Ihr werdet alle sterben

[Turquoise]

Unter dem Eindruck eines gestern gesehenen Videos aus Südafrika, wo anscheinend gerade ethnische Säuberungen gegen die Buren stattfinden, schrieb ich heute diesen Text.
Eigentlich lasse ich Texte ungern düster enden (zumal an einem Sonntag). Deshalb meine Frage wie Ihr das seht - ob es vielleicht besser wäre, noch eine Strophe anzuhängen, die etwas Zuversicht macht. Oder genügt der Refrain - also dessen letzte Zeilen?

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Ihr werdet alle sterben


auf seinem schwarzen T-Shirt
die Botschaft war nicht schlecht
IHR WERDET ALLE STERBEN
er hatte völlig Recht:

ein Fötus flieht im Kreise
wenn sich der Sauger naht
ein Teenie schluckt Tabletten
in Mamas neuem Bad

dem Maurer zieht die Seite
beim Scheißen kommt der Schlag
die Diva weint nachts heimlich
weil kein Arzt was vermag

der Geiger fällt ins Koma
beim Requiem von Brahms
der Pfarrer brennt sich selbst an
aus Angst vor dem Islam

ihr werdet alle sterben
ihr werdet alle sterben
die Frage ist nur wie
die Frage ist nur wie

da war das eine Video
sie hing in ihrem Haus
das Kreuz stak ihr im Munde
und ragte hinten raus

ich sah die Leiber liegen
wohin man blickte - Blut
am Halse offne Schlitze
mir sank der Lebensmut

da schloss ich meine Augen
vor solcher Grausamkeit
denn eine Ahnung raunte
es kommt auch Euch die Zeit

ihr werdet alle sterben
ihr werdet alle sterben
die Frage ist nur wie
die Frage ist nur wie


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.

 

[Teestunde]

Ist die Anekdote mit dem T-Shirt echt?
Der Text ist gruselig und auch ein bisschen komisch. Sehr gekonnt. Schreit förmlich nach Vertonung. Zuversichtsstrophe ist nicht nötig. Kästner hat seine Texte auch nicht geglättet.

 

[Turquoise]

Ist die Anekdote mit dem T-Shirt echt?

Ja. Ist aber schon länger her. Das Shirt hat mir so gut gefallen, dass ich das unbedingt mal irgendwo einbauen wollte.

Der Text ist gruselig und auch ein bisschen komisch. Sehr gekonnt. Schreit förmlich nach Vertonung. Zuversichtsstrophe ist nicht nötig. Kästner hat seine Texte auch nicht geglättet.

Danke. Ich habe schon befürchte, es ist zu krass und keiner sagt was dazu.

Ich bin schon am überlegen, ob nicht vielleicht doch noch etwas fehlt.


Und - denkst Du dabei wieder an Kabarett?

 

[Teestunde]

Und - denkst Du dabei wieder an Kabarett?

Weniger. Da fehlt eine konkrete Rolle.

 

[pitto]

Unter dem Eindruck eines gestern gesehenen Videos aus Südafrika, wo anscheinend gerade ethnische Säuberungen gegen die Buren stattfinden, schrieb ich heute diesen Text.

Ich war vor zwei Wochen in Johannesburg. Die Situation ist wirklich dramatisch. Man kann eigentlich gar nichts mehr so richtig machen (schon gar nicht in die Stadt fahren), alles viel zu gefährlich. Letztlich kann man sich immer nur in den Compounds aufhalten. Abends mit dem Auto rum zufahren ist auch nicht ohne, da muss man halt an den Ampeln richtig aufpassen und immer schon den Wagen abschließen. Das Thema mit den Buren wurde mir vor Ort auch erzählt.

Wo hast du denn die Sendung gesehen?

Den Text finde ich gut, einzig die Zeilen mit der Filmdiva finde ich nicht so gelungen.... Ansonsten sehr gut, könnte mir da so eine deftigere Rocknummer vorstellen oder ein "süßes" Stück Musik, welches den Text karikiert...

Gruß, pitto

 

[Turquoise]

Ich war vor zwei Wochen in Johannesburg. Die Situation ist wirklich dramatisch. Man kann eigentlich gar nichts mehr so richtig machen (schon gar nicht in die Stadt fahren), alles viel zu gefährlich. Letztlich kann man sich immer nur in den Compounds aufhalten. Abends mit dem Auto rum zufahren ist auch nicht ohne, da muss man halt an den Ampeln richtig aufpassen und immer schon den Wagen abschließen. Das Thema mit den Buren wurde mir vor Ort auch erzählt.

Wo hast du denn die Sendung gesehen?

danke für die ergänzung aus der realität.
das war einfach nur ein video auf vimeo, das irgendjemand irgendwo verlinkt hat.

Den Text finde ich gut, einzig die Zeilen mit der Filmdiva finde ich nicht so gelungen....

ja, die hakt ein bisschen. besser wäre vielleicht

die diva weint nachts heimlich

ich wusste nur nicht, ob klar wäre, dass mit diva eine filmdiva gemeint ist. aber vielleicht ist das auch egal

 

[pitto]

die diva weint nachts heimlich

schon viel besser...

 

[Turquoise]

schon viel besser...

na dann . . . schreib ichs mal so rein...

 

[Andaraginga]

Ich bin schon am überlegen, ob nicht vielleicht doch noch etwas fehlt.

Also, was mir fehlt, ist eine Kompletterklärung
Ich versteh weder den Text an sich, noch deine Fragen in der Einleitung, noch den Zusammenhang zwischen deiner Einleitung und dem Text, zwischen den Strophen 1-4 und 5-7 oder zwischen den Strophen und dem Refrain.

Ich kann nur sagen, ich find die Refrainzeile ziemlich cool und der Rest verwirrt mich.

 

[Turquoise]

Also, was mir fehlt, ist eine Kompletterklärung
Ich versteh weder den Text an sich, noch deine Fragen in der Einleitung, noch den Zusammenhang zwischen deiner Einleitung und dem Text, zwischen den Strophen 1-4 und 5-7 oder zwischen den Strophen und dem Refrain.

Ernsthaft?

Ich frage, weil mir nach pittos Beiträgen noch eine zweit Interpretation eingefallen ist, die ich beim Schreiben überhaupt nicht bedacht hatte...

Kann das schon erklären. Würde aber erst mal warten, wie andere es auffassen, wenn Du nichts dagegen hast.

 

[Turquoise]

Okay, kaum Interesse vorhanden. Da habe ich auch keine große Lust, mir über den Text einen abzupalavern.

 

[Locis]

Ist schon ein heftiger Text. Der Maurer hätte wegen mir nicht sein müssen. Etwas fehlt mir eine Pointe.

 

[Turquoise]

Der Maurer hätte wegen mir nicht sein müssen.

Wollte erst Klempner nehmen. Doch dann fiel mir ein, dass der schon von Reinhard Mey okkupiert wurde.

Etwas fehlt mir eine Pointe.

Die steht zwischen den Zeilen. (Welche Pointe könnte oder sollte es denn geben?)

 

[Locis]

Ich bin ja nicht der Dichter Nee, etwas, was alle diese einzelbilder zusammenfasst. Okay, ihr werdet alle sterben, die Frage ist wie. Aber Du packst merkwürdiges neben gewaltsames. Das zerreißt den Text für mich. Gerade auch im Hinblick auf Deine Einleitung. Aber nach dem Lesen frage ich mich: und jetzt? Was verbindet alle diese Tode miteinander?

 

[Teestunde]

Was verbindet alle diese Tode miteinander?

Die Frage (ist nur) wie.

 

[Turquoise]

Ich bin ja nicht der Dichter Nee, etwas, was alle diese einzelbilder zusammenfasst. Okay, ihr werdet alle sterben, die Frage ist wie. Aber Du packst merkwürdiges neben gewaltsames. Das zerreißt den Text für mich. Gerade auch im Hinblick auf Deine Einleitung. Aber nach dem Lesen frage ich mich: und jetzt? Was verbindet alle diese Tode miteinander?

Also geht es Dir vielleicht ähnlich, wie @Andaraginga .

Na dann vielleicht doch mal ein Wort zu Erläuterung.

Der Witz am Text ist (zumindest für mich), dass die Zeile "Ihr werdet alle sterben" wie eine Drohung klingt, aber genau das nicht ist. Das war auch der Witz auf dem T-Shirt, das ich damals sah: IHR WERDET ALLE STERBEN klang, als wolle es den Menschen Angst einjagen. Doch im Grunde sollte es die Menschen nur darauf hinweisen, dass ihnen allen sowieso genau das bevorsteht, sie aber leben (oder zu leben versuchen), als existiere der Tod nicht.

Die Verbindung zwischen Strophe 2-4 und 5-7 ist genau dieser Darstellung, dass der Tod jeden erwartet - egal ob brutal in ethnischen Auseinandersetzungen, oder in der Oper beim Luxus-zur-Schau-tragen.
Die Zeile "die Frage ist nur wie" bedeutet deshalb auch weniger, auf welche Art und Weise, als vielmehr mit welcher Haltung. Wie gehe ich dem Tod entgegen: werde ich völlig unvorbereitet herausgerissen weil ich dachte, mein Leben geht noch zwanzig Jahre mindestens, oder rechne ich mit dem Tod, bin ich mir bewusst, dass ich sterben kann und bin ich prinzipiell auch bereit dafür?

Falls ja, dann - das ist meine These - werde ich auch anders Leben. Und zwar eben nicht so, dass ich anderen das Leben raube, wie in den Strophen 5-6 dargestellt, und auch nicht so, dass ich aus meinem leistungsorientierten deutschen Wolkenkukuksheim völlig unverhoffter Dinge exmatrikuliert werden.

Gäbe evtl. noch mehr zu sagen, aber ich denke, das reicht erst mal. (Hoffe ich.)

 

[Andaraginga]

Hab zwischendurch deine "Auflösung" gelesen. Ich schick trotzdem mal ab, was ich mir vorher gedacht hab:

Strophe 1-4 hat das Schema Person x stirbt Tod y. Das passt zum Refrain mit seiner Frage nach dem Wie des Sterbens.

Strophe 5-8 ist dann irgendwas anderes. Klingt wie wenn es da jetzt um das Video ginge, das du in der Einleitung erwähnst.

Das sind aber zwei Felder, die inhaltlich, logisch und sprachlich sehr verschieden sind.

1-4 sind kleine Episoden mit viel oberflächlich witzigem Erzählstoff und erinnert mich von der Art her an so was wie Rise and Fall von Helloween.

5-8 ist das Gegenteil:
Eine Szene, nah drauf, nicht witzig, eher verstörend und jetzt taucht auch das LI direkt auf.

Müsste ich allem einen Sinn geben würde ich sagen, das ist ein Lied darüber wie jemand erst locker flockig über das Sterben sinniert, dann verstörende Bilder sieht und in eine andere Stimmung fällt und dann unterschiedliche Gedanken zusammenwirft.

 

[Locis]

Okay, dann wäre meine Pointe im Schlußrefrain zu schreiben: wir werden alle sterben, die Frage ist nur, wie. Damit hätte der Text für mich eine Aussage ...

 

[Turquoise]

@Andaraginga

Ich finde immer, wenn Du eine Interpretation zu einem meiner Texte machst, dass Du unheimlich viel siehst und auch gut wiedergibst.

So, wie Du es beschrieben hast, kann man das absolut sehen. Ganz richtig, dass die ersten Strophen fast etwas Slapstickhaftes haben, die späteren aber viel ernster sind.

Im Gegensatz zu "Jessy", wo ich die späteren Strophen den ersten gegenüberstellte, sind hier die ersten Strophe "nur" das Gegengewicht zu den späteren. Ich habe den Text also quasi von hinten rein geschrieben. Denn was sollte ich noch sagen, nach dem ich die erste Strophe, die sich aus dem Video ergab, geschrieben hatte? Da war nichts mehr.

Adorno (?) hat mal behauptet, man dürfe nach A. keine Poesie mehr schreiben. Ich hatte also in diesen modernen Abgrund geblickt. Und dachte an Adornos Aussage. Sollte man diesen Weg gehen? Ich entschied mich, zurück zu gehen, weil weiter vor nichts war . . . bildlich gesprochen.

Danke für Deine Auslegung.

 

[Turquoise]

Okay, dann wäre meine Pointe im Schlußrefrain zu schreiben: wir werden alle sterben

hatte ich auch, diesen gedanken. habe ihn aber verworfen. weil wir werden alle sterben einfach zu allgemein-verbindlich klingt.
meiner meinung nach hat das auch der macher des t-shirts erkannt. ihr werdet alle... klingt wesentlich mehr nach infragestellung, es ist wie ein direkter angriff, es ist der ausgestreckte zeigefinger, den keiner gerne auf sich gerichtet sehen will. bei wir braucht sich keiner angesprochen fühlen, weil ja sowieso alle gemeint sind. bei ihr fühlt man sich schon deswegen angesprochen, weil derjenige, der ihr sagt, sich offenbar selbst ausnimmt. und das geht ja man gar nicht...
jetzt habe ich überlegt, wie ich um das wir herumkomme - und fand die lösung darin, indem ich die erste strophe quasi als prolog vor den eigentlichen text stellte. damit bezieht sich der refrain eben im zweifelsfalle immer auf das t-shirt...