Herz der Kindheit

[artname]

Bei kurzen Texten spiele ich gern mal mit Kleinschreibung. - Zu diesem Text animierte mich u.a. auch @Steve Sledge mit seiner interessanten Bitte um wohlklingenden Worten. Mag das Ergebnis auch unspektakulär erscheinen - ich habe nach Tagen des Abwägens nun eine sehr stabile Beziehung zu diesen Worten… quod erat demonstrandum

herz der kindheit

dunkelheit
wie ein räuber bricht sie
ein die zeit
irgendwo spielt ein
klavier wer weiß
was sein wird nach der
dunkelheit

wind und meer
sterne strahlen aus der
ferne her
singt der wind sich auch
die lungen leer
das altes lied es
klingt nicht mehr

sing - mein kinderherz
von dem schmerz
der dich befällt

sei - mein spiegelbild
eins das fühlt
die welt ist schön

nacht am meer
alte traumkulisse
schwarz gefärbt
fast am ende wenn der
mond nicht wär
die tränen und der
weg vor mir

sing - mein kinderherz
von dem schmerz
der dich befällt

sei - mein spiegelbild
eins das fühlt
die welt ist schön

 

[Gel Mitglied 86343]

Das spricht ein Thema an, mit dem ich mich oft beschäftige: Wie komme ich an diese Kindheit ran. Die Energie, die darin steckt, kann man im Alter nur allzu gut gebrauchen. Nur ordentlich damit gehaushaltet und das Glück ist dir sicher.

Irgendwann sind die wohlklingenden Worte aber auch aus und jeder Sänger verlangt nach tiefer gehenden Bedeutungen, die ohne zaghafte Zungenbrecher einfach nicht zu gewährleisten sind. Beim Lesen hörte ich @Locis 's Piano sich schon warmspielen.

Dem Kinde kann man noch weissagen, dass der Tod mit den nächsten Frühlingsblühen verschwindet, während die Erwachsenen schon ewig damit leben, tausend Tode zu sterben. Die Welt ist schön.

 

[SoulFrontier]

Das gefällt mir spontan sehr! Wunderbare Bilder.

 

[samdabam]

Schön! Darf ich mich dran versuchen und vertonen? ne spontane Sache fällt mir da ein. vielleicht zu melancholisch...

 

[Eiermann]

sei - mein spiegelbild
eins das fühlt
die welt ist schön

Die Zeile gefällt mir besonders gut.

Der Text ist Insgesamt gut auch wenn dieser einen leichten Beigeschmack von Resignation hat.

Jetzt könntest du einen Gegenpart schreiben, das Älter werden aber auch ein Segen sein kann, werden ja nicht alle zu einem Grieskram.
Oder du mischst die beiden Verläufe,

 

[holgi]

ach ja, schöner Text, den fühlt man erst ab einem bestimmten Alter denke ich

 

[Graham]

Nicht schlecht.

Aber wenn ich durchgehende Kleinschreibung und fehlende Satzzeichen sehe, denke ich heutzutage unwillkürlich an jemanden, der zu dumm/faul ist, ordentlich zu schreiben. Mit Baseballkappe verkehrt rum auf dem Kopf.

Ich bin wohl Internet-geschädigt.

 

[SoulFrontier]

Ja das mit der Schreibweise erschließt sich mir auch nicht.
Ich hab einfach drüber weg gelesen.

 

[samdabam]

Ja, würde mich auch interessieren, was es mit dem nur klein schreiben auf sich hat...

 

[Gel Mitglied 86343]

Ohne Rechtschreibung und Satzzeichen erklingt der Wortsinn wie mit einer Stimme gesprochen im Kopf; es bedeutet für mich die Verklangbildlichung und ist der erste Schritt in Richtung einer Vertonung.
Für Gedichte ist das nichts ungewöhnliches und die Autoren und Verlage haben das aus den unterschiedlichsten Gründen gemacht; u.a. um die Worte gleichberechtigt erscheinen zu lassen und dem Sinn dahinter mehr Raum zu geben. Hier passt es ziemlich gut und die Verwirrung empfinde ich überhaupt nicht.

 

[akStudio]

Inspirierend, die recht kunstvolle An- und Untereinanderreihung optisch gleichberechtigter Wörter. Das klappt nur mit durchgehender Kleinschreibung.
Nicht nur beim linearen Lesen, sondern auch kreuz und quer geschaut kann man interessante Wortkombinationen entdecken.
Nur als Beispiele
1. Strophe "Wer Klavier spielt, (hat) irgendwo Zeit"
3. Strophe " Nacht schwarz, Mond weg"

 

[Teestunde]

das altes lied es
klingt nicht mehr

Hoppla, hier ist ein "s" hängengeblieben.

Einfach ein tief zu Herzen gehender Text.
Er betrifft mich so, als hättest du ihn für mich verfasst.

 

[artname]

Herzlichen Dank für die bisherigen Reaktionen.

Ohne Rechtschreibung und Satzzeichen erklingt der Wortsinn wie mit einer Stimme gesprochen im Kopf; es bedeutet für mich die Verklangbildlichung und ist der erste Schritt in Richtung einer Vertonung.
Für Gedichte ist das nichts ungewöhnliches und die Autoren und Verlage haben das aus den unterschiedlichsten Gründen gemacht; u.a. um die Worte gleichberechtigt erscheinen zu lassen und dem Sinn dahinter mehr Raum zu geben.

Das ist mE sehr gut beschrieben!

Ich benutze die Kleinschreibung (mit gleichzeitigem Verzicht auf Interpunktion) gern, um Zweitbedeutungen meiner Gedanken zu erkennen und im weiteren Verdichtungs-Prozess bewusst spielerisch zu nutzen.

Hier passt es ziemlich gut und die Verwirrung empfinde ich überhaupt nicht.

Ich schon!

Da wäre das Wort „eins“: einerseits Zahlwort und Pronomen, andererseits aber auch Adverb: Mit etwas eins ( vereint) sein!

oder
Da ist beispielsweise auch die Doppeldeitigkeit von „sein“ .

„sei mein spiegelbild“ sei mein Partner
oder
“Sei (lebe!), Herz, du mein Spiegelbild“

oder:

wind und meer
sterne strahlen aus der
ferne her
singt der wind sich auch
die lungen leer
das altes lied es
klingt nicht mehr

kann ich auch so lesen:

wind und meer
sterne strahlen
aus der ferne her
singt der wind sich auch
die lungen leer
das altes lied es
klingt nicht mehr

Dann singt sich der Wind (so wie ich auch) die Lunge leer. - Das alles muss man nicht erkennen. Aber man KÖNNTE es. Die Voraussetzung ist eine extreme Verdichtung.

 

[Gel Mitglied 86343]

Ich schon!

Da wäre das Wort „eins“: einerseits Zahlwort und Pronomen, andererseits aber auch Adverb: Mit etwas eins ( vereint) sein!

Besonders in Verbindung mit Spiegelbild beschert das eins sein doch erst die Vielfalt. Natürlich entscheidest du dich für eine Bedeutung, die dir näher liegt und die Mehrdeutigkeit mag verwirren. Selbst suche ich aber genau diese Mannigfaltigkeit. Zur Orientierung braucht man die gewohnten Dimensionen, die Phantasie be- und verfolgt über diese Gesetze hinaus aber noch ganz andere Dimensionen.

 

[artname]

Natürlich entscheidest du dich für eine Bedeutung, die dir näher liegt und die Mehrdeutigkeit mag verwirren.

Nein. Das ist bei mir anders. Ich bin Tag und Nacht vor allem auf der Suche nach Überraschungen! Wenn ich Mehrdeutigkeiten finde, dann liebe ich alle (!) Seiten, denn sie existieren ja nicht wirklich gleichzeitig, sondern sie entspringen nur der menschlichen Sprache. Und deren unabänderbare Hilflosigkeit des Ausdrucks holt allen Menschen auf die gleiche Ebene; den Penner und die Kanzlerin. Das Kleinkind und Goethe Und an DIESER Menschlichkeit baue ich mich auf!!

 

[artname]

Inspirierend, die recht kunstvolle An- und Untereinanderreihung optisch gleichberechtigter Wörter. Das klappt nur mit durchgehender Kleinschreibung.
Nicht nur beim linearen Lesen, sondern auch kreuz und quer geschaut kann man interessante Wortkombinationen entdecken.
Nur als Beispiele
1. Strophe "Wer Klavier spielt, (hat) irgendwo Zeit"
3. Strophe " Nacht schwarz, Mond weg"

aK, ich werde aus dir nicht klug! Aber mir genügt völlig, dass du aus meinem Geschreibsel schlau wirst. Und das auch noch, bevor ich es erläuterte! Sehr schön!

 

[artname]

Zum Thema „Jung und Alt“:

Ich kann beim Summen des Textes zwischen den Gefühlen meiner frühen Jahre und denen meiner Gegenwart switchen. Warum auch nicht? Ich werde immer aus dem selben Holz geschnitzt bleiben! Also habe ich mir irgendwie zugleich ein Kinderlied und einen Popsong geschrieben.

Nun höre ich den Einwand, die Worte seien viel zu erwachsen für ein Kinderlied! So etwa wie nachfolgende Verse?

Wir stolze Menschenkinder
Sind eitel arme Sünder,
Und wissen gar nicht viel;
Wir spinnen Luftgespinste,
Und suchen viele Künste,
Und kommen weiter von dem Ziel.

Gott, laß uns dein Heil schauen,
Auf nichts vergänglichs trauen,
Nicht Eitelkeit uns freun!
Laß uns einfältig werden,
Und vor dir hier auf Erden
Wie Kinder fromm und fröhlich sein!

Wollst endlich sonder Grämen
Aus dieser Welt uns nehmen
Durch einen sanften Tod,
Und wenn du uns genommen,
Laß uns in Himmel kommen,
Du lieber treuer frommer Gott!

Diese Zeilen von Matthias Claudius scingen Kinder gewöhnlich nicht, wenn sie trällern „Der Mond ist auf gegangen“. Claudius schrieb sein Gedicht mit etwa 40. Also kein Kinderlied? Ich sage mal Jain. Es hängt von der Vertonung ab. Oder? Vielleicht kommt ein Komponist mal auf den Einfall, mir eine Kinderliedmelodie anzubieten. Muss nicht - kann aber. Kunst ist für mich ein Ewiger Flirt mit den Überraschungen!

Ich hab meinen Text übrigens auf die Songstruktur eines heiß geliebten und melancholischen Welthits geschrieben. Sein Komponist dürfte kaum älter als 20 gewesen sein. Und mein liebendes Herz war noch viel jünger

 

[artname]

Hoppla, hier ist ein "s" hängengeblieben.

Wie immer: Danke!!!

Einfach ein tief zu Herzen gehender Text.
Er betrifft mich so, als hättest du ihn für mich verfasst.

Und dafür zusätzlich ein

 

[artname]

So damit habe ich zwischendurch hoffentlich auf alle Fragen reagiert. Falls nicht, dann mich bitte noch mal antippen.

 

[samdabam]

Vielleicht kommt ein Komponist mal auf den Einfall, mir eine Kinderliedmelodie anzubieten.

Aha!