DAS GESCHENK DER STILLE

[artname]

Es ist ein Geschenk der Stille,
der Zauber, den ich erahn.
Erst wenn das Geschwätz der Sinne
erschaudert, dann klopft er an.

Und das Klopfen teilt sich in Wellen,
umspielt meine Zehn wie das Meer,
und die Tropfen - sie ähneln den Wesen,
die ich kenne von irgendwoher.

Als läge ich in einer Wiege
umgeben von Tönen und Licht -
und fühlte die Brise der Liebe
des Lebens in meinem Gesicht.

Und die Dinge werfen nur Schatten
und die Schatten sie fließen dahin,
wie Armeen von winzigen Wesen,
die ewig am Wandern sind

So winzig wie meine Hände
die einstmals ihr Tageswerk tun
Es gibt keinen Anfang kein Ende
und schließlich vergisst man warum.

Nur manchmal verrät mir die Stille
dass alles im All mich bewegt:
Das Licht, die Luft, mein Wille
und die Freude daran, dass ich leb.

Zwischenmusik

Es ist ein Geschenk der Stille
der Zauber den ich erahn
wenn das Geschwätz der Sinne
mich schaudern läßt, klopft er an.

Ich schrieb wie fremdgesteuert diesen Text.. und im Hintergrund lief in Schleife Thomas Newmans einmalige Titelmusik von "american beauty".

 

[helge1973]

Ich schrieb wie fremdgesteuert diesen Text

Und so fühlt es sich auch an: ECHT … HYPNOTISCH … (MICH) IN SEINEN BANN ZIEHEND!

Hätte ich auch so erahnt, dass es sich "wie von alleine" geschrieben hat.

im Hintergrund lief in Schleife Thomas Newmans einmalige Titelmusik von "american beauty".

Großartige Wahl - in jeglicher Hinsicht.
Davon KANN man sich auch nur inspirieren lassen (ich denke, Du meinst die "Plastic Bag Theme"), wie auch insgesamt von dem großartigen Film

Zu Deinem Text mag ich gar nicht allzu viel schreiben, vielleicht aus "Respekt vor der STILLE" außer, dass ich die Themenwahl erfrischend finde: hier geht es nicht um Tod oder Leben oder um das große und kleine Drama: hier geht es einfach nur um das Sein - und um die Kraft der Stille, des in-sich-Kehrens.


Tipp: "Any other Name" - ebenfalls Newman, ebenfalls der selbe Film.
Aber ich bin mir sicher, das kennste schon.

Good Work

 

[rho]

Der Text geht direkt durch Mark und Bein, ohne Winkelzüge und Widerhaken.

Edit: Er mutet gemessen an deinen zuletzt hier geteilten Texten auch geradezu klassisch an.

 

[speedtom]

Ist fast schon mantraartig...erinnert mich etwas an Thomas D "Krieger", so von der Atmosphäre her...

 

[artname]

@helge1973 , danke für die deutliche Zustimmung. Neben der genialen Komposition inspirierte mich auch der zugehörige Monolog. Und die Forderung eines Produzenten, einige nicht vorhersehbare Zeilen zu dichten. Ich meine, das ist mir gelungen.

@ rho , danke für die Zustimmung. Ja, manchmal spricht meine Seele quasi klassisch. Als ob ein sehr altes Gen aus mir spräche. Für mich jedesmal ein überraschendes Highlight meines Schreibens.

( Vielleicht ist es aber auch gar nicht so überraschend: ich habe hier sehr bewußt phonetisch gearbeitet. Nicht nur bei den Endreimen. Auch zwischendurch (Zauber/Schauder, Klopfen / Tropfen, es/erst usw. ). Diesen Weg werde ich langsam ausbauen, da ich für mich weiß. dass ein ambitionierter Dichter Sprache wie ein Instrument lernen kann, nein muß! )

@ Speedtom , dein Vergleich mit dem "Krieger" ehrt mich ein wenig.

 

[Dodo_I]

Wow, das ist toll!

Danke dafür!

 

[Locis]

Ich bin mal wieder zeitarm, wollte aber doch ein-zwei Gedanken loswerden...

Erstmal, toller Text.
Dann: Bei Dir ist der Zauber das Geschenk der Stille. Besser wärs für mich, wenn man das Geschenk im Unklaren ließe:

Es ist ein Geschenk der Stille,
der Zauber, den ich erahn.
Erst wenn das Geschwätz der Sinne
erschaudert, dann klopft er an.

Es ist ein Geschenk der Stille,
ein Zauber, den ich erahn.
Erst wenn das Geschwätz der Sinne
verstummt, dann klopft er an.

So wäre es INHALTLICH schlüssiger für MICH. (Ich weiß, daß Du den au-Klang gesucht hast. Vielleicht gibt es ein Wort auf Au, das in die Richtung Verstummen geht...)

Der Rest past für mich dann viel besser zusammen

LG

 

[artname]

@Locis , deine Änderungsvorschläge zeigen mir, dass du mein Anliegen auf den Punkt genau fühlst. Danke dafür!

Du fühlst dich wohl dabei, in der Stille einen Zauber zu fühlen. Ich leiste mir die Freiheit, die Stille als die Zauberin zu bezeichnen.

Auch verstummt ist natürlich goldrichtig. Aber auch folgerichtig. Das stört mich ein wenig. Ganz individuell. Manchmal lausch ich in einem größeren Kreis den Gesprächen und frag mich: Was soll das?! Wenn ich gut drauf bin, schalte ich innerlich den Ton ab... und wohliger Schauer erfaßt mich - Nun sehe sehe, dass alle die gleiche Rolle spielen, die ich auch spiele. Und so verbindet mich die Taubheit der Stille tiefer mit den Anderen.....

Früher hätte ich mich gefragt, wer dererlei Quergedanken verstehen soll. Heute sag ich mir: ist doch nur ein Adjektiv- davon geht der Song nicht unter.

 

[SoulFrontier]

Sehr poetisch!

 

[Locis]

Hallo artname, den Zauber kann ich akzeptieren, das andere stört mich aber doch:
Laut Wikipedia

Schauder steht für:

• eine Empfindung von Angst oder Abscheu

Ich weiß nicht, ob ich den Zauber wünsche, wenn die Sinne erschaudern...
Und Du schreibst in Deiner Antwort

und wohliger Schauer erfaßt mich

Das würde ich auch im Text schreiben:

Erst wenn das Geschwätz der Sinne
erschauert, dann klopft er an.

 

[artname]

Lieber @Locis , ich meine, wenn mich lt. Duden die Stille wohlig erschauern lassen kann, dann sollte nur erschauern nicht prinzipiell falsch sein. Es ist eben mehrdeutig.

Aber ich will auch nicht falsch verstanden werden. Deshalb hab ich mich noch mals am Schluß versucht. Für dich besser?

 

[Teestunde]

mich schaudert läßt,

Hoppla, hier ist aus zwei Möglichkeiten eine mit in die Überarbeitung gerutscht.

 

[artname]

@ Teestunde, vielen Dank.

 

[jet2]

der text gefällt mir sehr gut.
auf mich wirkt er ein wenig wie ein spätromantisches gedicht.
musikalisch könnte ich mir daher wahrscheinlich am ehsten etwas klassisches dazu vorstellen.

 

[Locis]

Hm. Jetzt weiß ich nicht, ob das nur ein Druckfehler ist, oder Du bewußt das Wort Schaudern dem Schauern bevorzugst. Wie gesagt, sollte das der Fall sein, dann kann ich folgende Worte in diesem Kontext kaum verorten

Als läge ich in einer Wiege
umgeben von Tönen und Licht -
und fühlte die Brise der Liebe
des Lebens in meinem Gesicht.

 

[artname]

Danke @jet2 , auch für deine Zustimmung. Ich hab ja geschrieben, dass mich 8 Takte Kaviermusik von Thomas Newman inspirierteren. Gute scores erweitern immer meinen Geist!

Danke lieber @Locis : Gründliche Gegenleser sind selten. Drum lass uns die strittige Stelle genauer betrachten:

Es ist ein Geschenk der Stille
der Zauber den ich erahn
wenn das Geschwätz der Sinne
mich schaudern läßt, klopft er an.

Das Geschwätz der Sinne meint die Emotionen. Wenn das Wirrwarr im Kopf zu groß wird, dann fühl ich einen Schauder. schalte ich meine Gedanken ab, so gut es geht, schalte um auf kühle Betrachtung... und damit stellt sich innerliche Stille ein. Aus dem Schauder wird wohliger Schauer.

Klingt für den, der anders reagiert, sicher kompliziert. Wer aber dieses kontemplative Versinken gelegentlich praktiziert, wird es hoffentlich in meinen Zeilen wiedererkennen.

 

[Locis]

Lieber artname, danke daß Du mich durch das Labyrinth geführt hast. Allmählich lichtet sich der Nebel. Ich sehe das jetzt so: Die Stille ist nicht die Schenkerin, sondern das Geschenk. Das Geschenk, das Du empfängst wenn das Chaos um Dich herum derartig groß ist, daß die Sinne erschaudern.

Ich mag den anderen Gedankengang zwar immer noch (vielleicht weil er für mich einfacher ist), aber wenn ich DIESEN Gedankengang in der Vordergrund stellen wollte, würde ICH so formulieren:

Es ist ein Geschenk, die Stille,
der Zauber, den ich erahn.
Erst wenn das Geschwätz der Sinne
erschaudert, dann klopft sie an...

Aber nachdem ich einsehen mußte, daß Deine Version doch einen Sinn ergibt, ist es vielleicht besser, meine Verbessrungsvorschläge einzustellen

 

[artname]

Lieber @Locis , deine Gedanken bewegen sich in den Zeilen, als wären es meine eigenen. Das Ergebnis könnte auch so dastehen, ohne dass ich Bedenken hätte. Bei dir kommt eine Hommage an die Stille heraus. Ich hebe einen speziellen Zauber selbstverursachter Stille hervor. Beides liegt so nah beieinander, dass es ich die richtige Wahl gern dem Leser überlasse.

Danke für deine sensiblen und sprachlich sicheren Vorschläge.

lg