die vorgezogene eins, was ist dran?

stevo

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Hallo,
ich betreibe seit geraumer Zeit Forschung in Sachen Groove, dabei läuft einem des öfteren das Thema vor oder nach der Eins spielen über den Weg. Allerdings scheint es keinen zu geben, der tatsächlich weiß, worum es sich da dreht. Irgendwas kann jeder dazu zum Besten geben, eine klare Aussage, die mir plausibel und kompetent erschien, habe ich aber noch nie gehört.

Wenn ich auf dem Sequenzer meine Gitarrenspuren beäuge, sehe ich, dass ich immer einen Tick vor der Eins bin, was mir auch logisch erscheint, denn der Gitarrenton braucht eben eine gewisse Zeit um sich aufzubauen, und so ist er auf der Eins eben voll da. Beim [g=118]Bass[/g] isses wohl ähnlich, beim Gesang macht es Sinn, wenn der Vocal eines Wortes auf der Zählzeit liegt.

Jetzt schreibt hier der Herr Eisner in seinem Buch, dass eine [g=149]Snare[/g], die etwas hinter der Zwei gespielt wird "größer" klingt. Kickdrums, die vor der Eins spielen, oder aber "laid back" haben auch irgendeinen Effekt, hmm, hmm, hmm. Ich konnte allerdings beim Programmieren von Drums nur feststellen, dass es untight kommt. Hat einer Beispiele? In welchem zeitlichen Bereich finden diese Grooveschweinereien statt?

Grüße Stephan
 
In theoretischen Abhandlungen wird eben immer das Geschehene beschrieben und eigentlich nicht erfaßt. Gerade jetzt zur Fußball WM gibtes dreihundertfünfundneunzig Zeitlupenaufnahmen und Analysebesprechungen eines einzigen Tores oder Fehlpasses, aber was nützt es?
Nun aber wieder ernstlich bei der Sache:
Begriffe wie "vor der eins" oder laidback beschreiben/umschreiben musikalische Ereignisse, die unser Notensystem alt aussehen lassen. (das fängt ja schon bei den Triolen im Blues an, die nicht so gespielt werden, wie es notiert ist, also exakt mathematisch, dann wär's ja auch nicht mehr groovy). Soli von Gitarristen oder Bassisten werden meistens "quantisiert" notiert, weil diese feinen Nuancen entweder nicht genau ins (Noten)System passen oder es sehr unübersichtlich machen würden. Deshalb: (als Praktiker)
am besten hinhören, "mitzählen" etc.
Gutes Bsp. für vorgezogene Einsen: Earth, Wind &Fire (sorry, was aktuelleres fiel mit grad nicht ein, old school, halt)
just my 2 cents
bemoll
 
Eigentlich kann ich meinem Vorredner voll und ganz zustimmen, wollte trotzdem in aller Kürze schreiben was man darunter allgemein versteht:

1. Man spielt die 1 des folgenden Taktes ganz minimal vor dem eigentlichen ersten Taktschlag und erzeugt so ein wenig mehr Drive, etwas mehr Bewegung "nach vorn". Passiert dem Einen oder Anderen auch mal live, wenn die Aufregung nicht mitmacht, oder das Fill schneller fertig ist als es eigentlich soll... :D

2. Wird oftmals zweideutig und eigentlich nicht ganz korrekt ausgelegt und kommt z.B. bei Phrase- oder Timeshifting- Sachen vor -> z.B. alle spielen artig im typischen 4/4 Raster durch und der Gitarrist oder z.B. der Drummer fangen an ihren Rhythmus nach vorn zu verschieben...in diesem Fall auf die 4+ (also die letzte "Undzählzeit", die letzte Achtel des vorigen Taktes) -> dann spricht man gelgentlich (auch wenns nicht ganz stimmt) von einer vorgezogenen Eins.
Zweideutig weil: das Gleiche ist oft gemeint, wenn die Betonung allein schon von einem Instrument: [g=118]Bass[/g], Drums, Gitarre etc. merklich auf die 4+, also auf die letzte Achtelnote des vorigen Taktes fällt und nicht gleich Rhythmen komplex verschoben werden etc.


Viele Grüße,

P.
 
Ich konnte allerdings beim Programmieren von Drums nur feststellen, dass es untight kommt. Hat einer Beispiele? In welchem zeitlichen Bereich finden diese Grooveschweinereien statt?

hi!

also ich würde sagen, dass das durchaus gängige praxis ist; vor allem bei drums. die wirklich guten leute haben ihren eigenen groove, der einfach "fährt", weil er auf seine eigene art ungenau ist. programmieren würd ich mich sowas allerdings nicht trauen; spielen ist da schon leichter (auch wenns wahnsinnig schwer ist) :D

aber hör dir einmal ein paar alte james brown records an und achte auf den drummer. das schlagzeug alleine für sich (obwohl die grooves sehr einfach sind) macht enorm druck - und das ist alles andere, als genau.

umgekehrtes beispiel: stevie wonder - joy inside my tears
das (gesamte) schlagzeug spielt weit hinter allen anderen und verzögert auch öfter die time bei fills. das beruhigt bei dem song ungemein.

untem strich finde ich das ganze nicht programmierbar. entweder ein musiker hat das drauf, oder nicht. lernen kann man es meiner meinung nach nur durch viel hören und spielen.


EDIT:
es hängt natürlich auch vom musik-stil ab. bei vielen stilen passts einfach nicht. die gehören "genauer".
leichte ungenauigkeiten gehören halt dann dazu, dass der groove lebt. ungenauigkeiten mit system sind aber bei vielen musikrichtungen eher fehl am platz.
 
Danke für die Antworten, ich bin auch gerade wieder dabei rumzuprobieren, die Drums alleine bringens aber nicht. Ich mach mal zwei Versionen von meinem nächsten Song und schau mal wie der Unterschied im Kontext mit den anderen Instrumenten ist, wenn ich dem Drummer aus Berlin (Battery2) befehle, die Eins leicht vorzuziehen.
Wenn's als Anschauungsobjekt was taugt, werde ich's dann auch posten.

Gruß Stephan

EDIT: Gibt es eigentlich Musikstile in denen diese vorgezogene Eins (im Sinne von Definition #1 von ptr22) eher Verwendung findet als in anderen? AC/DC (fällt mir gerade so ein) spielen ja beispielsweise eher tight auf die Eins, würde ich sagen. Blood Sweat & Tears, ja ich hab's gelesen. Oh mein Gott wo habe ich die Platte nur... Beispiele wären wirklich klasse, vielleicht fällt ja jemandem noch was ein?
 
viel kann ich nicht sagen. Aber das "laid back" kommt einfach davon, dass der abstand zwischen BD und [g=149]snare[/g] leicht grösser als ein Beat ist, glaube ich. Auf jeden Fall hats damit zu tun, dass unser Hirn ein Ereignis erwartet, dass erst kurz später eintritt. Ob die BD vor der 1 oder die [g=149]snare[/g] nach der 2 kommt nicht drauf an. Hab ein soundbsp hoch geladen. Erste 4 Takte normal, nächste 4 Takte laid back.

Im Hip-Hop machen wir auch halftime fürs laid back feeling.



Edit: Ist effektiv die Kick die aus der reihe tanz, weil alles andere passt sich der [g=149]snare[/g] an.

Reedit: Versatz um 1/16tel. 90bpm
 
Die vorgezogene "Eins" stammt aus der Zeit, als Armeen noch in geschlossenen Formationen auf ihren Feind zumarschiert sind.

Die Trommler haben das Marschtempo vorgegeben und die Offiziere haben den Trommlern zugeflüstert, etwas vor der Eins zu trommeln, um dem Gegner ein dynamischeres Angriffstempo vorzugaukeln.
Dadurch geriet deren Schuss/Laden - Sequenz durcheinander.

Und wenn das nicht die Wahrheit ist, so ist es gut gelogen. ;)

Gruss Frank
 
Hm, also ganz minimal versetztes Spielen gibt Druck und und schon deutlich andere Akzentuierung schimpft sich dann Synkope oder wie?
Wobei, bei der [g=101]Synkope[/g], ja die gesamte Betonung/Schwerpunkt mit verschoben wird....hm.
Ne, synkopiert is schon deutlicher als laidback oder "mit drive spielen", hm?
zu Synkopen fallen mir immer als erstes Pharrell Williams und M.Jackson-SmoothCriminal ein *g*
...sehr interessiert!

Gruß Daniel
 
In irgendner aktuellen/vormonats- Zeitung war was darüber drinne. Wars Beat? Oder Gitarre u. [g=118]Bass[/g]? Ich werd das mal nachschlagen.
Da gings um Gitarre vor, hinter oder auf der Eins. Als beispiel für 'auf der Eins' war dort afair Rammstein angeführt, die anderen fallen mir nicht mehr ein. Aber ich kuck mal spätestens morgen nach.
 
Ne vorgezogene Eins kann vielerlei Sinn machen. Musikalisch natürlich, um wie schon erwähnt mehr "Drive" zu erreichen. Auch um einen musikalischen Wechsel anzukündigen. Ebenso Sinn in tontechnischer Sicht, um die Kick in etwa wirklich vor den Basston zu setzen.
Laid Back ist dann ja was anderes, weil laid back schon einen wesentlich größeren Zeitrahmen meint. Ein Versatz von bis zu einer 16tel ist ja vollkommen üblich. Sowas würde bei ner vorgezogenen Base keinen Sinn machen. Im Endeffekt läuft Laid back auf den Swing hinaus, der sich zeitlich ja an der [g=55]Triole[/g] orientiert und nicht an den normalen straighten Zählzeiten. Wirkt halt alles sehr gemütlich.
Halftime-Feeling hat mit all diesen Dingen aber nichts zu tun. Das nimmt nur die Geschwindigkeit aus der Musik, ändert aber nichts am grundsätzlichen zeitlichen Gefüge.
Was hier allerdings auch schon mal erwähnt wurde: Ich halte auch als Musiker nichts davon alles so enau zu zerpflücken. Gut, wenn man weiß, daß es sowas gibt, aber schlechte Musik wird mit all dem Wissen auch nicht zu guter.

Gruaß

Rold
 
Ich find die Zeitung leider nicht mehr. Die vormonats Gitarre und [g=118]Bass[/g] wars nicht, also entweder noch ein Monat früher oder doch ne andere.
Schade, denn da waren konkrete Beispiele, also Rammstein, Album Herzeleid Tack Nr. soundso ist auf der eins, und für die anderen auch bekannte Sachen als Beispiel.
 
Danke nochmal für die Antworten und fürs Nachblättern in alten Zeitschriften.

Gruß Stephan
 
naja vielleicht geb ich auch nochmal meinen senf dazu..

Programmieren? mhh ich glauibe nicht. das vor der ein, laidback, treibend oder sonswie spielen kann aus meiner sicht nicht auf ein instrument (drums oder [g=118]bass[/g]) alleine bezogen werden. Vielmehr ist es das zusammenspiel der rhythmischen elemente der musik. Es kann Spannung erzeugen, wenn der Drummer ein bisschen vor dem, klick (also nicht nur vor der eins) spielt und der basser voll drauf ist. genauso andersrum oder nach hinten verschoben.

Das ganze ist dann auch keine zählzeit oder ein 32telquant, sondern das sind minimale zeitverzögerungen.

Beim [g=118]bass[/g] spricht man z.b. von der Pocket innerhalb derer sich der basser bewegen kann ohne dass das ganze untight wirkt. je besser man das ganze verinnerlicht hat umso größer ist diese und umso weiter kann man die einzeltöne im groove voneinander entfernen. Da gehört dann auch schonmal dazu die eins vor der eins und die zwei nach der zwei zu spielen.

Aber das feeling ist wichtig und hängt von den anderen instrumenten ab.

blah blah hin, blah blah her. Programmieren denke ich kann man das nicht und wenn dann würde ich z.b. die drums gerade setzen und dann ein bisschen swing mit einem midiquantisizer draufpacken und das laidback oder vor der eins feeling mit den anderen instrumenten drum rum spielen, solange du keinen echten drummer zur verfügung hast.

D.
 

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