Das "das gab's schon" Dilemma und das "Moll" Dilemma

[Cruba]

Hi alle!

Gerade mal wieder frustriert und Cubase geschlossen, habe ich mal rumgestöbert und den alten Thread entdeckt: Ich schaffe nicht ein Lied zu ende zu machen warum ????

Ich habe einen Grund für das Problem, weiss also woran es liegt: Wenn ich einen Track halbfertig habe oder auch nur den Ansatz einer Idee, setzt sich dieses "das gab's schon" fest. Teilweise mach ich schon einen Bogen um bestimmte Akkorde - auch wenn es albern klingt.

Manche Songs habe ich über 2 Jahre auf der Platte und mit Abstand betrachtet komme ich zum gleichen Ergebnis oder eher zur gleiche Einschätzung.

Weiterhin komme ich nie zu einer wirklichen frischen Idee die auch nur irgendwie nicht nachdenklich klingt. Ganz ehrlich: Wer auch immer Sunshine, Lollipops and Rainbows komponiert hat - ich würd' sofort mit ihm tauschen.

Gegen dramatische Musik und Theatralik habe ich absolut nix, aber man muss doch auch das Gegenteil greifen können auf der verdamischten Tastatur. Also so aus eigenem Antrieb, nich nach Noten.

Bah! Alles Kakke!

UPDATE:
6 Jahre alt, an dem Ding könnte ich auch nicht weiterarbeiten - Festplattencrash. Weg ist weg. Nur ein Beispiel extra für mofox.

Das "Moll" Dilemma...
Bitte pm an mich, falls ihr das Moll Dilemma Beispiel noch hören wollt. Gelöscht bei Soundcloud!

 

[mofox]

Aber nachdenkliche oder "dramatische" kommuniziert doch viel besser...
Oder meinst du frische oder fröhliche Musik, bei der man nicht das Gehirn ausschalten muss?
Das wäre dann wohl schon wieder sowas Königsklasse...

Also nach erstem Darüber Nachdenken würde ich sagen: Ersetze "Dilemma" durch "Geschenk", und dann wird ein Schuh draus. Vorausgesetzt es handelt sich nicht um stereotype Kitsch-Dramatik ohne Tiefgang..

Wegen dem ersten Problem: Find ich jetzt nicht so tragisch. Musik wirkt ja maßgeblich auch durch Antizipation und Assoziation, der Hörer braucht ein paar Ankerpunkte, muss sie irgendwie in seinen assoziativen Netzwerk "einordnen" können (hab ich mal irgendwo gelesen), sonst limitierst du deine Zielgruppe vermutlich von vornherein auf Hochintellektuelle und Wunderkinder...

Dann poste halt mal was im Feedback-Forum, damit auch mal ein paar andere Ohren drüberhören können. Spiel nicht das Prinzesschen, wir sind doch unter uns..

 

[mofox]

UPDATE:
6 Jahre alt, an dem Ding könnte ich auch nicht weiterarbeiten - Festplattencrash. Weg ist weg. Nur ein Beispiel extra für mofox.

Das "Moll" Dilemma...
http://soundcloud.com/cajhmere/serpentines-ii

Hehe..

Ok, die Pegelung der einzelnen Elemente finde ich noch etwas unausgewogen, aber der Teil bis 1:10 min ist doch supi. Der ganze Kram danach hängt halt irgendwie in der Luft, weil halt a) Bass und b) die "Auflösung" fehlt.
Aber rein musikalisch ist doch der erste Teil dochn prima. Netten kleinen schnurrenden Sub/Reese-Bass drunter, und das Ganze bekäme Fundement.
Und das Moll sehe ich da ganz gewiss nicht als "Dilemma". So bisschen Berliner Style Richtung Moderat/Apparat. Sowas kommt doch auch bei sehr vielen sehr gut an. Muss ja nicht immer Bigroom, Friede-Freude-Eierkuchen, Supersaw und "Gib ihm!" sein.
Echt schade, dass davon kein Midi mehr vorhanden ist.

Das eigentliche Problem sehe ich hier eigentlich nur im unentschlossenen Arrangement. Und joa, der Bass fehlt halt. Und mit ersterem haben ja wohl die meisten von uns zu kämpfen...

 

[Cruba]

Nee, dazu gibt's keine Bass... Das sollte schon so sein, wie es ist. Ist halt nur nicht ausarrangiert. Die Grundidee waren ja diese Delaydrums. Ist ja auch nicht im Geringsten für Club & Tanzen gedacht. Abgemischt ist da ganix - war ne Idee und dann hat die Festplatte Schüss gesagt.

Ist schon tragisch, weil ich das Ding niemals nachkonstruieren kann, grade das Tiefe Rumsen bei 1.17, das kommt vom Leadsynth, war alles so geplant. Naja, trotzdem wird halt kein Dunesong draus und das nervt mich erheblich.

Vielleicht seh' ich's auch mit völlig falschen Augen - für mich ist es deprimiertes Moll... lol

Übrigens live eingespielt, nix quantisiert. Der Leadsynth ist eher Drumsolo zu sehen, nicht als Klavier gespielte Spur. Bin ja Drummer.

 

[mofox]

- für mich ist es deprimiertes Moll... lol.

Schade eigentlich..

Bin raus.

 

[Cold_oszillation]

Zuerst einmal:
Es war alles schon mal da. Unser Tonsystem kennt 12 Töne.
Wie hoch ist da die Wahrscheinlichkeit, dass es etwas noch nicht gab?

Wenn du dramatische Musik magst, mach sie doch.
Es gibt bestimmt auch einige, die denken:
"Boa, ich kann nur frische und leicht verdauliche Musik produzieren. Mit dem Cruba würde ich ja gerne tauschen."

Dann kann es gut sein, dass du einfach zu zwanghaft versuchst, etwas frisches zu komponieren. Dann wird das auch nichts.
Hatte mal einen ähnlichen Fall. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, unbedingt einmal einen RnB Track zu komponieren. Wurde natürlich nischts.
Reiner Murks!
In irgend einer Nacht kam mir die Idee dann einfach im Traum und bin nach dem Aufwachen, mitten in der Nacht ans Keyboard geflitzt.

Meine Theorie dazu ist ganz einfach, dass ich im Traum entspannt und losgelöst war und nicht versucht habe, etwas zwanghaft hinzubekommen.
Vielleicht hilft dir das ja weiter.

Du könntest ja einen Song über dein momentanes Problem schreiben.
Wobei der dann bestimmt auch nachdänklich werden würde...

 

[Stoner]

Ohje, das Problem kenne ich gut.

Ich hatte schon oft "Geistesblitze", die ich dann 2-4 Wochen später als Hit im Radio hören mußte.
Ich hatte schon oft genau die gleiche Idee oder den gleichen Sound.
Oder ich klimpere vor mich hin und muß dauernd denken "das gab´s doch schon, das kommt Dir doch bekannt vor".
Manchmal passiert das einfach unbewußt: Man "erfindet" irgendwas, spielt aber unbewußt irgendwas nach, was man geil findet. Oder wandelt es etwas ab.
Und dann stellt man fest: "och, doch keine Superidee - Du spielst unbewußt irgendwas nach."

Und zum "wirklich neuen" hab´ich eine zweigeteilte Meinung:
Ich denke auch immer, daß eigentl. alles schonmal da war.
Aber dann entdecke ich auch heute noch immer wieder Neues, was wirklich neu ist.

Zum Beispiel Porcupine Tree, Blackmail oder Scumbucket. Ich kenne keinen Song, wo ich denke "hmm, kenne ich irgendwie - ist nix neues".
Man muß einfach experimentieren und offen für neues sein.

 

[Mike3000]

"Bestimmte Akkorde umgehen" ... dann spiel alles einen Halbton hher, oder mach aus einem Moll einen Moll7, oder aus Dur einen Major7.

Ich glaube du erwartest, das Rad neu erfinden zu können ... das ist dann ein sehr hohes Ziel.

Es gab da mal eine schöne Kolummne von Abi von Reinghausen (oder so ähnlich), da beschrieb er dass Bilder fast immer auf rechteckige Träger gemalt werden. Und so ähnlich ist es in jeder Kunst, somit auch in der Musik: Es gibt gewisse Strukturen, an die wir uns gewöhnt haben, und die wir dann auch erfüllen müssen, um beim Publikum überhaupt etwas außer Unverständnis zu erreichen.

Klar, ab und zu gibt es "Unerhörtes" - bei genauerem Nachhören in der Musikgeschichte stellt man dann aber fest, dass es das auch schon mal gab. Zum Beispiel kannst du in Metalstücken so Schweinereien entdecken wie 7/8-Takte. Du bist begeistert, und denkst dir vielleicht als 15-Jähriger "Wow, was die sich trauen!" Dann hörst du irgendetwas von Sting/The Police und denkst "Aha, die hatten das auch schon gemacht." . Und dann hörst du irgendwelche Folkore und findest dort diese Taktarten, wo sie seit Jahrhunderten praktiziert werden ...

Also mach dich nicht verrückt, alles umkrempeln und neu machen zu wollen. Halte dich an bestimmte Regeln, aber baue "Bonbons" in deine Stücke ein, die sie zu etwas besonderem machen.

 

[Cruba]

Wahrscheinlich ist mein Anspruch an's eigene Werk zu hoch statt erstmal was einfaches zu machen und draus zu lernen. Am Stück bin ich ja auch nur etwa 3 Jahre dabei, mit grossen Pausen.

 

[Rex]

Unser Tonsystem kennt 12 Töne.
Wie hoch ist da die Wahrscheinlichkeit, dass es etwas noch nicht gab?

Innerhalb einer Oktave gibt es 123 Quintilliarden mögliche Notenkombinationen (36 stellige Zahl).
Gibt also noch Möglichkeiten.

Und wie sagte der Dude in "Crazy heart": "Alles was gut ist kommt einem bekannt vor."

 

[Cruba]

Und wie sagte der Dude in "Crazy heart": "Alles was gut ist kommt einem bekannt vor."

Heh... Nice!

 

[Froschkapitaen]

http://everythingisaremix.info/watch-the-series/

Keinen Kopf machen.
Alles gab's schonmal.

 

[Cruba]

Zieh ich mir morgen in Ruhe rein, Kap... Danke!

 

[Giraffeaffe]

"Das gab's schon" war bei mir auch immer ein Problem, und ist es noch jetzt, nach 9 Jahren ernsthaften Hobbymusizierens. So langsam wirds aber besser. Es hilft wirklich, sich in den musikalischen Diskurs reinzulesen und -hören. Sich aktiv mit aktueller und vergangener Musik außeinanderzusetzen verschafft dir einen Überblick darüber, was es schon gab und wie aktuelle Tendenzen einzuordnen sind. Irgendwann kommst du an einen Punkt, an dem du ein Gefühl dafür entwickelst, was eine originelle musikalische Idee ist, und was nicht. Zumindest gehts mir so. Jetzt langsam fang ich an, Tracks zustande zu bekommen, mit denen ich so zufrieden bin, dass ich sie auch beenden mag. Disziplin gehört nach wie vor dazu, aber das Gefühl, an einer Idee zu arbeiten, von der man selbst auch richtig Überzeugt ist (weil man sie musikalisch versteht und einordnen kann), bestärkt einen da ungemein.

Ein anderer Faktor ist da sicher noch der handwerkliche aspekt. Über die Jahre habe ich mir einen ziemlich sauberen und klar strukturierten Workflow angelegt, sodass ich später nicht an zig Stellen rumfrickeln muss, wenn gegen Ende hin ein Element doch nicht ganz so passt, wie ursprünglich geplant. Das macht es natürlich auch wesentlich angenehmer, an einem älteren Track mal wieder weiter zu arbeiten. Wenn man immer erst alles (also Spuren, Effekte, Automationen etc.) suchen muss, bevor man die Probleme dann auch wirklich in Angriff nehmen kann, frisst das auch ne Menge Zeit (und Ausdauer).

 

[Cruba]

Ein anderer Faktor ist da sicher noch der handwerkliche aspekt.

Ich denke, da werde ich morgen in Ruhe mal ansetzen, da wollte ich eh' ansetzen.

Bis jetzt habe ich immer in Loops gearbeitet, aber ich denke das führt zu nix - zumindest nicht bei mir. Wahrscheinlich schleicht sich so auch viel Gehörtes ein.

 

[Rektum]

Innerhalb einer Oktave gibt es 123 Quintilliarden mögliche Notenkombinationen (36 stellige Zahl).
Gibt also noch Möglichkeiten.

Und ein dicker Teil davon klingt unbrauchbar.
Es ist wirklich so: Es gibt gar nicht so viele Möglichkeiten.

 

[Cold_oszillation]

@ Rex

Das ist in der Theorie vielleicht richtig, doch in der Praxis kannst du den größten Teil davon in die Tonne kloppen. Es sei denn, du stehst auf 12 Ton Musik.
Dann ist natürlich alles möglich.

 

[Nagelabrieb]

Zuerst einmal:
Es war alles schon mal da. Unser Tonsystem kennt 12 Töne.
Wie hoch ist da die Wahrscheinlichkeit, dass es etwas noch nicht gab?

Innerhalb einer Oktave gibt es 123 Quintilliarden mögliche Notenkombinationen (36 stellige Zahl).
Gibt also noch Möglichkeiten.

Spannende Frage. Nehmen wir mal den Pachelbelkanon. Wenn man sich die Noten des Orginals ansieht und dann all die Coverversionen auf Youtube.

Unter dem Aspekt der Notentreue würde ich sagen, die wenigsten Coverversionen dürfen den Namen Pachelbel-Kanon tragen. Sieht man das mit der Notentreue nicht so streng, stellt sich die Frage, wann kann man noch von dem Pachelbelkanon sprechen und wann erzeugt die Coverversion nur noch eine Assoziation.

Die Frage ist, ist etwas wirklich das gleiche, wenn es als gleiches erscheint?

 

[Cruba]

Collins hat sich nen #### geärgert als er 1999 von Prince hörte und sagt, hätte er es vorher gewußt, hätte er Sussudio nicht veröffentlichet - wenn ich mich richtig erinnere. Da sitzen nun 2 die einen kompletten Song haben der glech klingt und ich hab' ja nur Bammel bei Akkorden und som Zeug.

Also the dangerous ist given!