Wie machst du live elektronische Musik?

[genesysx]

Hey!

Angefixt von dem Thread hier:
https://recording.de/Community/Forum/Hardware_und_Software/DJing/193150/thread.html

Kam mir die Idee einen Thread auf zumachen um verschiedene Möglichkeiten von Livesetups mit bezug auf elektronischer Musik vorzustellen. Hierbei geht es mir wirklich um das Musizieren (live komponieren und auch improvisieren) und nicht um das DJing.

Bin selber eigentlich ausschließlich Studiomusiker, liebäugle aber immer wieder mal damit irgendein Set (Album) live aufzunehmen. EInfach die Record-Taste drücken und an den Knöpfen rumfummeln.

Diese Art der Gestaltung hat sich meiner Meinung nach in den letzten 5-10 Jahren sehr stark weiterentwickelt. Ich denke, dass zum einen Software wie Ableton Live dazu beigetragen hat, später aber auch die ganzen Midi Controller mit Pads zum Abfeuern von Sequenzen.

Wer von euch arbeitet denn auch live mit solchen Tools? Mich würde interessieren welche Software ihr nutzt und wie zB eure Trackvorbereitung aussieht.

 

[Gel Mitglieder 67478]

Ich spiele seit kurzem viel Live, allerdings fast komplett mit Hardware. Dir geht es aber rein ums Software Setups, oder?

 

[sacer11]

Hi ich arbeite mit Ableton und habe 2 BCR 2000 von Behringer dazu noch 2 APC40, ableton Push, Maschine und 2 Ipads mit Touchable und eine Kore.
Ich fange erst an meine Midi spuren für Bass, Pad und Lead auf einem Keyboard oder Push einzuspielen. Danach baue ich mir Beats.
Jeder Softsynth wird (teilw mit nem Effektplugin) mit den 8 Macros im Instrument Rack gemapt, manchmal werden aber auch pro synth einfach nur die Parameter ausgewählt.
Die drums sind meist mit Effekt Plugins wie turnado gemapt. Als send effekte nutze ich meistens die Kore von NI. Der 2. u. 3 Send effekt hat eine effektkette an plugins die meist über dry / wet gemappt sind.
Anschließend werden die Effekte und einige Synth parameter auf die 64 Drehköpfe der BCR's verteilt und mit den 2 APC greife ich auf 16 Spuren zu, also Pattern Select, Volume, Send, bediene die 8 Macros pro selektierte spur.
Sollte mir das Setup nicht ausreichen schalte ich Ipads noch dazu, bspw für Send oder Effekt X/Y Pads. Das Ipad eigent sich auch gut zum Live einspielen durch geteilten Screen für Keyboard und X/Y Pads.
Wenn alles gemapt ist benötige ich erst einige Versuche um mir die Controler Belegungen zu merken und rumzujamen. Danach zeichne ich alles Live auf.
Nachteil ist das so ein Track in der Regel 30 bis 60 Minuten geht und ich hinterher erst die langweiligen Parts rausnehme und Nachbearbeite.
Die Maschine eignet sich weniger zum Live einspielen da sie nicht mit Midi aufgezeichnet werden kann. Hierbei muss ich mir alle Beats in Pattern erstellen, um anschließend über Midi meine Scenes auszuwählen.
Besonders gerne nutze ich Kore auch für Synths da man das Synth verbiegen über die Morphfunktion schon ein wenig vorprogramieren kann und immer wieder 8 Grundeinstellungen zurückkehren kann wie beim Alchemy.
AM meisten Zeit kostet mich daher die Vorbereitung, eine Melody oder Bassspur zu finden, am Softsynth rumzuschrauben und passende Effekte zu finden, manchmal verliert man sich in Details wi einem Beat Pattern und hat dann beim 2. oder 3. Live durchgang die guten idden aus dem 1. Durchgang wieder vergessen. Daher versuche ich seit neuestem im Midi Clip bei Ableton schon irgenwelche FIlter / LFO / Modulationsfahrten vorab aufzuzeichnen oder nehme gute Idden aus vorherigen Aufnahmen raus.
Wenn ich so ein Set nach ca. einem Jahr wieder öffne, habe ich die meisten Parameterblegungen wieder vergessen und es entstehen dadurch meist wieder ganz neue Idden.

 

[cherry50]

Entschuldige die Frage, und was tust Du dann mit den ganzen aufwendig recordeten Tracks ?

LG Cherry50

 

[schnuffke]

Ich hatte mal einen ähnlichen Thread gestartet.

https://recording.de/Community/Forum/Homerecording/Musik_produzieren/191240/thread.html

Hier nochmal die Fragestellungen:

- Wird frei improvisiert, also immer bei Null angefangen?
- Werden mehrere Spuren eines fertigen Tracks an- und ausgeschaltet?
- Gibt es vorbereitete MidiLoops? Werden diese auch für mehrere Tracks verwendet?
- Fertige AudiLoops?
- Wie frei seid ihr beim jammen? Kann ein Track auch ganz unerwartete Formen annehmen?
- Benutzt ihr einen ( Software- )AudioLoopRecorder? Mit was füttert ihr diesen? (Mic, Instrumente, Softsynths?)
- Macht ihr allein Musik, seid also für alle Sounds, den gesamten Track zuständig? Wie behaltet ihr hier den Überblick?
- Macht ihr mit anderen zusammen Musik? Mit anderen Computermusikern oder Instrumentalisten?
( Ihr kümmert euch also nur um ein oder zwei Elemente, der Rest kommt von anderen.)

- Arbeitet ihr hauptsächlich mit Maus und Tastatur oder mit MidiControllern?

Abschließend noch:

- In welcher Musikrichtung seid ihr live unterwegs?

- Klappt das gut was ihr macht, oder gibt es Probleme?

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Ich habe früher auch live experimentiert. Gut war das wohl nicht - interressante Momente waren aber durchaus dabei. Dabei habe ich immer von Null angefangen und nicht auf fertige Bausteine zurückgegriffen. Maus und Tastaur waren meine Controller. Das Problem war, dass ich mich immer nur auf ein Element gleichzeitig konzentrieren konnte - so lief dann manchmal eine Basslinie oder so mal 10min durch, bevor ich dann wieder an dieser geschraubt habe. Dann lief aber wieder der Synthie einfach durch usw. Insgesamt gab es viiiiel zu viele Durststrecken, als das ich mich das vor Publikum ( ein Kumpel, der danebensitzt mal ausgeklammert ) getraut hätte.



Wahrscheinlich läuft es auf die Methode von sacer11 hinaus - also saumäßig viel Arbeit, welche man vorher schon hineinsteckt. Mist.

 

[sacer11]

Also paar Lieder werden nur leicht beschnitten und bleiben so halb fertig, andere werden weiter bearbeitet und fertige sequenzen werden arrangiert und nachbearbeit, jedoch habe ich für Musik nicht immer all zu viel Zeit, daher begnüge ich mich oft mit Live Versionen ohne Nachbearbeitung. Schiebe die Nachbearbeitung bei 70% der Lieder auf, da ich meine Zeit lieber damit nutze was neues zu erschaffen, das heißt ich bastle Tage an einem Track und lasse ihn dann in 3 bis 4 Versionen halb fertig. Für Arrangieren, Mixen und Mastern bleibt meistens keine Zeit.
Meistens gefallen mir sogar gewisse Fehler da man sich nach mehrfachem Hören an den kompletten Track gewöhnt.
Teilweise spiele ich auch komplette Spuren über den gesamten Track mit Drums, oder Synths ein.

https://soundcloud.com/thomas-klemp/xils
https://soundcloud.com/thomasklemp/kaguita
https://soundcloud.com/thomas-klemp/mirasl
https://soundcloud.com/thomasklemp/alotforahour
https://soundcloud.com/thomas-klemp/komm

Ich denke mir fehlt der professionelle Feinschliff, daher will ich mich zukünftig mehr auf das arrangieren konzentrieren. Mir geht es dabei ähnlich wie schnuffke, das bspw. ne Basspur oder ein drum Minutenlang unverändert mitläuft, oder ich einen richtig guten treibenden Sound nicht reproduzieren kann, es sei denn ich würde alle meine Versionen eines Stückes zusammenschneiden können, was aber über Midispuren zu Aufwendig und Prozessorlastig ist.

 

[schnuffke]

@sacer11: Coole Mucke mit großem Potential. Sehr angenehmer Style.

 

[genesysx]

@equivocal: Klingt interessant, was machst du denn genau und wie? Hast du dann zB nen Electribe für Beats und verschiedene andere Synths die mit Midi gespeist werden?

@sacer11: Danke für den Einblick in deine Arbeitsweise.
@Schnuffke: Danke auch für den Link zum anderen Thread


Im Prinzip müsste man doch nur einen fertigen Track in Szenen unterteilen und in den Szenen dann Controller-mappings durchführen. Also klar, es kommt drauf an was man alles steuern will. Angenommen der Beat bleibt eigentlich gleich und man hat so A/B Parts, A1, A2, A3, A4 usw und in jedem kommt noch ein Instrument oder irgendwas anderes (Percussionelemente) dazu. Man weiß dann in A3 hab ich auf bestimmten Reglern den Cutoff von einem Synth den ich langsam reindrehe, A4 ist eigentlich schon ne art Break wo es in den Main-Part übergeht, da brauch ich vielleicht einen highpassfilter auf der Summe .. etc etc.

 

[sacer11]

Kommt immer drauf an, bei Ableton ist eine Zeile eine Scene, jedoch ist es dadurch leicht möglich nicht an einer Scene festzuhalten, sondern beispielsweise andere drumcilps zu varieren, oder den Lead synth Taktsynchron zu wechseln. Man kann die Clipabfolge auch programmieren. Und über die Volume Regler kann mann innerhalb einer Scene verschiedene Synths oder drums rein- und rausnehmen. Auch über den Crossfade können 2 Parts in einer Scene wechseln.
Im Prinzip kann man wie ein DJ vorgehen, nur das man für ein Live Set entsprechend viele Midi Scenes einrichtet und bspw. für die Prozessorauslastung verschieden Synths bspw. über Volume automatisch ein und auschaltet. Die entsprechenden Syntheinstellungen können pro Scene in Clips automatisiert werden und dann Live verändert werden.
M4L Kapture hat dabei gute Ansätze verschiedene Liveseteinstellungen mit Syntheinstellungen als Presets zu speichern und während einer Performance zu wechseln.
Grundsätzlich kann auch alles was Live über Hardware gespielt wird über Midi Controller realisiert werden, oder bspw. als 1:1 Abbildung über Ipad oder FL Studio 12 über Touchscreen mit Netbook

 

[schnuffke]

Mir ist noch was eingefallen:

- Um die Problematik der Eintönigkeit von Elementen, an denen man gerade nicht schraubt zu minimieren, könnte eine Maßnahme die Verwendung von Polyrhythmik/ -metrik sein.

Wenn z.B. eine tonale Linie acht Takte lang ist und eine andere sieben, dann hat man 56 Takte Zeit, bis zur ersten Wiederholung. Beide Linien könnten den selben Synth ansteuern oder verschiedene.

Beats werden so sowieso spannender und man braucht sich nicht mehr so viel um Breaks kümmern, da das Ohr des Hörers sich nicht so schnell anpasst.

- Man kann einen größeren/übergeordneten musikalischen Zusammenhang schaffen, indem man Elemente setzt, welche nur alle 64 Takte oder so kommen.

 

[schnuffke]

Als Inspiration mal ein Screenshot eines Max/MSP Patches, welches von autechre gebaut wurde. In FL geht sowas glaube ich auch - sich komplett eigene "Steuerungsoberflächen" bauen, von denen aus man alle wesentlichen Parameter bedienen kann. So hat man alles an einer Stelle und verliert keine Zeit und nicht den Überblick.

 

[Psychotronic1]

Ne Fragerunde. Da mach ich doch mal mit.

- Wird frei improvisiert, also immer bei Null angefangen?

Nein, das mache ich nur bei Jams mit mehreren Leuten, da man hier auch mal die Zeit hat sich ne Runde kurz auszuklingen und ein neues Element zu programmieren.

- Werden mehrere Spuren eines fertigen Tracks an- und ausgeschaltet?

Ich arbeite mit dem Octatrack. Der hat 8 Spuren, die belegt man vor und dann manipuliert man sie live. Die Manipulationsmöglichkeiten sind sehr weitreichend.

- Gibt es vorbereitete MidiLoops? Werden diese auch für mehrere Tracks verwendet?

Könnte ich machen, dann würden die Tracks aber einen zu krassen Loopcharakter bekommen, daher spiele ich mit der rechten Hand die Klaviatur eines microKorgs.

- Fertige AudiLoops?

Ja, die sind fertig, werden aber so hart verbogen das man den Ursprung kaum noch erahnen kann.

- Wie frei seid ihr beim jammen? Kann ein Track auch ganz unerwartete Formen annehmen?

Das passiert automatisch. Ich muss im Gegenteil, sehr viel üben um die Tracks Wiedererkennbar zu halten. Das Problem ist das man so viele Möglichkeiten hat, das man sich für das Spielen eines Tracks eher auf die gewünschten Möglichkeiten in der gewünschten Reihenfolge innerlich einigen muss und dann sagt: "Das ist der Track."

- Benutzt ihr einen ( Software- )AudioLoopRecorder? Mit was füttert ihr diesen? (Mic, Instrumente, Softsynths?)

Der Octa hat sowas eingebaut, benutze ich allerdings aktuell nicht.

- Macht ihr allein Musik, seid also für alle Sounds, den gesamten Track zuständig? Wie behaltet ihr hier den Überblick?

Ja, außer wir jammen in der Gruppe. Das ist dann aber völlig frei und ohne jede Form von Vorbestimmmung. Für den Liveact übe ich halt viel, ich versuche jede Woche mindestens 2-3 Abende damit zu verbringen. Geht nicht immer, aber sehr oft. Nur dann gehen die Tracks in Fleisch und Blut über.

- Macht ihr mit anderen zusammen Musik? Mit anderen Computermusikern oder Instrumentalisten?
( Ihr kümmert euch also nur um ein oder zwei Elemente, der Rest kommt von anderen.)

Selten, aber immer sehr sehr gerne.

- Arbeitet ihr hauptsächlich mit Maus und Tastatur oder mit MidiControllern?

Nur Hardware. Der Octa ist eine Offenbarung wenn man sich drauf einlässt. Ich hatte vorher eigene Setups mit Reaktor gebaut. Nur leider bin ich konsequent an der Haptik meiner Midicontroller gescheitert. Das meiste davon ist richtig schlecht.

- In welcher Musikrichtung seid ihr live unterwegs?

ABEZ - Abstraktböses elektronisches Zeug.

- Klappt das gut was ihr macht, oder gibt es Probleme?

Es wird langsam besser.

 

[schnuffke]

- Macht ihr allein Musik, seid also für alle Sounds, den gesamten Track zuständig? Wie behaltet ihr hier den Überblick?

Ja, außer wir jammen in der Gruppe.

Hahaha... ...geile Antwort.

Ne, im Ernst: Danke für deinen Post.

Ob ich für mich bereit bin, komplett auf ( eine ) Hardware zu setzen, weiß ich noch nicht. Aber eigentlich klingt das gut, was Du schreibst. Vor allem kann man das Ding einfach mal in den Rucksack packen und ist mobil.

 

[Psychotronic1]

Vor allem kann man das Ding einfach mal in den Rucksack packen und ist mobil.

Das geht sehr gut, ich bin mit Rucksack und Rollkoffer unterwegs. Klamotten zusätzlich im Rollkoffer eigenen sich auch hervorragend um das Gear vor Beschädigungen zu schützen.

#Rollkofferkommando