Gain Staging und harmonische Verzerrungen

[Synophon]

Moin moin.

Oft hört man, dass Plugins bei einem Pegel von 0dbVU (-18dbFS) die besten klanglichen Ergebnisse bringen sollen. Da in einem anderen Thread (https://recording.de/threads/verwirrung-mit-gain-staging.208532/) im harmonischen Beisammensein bereits darüber diskutiert wurde, wollte ich das jetzt endlich mal überprüfen. Nun, beides stimmt; zumindest wenn es um die harmonischen Verzerrungen geht. Hier ein Test:

Für den Versuchsaufbau habe ich eine 100Hz Sinuswelle mit jeweils -18dbFS und -3dbFS durch einige bekannte Plugins (mono) geschickt und dann dementsprechend den Ausgangspegel so gut es ging am Plugin selbst geregelt. Bei den Kompressoren wurde die Gain-Reduction auf 5db festgelegt, weswegen bei den unterschiedlichen Eingangspegeln der Threshold jedes Mal nachjustiert wurde. Als Analyzer nahm ich den Pro-Q2 von Fabfilter mit maximaler Auflösung. Teilweise unterscheiden sich die Endlautstärken der einzelnen Messungen, was dann daran liegt, dass die Ausgangregler bestimmter Plugins keinen ausreichenden Spielraum besitzen.

Die Kompressoren:

Der CLA-2A von Waves zeigt sich bei unterschiedlichen Eingangspegeln gänzlich unbeeindruckt.




Der Fairchild 660 Klon von Waves macht mit lauterem Eingangssignal mehr Harmonische.




Beim H-Comp von Waves zeigt sich auch bei eingeschaltetem Analog-Feature keine Veränderung.






Auch dem Pro-C2 von Fabfilter ist der Eingangspegel in allen Einstellungen von "Clean" bis "Pumping" egal.






Als letztes noch den SSLChannel von Waves, den ich mal mit zu den Kompressoren genommen habe. Hier kann eine winzige Veränderung der verschiedenen Obertöne festgestellt, aber wahrscheinlich nicht gehört werden.




Die Equalizer:

Der Ozone Vintage EQ von iZotope zeigt nicht nur keine Veränderung, sondern er erzeugt nichtmal Obertöne. Man berücksichtige den 10db boost und cut.




Beim Pultec Klon von Waves regt sich trotz der extremen Bassanhebung und -senkung rein gar nichts.





Der Scheps73 von Waves zeigt sich bei eingeschaltetem Preamp etwas anders. Mit höherem Pegel werden die "ungeraden" Obertöne leiser.

 

[Synophon]

Sonstige:

NLS von Waves zeigt, dass es bei manchen Plugins von Vorteil sein kann, wenn sie mit Pegeln von -18dbFS arbeiten.
Gemessen wurde zuerst mit -3dbFS am Signalgenerator und -12db am Ausgang des Plugins. Beim 15db leiseren Eingangssignal habe ich dann den Ausgang des Plugins auf +3db gestellt. Mir war es wichtig, festzuhalten, was mit dem Grundton gemacht wird. Diese Messungen wurden dann nochmal mit voll aufgedrehtem Drive gemacht.

Angefangen bei "Mike", zeigen sich bei -3dbFS und vollem Drive viele und unangenehme Verzerrungen im Präsenzbereich, die leicht zu hören sind. Bei -18dbFS wiederum ist die harmonische Verteilung der Obertöne sehr schön zu sehen. Ohne Drive zeigen sich nur geringfügige Änderungen.






"Nevo" verhält sich bei vollem Drive und -18dbFS erstaunlich ruhig, bricht dann aber bei -3dbFS komplett aus. Ein Unterschied ohne Drive ist quasi nicht vorhanden.






"Spike" ist mit vollem Drive und bei -3dbFS der sauberste von den Dreien und ist wie Nevo bei niedrigen Pegeln entspannt. Die Verzerrung ist ohne Drive sehr subtil.






Generell empfiehlt es sich, bei einem Arbeitspegel von -18dbFS zu bleiben. Besser noch ist es, ein VU-Meter zu nehmen und sich nach dem Wert 0dbVU zu richten, da die langsame Integrationszeit von 300ms die Messung nicht wild rumspringen lässt und man eher das Gefühl für die tatsächliche Lautstärke bekommt.

Ich hoffe, ich konnte jemandem damit helfen.

Gruß
Marv

 

[Manoloco]

Whow, super!

Guck, PlugInAlliance hat zu sämtlichen Plugins Demoversionen verfügbar. Wenn Du gerade Lange hast ...

https://www.plugin-alliance.com/en/products.html

Muchas!

 

[adrachin]

Sehr schön. Ein guter Weg mehr über die Plugins zu erfahren.

Einige Bemerkungen dazu. Da man den Code der Plugins nicht ansehen kann bleibt es im Dunkel, wie genau das moduliert ist. Beispiel Pultec Clone von Waves. Da hast Du den Ausgang runtergezogen um wieder auf die -18 zu kommen. Nimmt man nicht den Regler im Plugin sondern ein anschliessendes Gain Plugin sieht die Sache anders aus.

-18:

-5:

hier zeigen sich deutlich mehr Obertöne. EQ alles auf neutral.

Plugins wie der CLA-2A der zu Kategorie der Leveling Amplifier gehört lassen sich nicht richtig messen mit diesem Setup wenn man die Gain Reduktion immer gleich halten will. Dazu muss man zwangsläufig den Input Gain des Plugins runter regel wodurch dann ja im Plugin keine Pegelanhebung mehr vorhanden ist. Aber genau diese Plugins erzeugen erheblich mehr Harmonische bei höherem Input. Und genau deswegen sind die ja geschätzt ob damals als Hardware oder Heute als Plugin. Will man fetten Sound dreht man den Eingang hoch und den Ausgang runter. Und hat erheblich mehr Fett im Sound. Und da machen 2 - 3 dB am Eingang mehr oder weniger ordentlich was aus im Sound. Das sollte man gegebenenfalls mit Musik und Ohren überprüfen.

Die Waves H-Serie sind Hybriden. H = Hybrid. Die versuchen erst gar nicht reale Hardware zu emulieren sondern bieten nur die Möglichkeit einen analogen Touch dazuzuschalten und gegebenenfalls das Verhältnis einzustellen.

Und ja, ganz normale Plugins zeigen den Effekt gar nicht. Ich hatte das mal mit einem Fabfilter EQ ausprobiert. Null Unterschied zwischen - 18 und fetten + 25. Verwendet man da den Phasen null Test ist Stille. Da kommt das Gleiche raus bis auf das letzte Bit egal welcher Pegel anliegt.

Und dann noch der Hinweis auf unterschiedliches Verhalten je nach Frequenz. Das ist sehr unterschiedlich von Plugin zu Plugin was sich da tut. Manch machen nur Low manche mehr Mid und so weiter. Lohnt sich also da auch unterschiedliche Frequenzen reinzuschicken.

Wer bisher noch nie was gemacht hat mit analogem Touch und das gerne mal ausprobieren will, die Kombination MJUC un SDDR von Klanghelm sind dafür bestens geeignet:

http://klanghelm.com/contents/main.php

wer gerne noch was Multiband will sollte sich noch den DC8C ansehen.

Mehr braucht man eigentlich nicht. Und Preis Leistung ist hervorragend......

 

[L0rdVetinari]

Hier ein vielleicht interessanter Artikel zu dem Thema: http://mixedbymarcmozart.de/geheimakte-kompression-teil-1-obertone

Ich empfehle auch die anderen Artikel auf der Seite, je nach eigener Erfahrung.

 

[JackInTheBox]

Sehr cool zu wissen, besten Dank!