Workflow Homerecording - wie macht ihrs?

[guitardude]

Hallo

Schon mehrere Jahre beschäftige ich mich mit Homerecording, jedoch hab ich das hauptsächlich nur für mich gemacht (Singer Songwriter-Zeugs mit programierten Drums, ansonsten Gitarre/Bass/Keys/Vocals von mir).

Jedoch nerve ich mich ab mir selber, da ich keinen Gescheiten Workflow hinbekomme, irgendwie ist meine Recordingtätigkeit eine Mischung aus Aufnahme, Mix, Mastering etc). Typisches Beispiel: Ich nehme eine Songidee auf (z.B. Strophe, Refrain Bridge), hämmere alle Instrumente rein (so gut es geht, also nicht schnell schnell, fange dann aber schon damit an, irgendwelche Plugins zu aktivieren (Compressor auf Aku-Gitarre, Hallanteile zumischen, EQing von Vocals etc pp.), obwohl der Song ansich noch nicht wirklich fertig recorded ist oder das Arrangement nicht steht.
Das führt dazu, das ich gefühlt eine Milliarde Songs angefangen habe, aber nichts wird richtig fertig, weil ich einfach viel zu unstruktuiert arbeit.

Ich bin ein Learning by Doing-Opfer, also hab ich nie den "richtigen" weg Erlernt, meine ersten Recordingschritte machte ich noch weit vor Youtube.

Also, was ist euer Workflow?

Standard-Vorlage in der DAW, fertige Songs Recorden, Mischen, Mastern, Fertig? oder gibt es da Mittelwege?

Gruss
Roli

 

[Schlumpfpeter]

Ich stand vor aehnlichen Problemen und bin deshalb zu folgendem Schluss gekommen:

Ich finde die einzig gueltige Aussage, um dein Problem zu beheben, ist es eine Selbstverpflichtung einzugehen. Die besteht darin einen Song fertig zu machen, wenn man ihn angefangen hat. Wenn die Luft dermassen raus ist das nichts mehr kommt, dann loeschen. Das bringt Struktur rein und befluegelt ungemein. Das kann auch im Song selber angewandt werden. Wenn einem ein Element nicht mehr begeistert, dann weg damit und das rigoros. Bringt nichts an halb Gutem zu kleben und damit dem Grossartigen den Weg zu versperren.

 

[olligurtschmann]

Ich habe auch schon andere Bands aufgenommen. Wenn man fremde Musik aufnimmt, ergibt sich zwangsläufig ein Workflow, den ich auch auf die eigene Musik anwenden würde.

Wichtig ist die strikte Trennung der Phasen:

1. Komponieren/Arrangieren
2. Aufnehmen
3. Bearbeiten
4. Mischen
5. Mastern

Ich finde es problematisch, wenn man Instrumente blind aufnimmt, ohne zu wissen, wohin die Reise mit dem Song eigentlich geht. Denn man trifft doch anhand des Arrangements des Songs auch Entscheidungen für die Aufnahme. Ist ein reiner "Klavier/Vocals" Song? Dann möchte ich möglichst voluminösen Klaviersound und nehme dafür mehrere Mikrofone. Ist das Klavier nur eines von vielen Instrumenten im Mix? Dann kann es hilfreich sein, das Klavier etwas weniger "voll" einzufangen, um den Mix nicht zu überfrachten, eventuell reicht dann schon ein strategisch platziertes Mikro.

Wenn du beim Arrangieren und Komponieren nicht anders kannst als auch schon aufzunehmen, um zum Beispiel weitere Parts auf vorhandene Rhythmen und Melodien auszuprobieren, dann sieh das als reine Demo-Aufnahme an. Wenn du fertig komponiert hast, wirf die Aufnahmen weg und mach sie komplett neu.

Mir hilft es immer, einen "Songplan" in Excel zu machen. Dabei schreibe ich mir die einzelnen Songteile in den Spalten auf, und die aufzunehmenden Instrumente in die Zeilen. Dann markiere ich die jeweiligen Felder, in denen ein Instrument im Songabschnitt spielen soll, mit Farbe.
So ergibt sich ein gut erkennbares Bild des Songs. Dabei unterscheide ich nicht nur in "Gitarre", "Bass", usw., sondern wirklich auch die einzelnen Spuren wie zusätzliche Parts auf der Gitarre im Refrain für die Stereobreite, das Einfügen oder Stummschalten von weiteren Mikrofonen (z. B. bei Mid-Side-Aufnahme) oder eventuell mehrere Background-Vocals.

 

[Burkie]

Hallo,

ich finde deinen "Bastel"-Workflow an sich gar nicht so schlecht, wenn es ums Homerecording geht.
Das dauert zwar, aber zuhause bezahlt man ja keine Studiozeit.

Ich mache das zur Zeit auch so ähnlich:
Songidee erstmal live mit Gitarre und Gesang ratz-fatz aufgenommen.

Dann ein genaues Tempo festlegen, Click oder programmierte rudimentäre Drums programmieren, und die Rhythmusgitarre dazu aufnehmen.
(Die ursprüngliche Aufnahme ist zwar im gleichen Projekt, wird aber bei der "echten" Aufnahme nicht abgehört. Ist ja auch nicht zum Metronom eingespielt...)
Häufig will ich da auch zuviel, und nehme in Stereo oder mit noch mehr Mikros auf...

Dann kommt vieleicht eine 2. Gitarre dazu, dann der Leadgesang.
Dann wird auch schon mal das Mixen probiert (irgendwie muss man das Playback, die aufgenommen Spuren schon mal mischen, damit man im Kopfhörer was auf den Ohren hat, zum einspielen weiterer Parts).

Dann kommen weitere Parts oder Instrumente hinzu. Die Mididrums werden durch echte ersetzt, usw.

Beim Mischen muss man sich dann mal entscheiden, ob wirklich alles aufgenommene immer während des gesamten Songs auch spielen muss. Also auch mal Sachen für eine Strophe stumm schalten, wenn sie nicht gut mit anderen Parts funktionieren.

Bei einer Strophe z.B. habe ich mal alles bis auf Bass und Drums stumm gemacht; als der Gesang einsetzte auch den Bass. Erst zum Pre-Chorus dann kamen Bass und Gitarren wieder dazu.

Die Sachen "fertig" zu bekommen, ist dann so eine Sache...
Gefühlt könnte man ja immer noch hier und dort was schrauben, hinzufügen, oder neu mischen.

Da muss man sich vieleicht mal selber eine Art Deadline setzen: Der Song ist fertig, wenn man keine Lust, keinen Drive mehr hat, weitere Parts draufzuspielen.

Dann wird strikt nur gemischt, geschnitten (um z.B. zu lange Instrumental-Breaks zu kürzen, oder überflüssige Strophen rauszuwerfen, ...). Und beim Mischen immer gut hören, ob wirklich alle aufgenommenen Spuren auch immer alle gleichzeitig spielen müssen.
Eine akustische Gitarre unter vielen muss nicht in Stereo oder mit 3 Spuren gemischt werden. Sondern von den 3 aufgenommenen Mikros das beste auswählen. Oder alle drei zu einer Spur in Mono kombinieren, und dann im Mix plazieren.

Die Mix-Phase kann dann auch wieder kreativ Spaß machen, wenn man Lust hat, irgendwelche Effekte einzubauen: Rückwärts-Hall, Hall-Bomben, Stummschalten einzelner Spuren zum ausdünnen oder Spannung aufbauen, etc.
Beim Mixen dann aber auch mal das Ende im Auge behalten, und das Ding abschliessen. Den Mix ausspielen, exportieren, und das Projekt archivieren.

Das war dann vieleicht nicht der beste Song der Welt, aber in überschaubarer Zeit ein fertiger Song. Und dann kommt der nächste.

Dieser Bastel-Workflow hat ja (in anderer Form) einige der eindrucksvollsten Songs hervorgebracht: Beatles - A Day in the Live. Dazu wurden zwei Songfragmente zu einem kombiniert, und mit allerlei Leertakten zwischen den Fragmenten aufgenommen, ohne dass man schon wusste, was während der Leertakte noch passieren sollte... wie der Übergang aussehen sollte... Das wurde dann später mit dem berühmten Glissando-Orchester gefüllt.

Gruß

 

[oschfreak]

1. Komponieren/Arrangieren
2. Aufnehmen
3. Bearbeiten
4. Mischen
5. Mastern
.

So ziemlich genau das habe ich mir seit etwa eineinhalb Jahren versucht zum Mantra zu machen. Das ist ein absolut selbstdisziplinierender und strukturierender Ansatz, bei dem man nicht so schnell aus der Rolle und dem produktiven Flow fällt. Dadrüber steht allerdings immer der absolute Leitsatz: Typ, fertig machen!

Bei mir sähe es also etwa so aus:

1. Typ, fertig machen!
2. kreative Haupt-Phase: Themenfindung, Experimente, Loops, Aufnehmen
2b. ist Punkt 1 realistisch? Dann weiter
3. Bearbeiten, Roghmix, Arrangieren, Overdubs
3b. ist Punkt 1 immernoch realistisch? Dann weiter
4. Mischen
5. nochmal Punkt 1 checken!

6. Mastern (unbedingt extern! Damit sich die unschönen Eigenarten des persönliche Homerecording-Setups hier nicht auch noch zusätzlich verstärken)

 

[der_wahre_Noplan]

Ich gehe wie folgt vor:

1. Songidee grob erstellen (Intro, Strophe, Refrain)
2. Schmutzspuren aufnehmen + eventuelle Geistesblitze hinzufügen (Bridge, Soloparts, Melodische Erkennungsmerkmale)
3. Schmutzspuren Bandkollegen mitgeben. (mit und ohne ihrem eingespielten Instrument), damit sie zu Hause dran rumtüffteln können.
4. Neue Ideen in die Schmutzaufnahme integrieren.
5. Schmutzspuren nach und nach rausschmeissen, indem sie durch bestmögliche Aufnahmen ersetzt werden
6. Grob mischen
7. Gimmicks/Effekte/Synthies/kreative Besonderheiten drüberklatschen
8. Mischen
9. Drüber Schlafen
10. Mischen
11. Drüber Schlafen
12. Song verwerfen.

 

[olligurtschmann]

12. Song verwerfen.

HAHA, ich hoffe ihr hattet dann wenigstens bei 1 bis 11 euren Spaß.

 

[echoRausch]

Das führt dazu, das ich gefühlt eine Milliarde Songs angefangen habe, aber nichts wird richtig fertig, weil ich einfach viel zu unstruktuiert arbeit.

Und?

Was wäre der Unterschied, wenn eine gefühlte Milliarde fertiger Songs auf deiner Platte vergammelt?



Deswegen wäre Punkt 1 des "Workflows": Definiere dein Ziel!

Das könnten Konzerte oder VÖ's sein, oder beides oder was auch immer.

Dann käme als 2. ein Zeitplan und damit fällt dann der Rest schon irgendwo ineinander, weil du ja irgendwann fertig werden mußt.

Dann folgt nur noch 3.: die Erkenntnis, dass man eigentlich nie fertig ist, man jetzt aber Schluss machen muss.

 

[Schlumpfpeter]

Ich gehe wie folgt vor:

1. Songidee grob erstellen (Intro, Strophe, Refrain)
....
12. Song verwerfen.

Hahahhahah! Das kenn ich! Nur alles bei mir im Alleingang.

Das oben angesprochene strickte Trennen von Song erstellen\Mischen\Mastern haut bei mir null hin. Ich mach elektronischen Kram und da geht Mischen und Sounddesign pluss Arrangement einfach so dermassen in einander ueber, das es nicht in einzelne Schritte getrennt werden kann. Ich geh sogar soweit das Mastering auch gleich mit zu machen indem ich in nen Limiter Mische. Im Nachhinein wird dann ggf. nurnoch etwas haerter limitiert und ggf. n Comp oder aehnliches davor geschaltet. Bei dieser Vorgehensweise bruache ich fast nie einen EQ auf dem master, da ich, wenn noetig, alles direkt im Arrangement auf der jeweiligen Spur aendern kann. Evtl. was zum sweetening, das wars dann aber auch.

 

[der_wahre_Noplan]

Hahahhahah! Das kenn ich! Nur alles bei mir im Alleingang.

Das oben angesprochene strickte Trennen von Song erstellen\Mischen\Mastern haut bei mir null hin. Ich mach elektronischen Kram und da geht Mischen und Sounddesign pluss Arrangement einfach so dermassen in einander ueber, das es nicht in einzelne Schritte getrennt werden kann. Ich geh sogar soweit das Mastering auch gleich mit zu machen indem ich in nen Limiter Mische. Im Nachhinein wird dann ggf. nurnoch etwas haerter limitiert und ggf. n Comp oder aehnliches davor geschaltet. Bei dieser Vorgehensweise bruache ich fast nie einen EQ auf dem master, da ich, wenn noetig, alles direkt im Arrangement auf der jeweiligen Spur aendern kann. Evtl. was zum sweetening, das wars dann aber auch.

Ich mache auch elektronischen Kram. Und da verhält es sich einbischen anders.

Da tüftel ich so lange an einem Loop, bis er sound/mixttechnisch für mich vollendet ist. Die Basis muss dann einfach stimmen und grooven.

Der Rest ist dann nur noch schmücken und arrangieren. Wenn der Loop nämlich gut klingt, dann hab ich auch Bock dran weiter zu schrauben.

Sonst ----> Mülltonne.