sich auf Sternenmeer reimen, aber es impliziert, dass sie sich bei ihm befindet. Mal übelegen.

@hedelund
Nun, mit Humor nimmt sie es sowieso. Sonst würde sie sich nicht wünschen, dass er sie teilhaben lässt, wenn das Meisterstück fertig ist.

 

[jet2]

netter text,
- wie aus dem leben gegriffen -
beschreibt eine typische neurotische beziehungs-symbiose...

der erfolglose künstler, der beziehungsunfähig ist und säuft
und die ebenso beziehungsunfähige protagonistin, die die erfüllung ihres glückes darin sucht, sich im sternenlicht der kunst zu sonnen und sich mit fremden federn zu schmücken...

 

[Teestunde]

@jet2

der erfolglose künstler, der beziehungsunfähig ist und säuft
und die ebenso beziehungsunfähige protagonistin, die die erfüllung ihres glückes darin sucht, sich im sternenlicht der kunst zu sonnen und sich mit fremden federn zu schmücken...

Kommt das so rüber. Ich glaube nicht, dass sie sich sonnen und mit fremden Federn schmücken will. Es ist immer ein überwältigendes Erlebnis, wenn es einem Künstler gelingt, das Tor zur Kunst aufzustoßen. In solchen Momenten verzeiht man alles. Und man sehnt sich zeitlebens nach genau diesen Augenblicken. Ja, und es sind eben die Künstler, die uns beibringen, wie man durchs Sternenmeer schwebt.
Sieh es mal so.

Ich hab mal versucht, deinen Einwand zu beachten. Siehe allerletzte Zeile.

Ach so, noch was: Es kann Spaß machen, einem Künstler den Rücken frei zu halten. So habe ich viele, viele Jahre gelebt und kam mir dabei nicht unterdrückt vor. Schlimm wird es nur, wenn so ein Künstler sich Inspiration erhofft, ohne sich selbst Mühe zu geben. Für einen Säufer, der mich nur ins Bett zerren will, würde ich keinen Finger krumm machen. Das verstehst du doch, oder?

 

[jet2]

naja, alle beide kleben an einem selbsbild, das nichts mehr gegenwärtigkeit oder realität zu tun hat.
und offensichtlich scheinen beide darunter zu leiden - das ist auch das neurotische daran.

der musiker säuft und ist untreu, weil er sich mit seinem selbstbild belügt.
sie belügt sich selbst, weil sie das spiel mitmacht und sich möglicherweise auch weniger für den menschen interessert, als für dessen illusion.

 

[Teestunde]

@jet2

der musiker säuft und ist untreu, weil er sich mit seinem selbstbild belügt.
sie belügt sich selbst, weil sie das spiel mitmacht und sich möglicherweise auch weniger für den menschen interessert, als für dessen illusion.

Mir gefällt, dass du dich offensichtlich auf den Text eingelassen hast. Klar, sie gefiel sich als seine Muse, anstatt von der Fahne gleich alarmiert zu sein. So gesehen, kann ich mit deiner Interpretation leben.

 

[Teestunde]

@Locis

Oder wo ist die Pointe? Irgendetwas Außergewöhnliches, was aus einem guten Text einen herausragenden Text macht... Ich weiß: leichter gesagt, als getan. Mir fällt spontan nichts ein...

Ich hab versucht, die Schluss-Zeile zu verstärken. Herausragend ist das zwar immer noch nicht, aber besser als die alte Variante.

 

[Locis]

Aber damit kann ich schon leben. Finde es so nun runder

 

[Teestunde]

Freut mich. Hat echt gedauert. Mein Groschen fiel centweise.