Compressor: die Sinnhaftigkeit/Sinnlosigkeit der Attack-Zeit Einstellung

[crayzeee]

Ich bin nach so vielen Jahren immer noch sehr irretiert davon. Denn wenn ich ein Signal in einen Lautstärke-Rahmen zwingen / halten will, aber vorne die Transienten durch höhere Attack-Zeiten durchschießen, ergibt es doch keinen Sinn. Vor allem wenn ich im Mixer-Kanal sehr laut / "heiss" drin bin. Also wenn vorne die Transienten durchschießen, wird doch insgesamt der Lautstärke-Rahmen - wenn auch nur kurzfristig - durchbrochen. Um dieses Durchbrechen zu verhindern würde für mich Attack eigentlich nur Sinn machen, wenn dieser immer nur auf 0 ms steht. Weil er nur DANN alles in einem Rahmen halten kann und nichts lautstärkemäßig durch die Schranke ausbricht/durchschießt. Denn durch ein Durchschießen kann es ja schon bei sehr "heißen" Signalen übersteuern in Extremfällen.

Wo liegt da insgesamt mein Denkfehler bzgl. des Lautstärke-Rahmens und des Durchschießens der Transienten? Oder wie seht ihr das?

 

[LKW-Fahrer]

Denn wenn ich ein Signal in einen Lautstärke-Rahmen zwingen / halten will, aber vorne die Transienten durch höhere Attack-Zeiten durchschießen, ergibt es doch keinen Sinn.

Richtig.
Für diese Aufgabe ist es das falsche Werkzeug. Dafür wurde er nie gebaut.

 

[FredTadge]

Wo liegt da insgesamt mein Denkfehler bzgl. des Lautstärke-Rahmens und des Durchschießens der Transienten? Oder wie seht ihr das?

Grundsätzlich hast du mit allem Recht, was du sagst. Allerdings unterliegst du dem Denkfehler, dass ein Kompressor nur dazu da sei, die Lautheit eines Signals zu erhöhen. Dem ist nicht so. Mit einem Kompressor kann man den Klang eines Signals erheblich verändern, siehe bspw. Expander, Transient Designer, Gate, etc. Das sind alles verschiedene Bauarten von Kompressoren.

Leg mal einen Kompressor auf eine Snare-Spur und spiel mal mit der Attack-Zeit rum. Dann wirst du sehr schnell merken, wozu das gut ist.

 

[suboptional]

siehe bspw. Expander, Transient Designer, Gate, etc. Das sind alles verschiedene Bauarten von Kompressoren.

Ich würde es eher so ausdrücken, 'das sind alles Tools zur Dynamikbearbeitung'.
Ansonsten stimme ich dir zu.

Und zu @crayzeee
Eine Standardanwendung von Attack > 0 ms ist z.B. Transienten von Drums herauszuarbeiten/zu betonen.

 

[Schlumpfpeter]

Das ist schön alles richtig was du sagst. Man muss aber auch bedenken dass ein Kompressor die Transienten teilweise runter schrauben kann, also sie dann entsprechend formt, und das er auch den durchschnittlichen Pegel angleicht. D.h. Transienten schlagen dann zwar teilweise durch, aber die lauten Anteile des Signals, außerhalb der Transitenten, werden leiser. Das Signal wird also in sich homogener, was sie Lautstärke angeht. Oder man hat einen Leveler, der wirklich nur durchschnittliche Lautstärke angleicht und gar nicht direkt auf Transienten reagiert. Hat aber alles erstmal vom Grundgedanken ehr ncihts mit Lautheit zu tun, sondern mit Signalformung.

Zum Transienten kontrollieren setze ich sehr oft den gratis kiloheartz Limiter hinter einen Kompressor. Das funktioniert ganz wudnerbar. Der Limiter ist sowieso ziemlich geil. Drei Knöpfe, klingt super (nämlich weitestgehend gar nicht) und mit etwas längerer Release dann irgendwann wie ein Kompressor.

 

[synthpark]

Der Compressor macht dann Sinn, wenn Transienten mit einem Limiter abgefangen werden, was zwar unsauber ist, aber oftmals unhörbar. Alternativ kann man mit Lookahead auch die anfänglichen Spitzen abfangen.

 

[LKW-Fahrer]

Zum Transienten kontrollieren setze ich sehr oft den gratis kiloheartz Limiter hinter einen Kompressor.

Schon mal versucht, den Limiter vor dem Kompressor zu setzen?
Dann arbeitet er viel entspannter weil er nicht mehr auf etwas reagieren muss was im Nachgang eh nicht mehr (so stark) da ist.

 

[Schlumpfpeter]

Schon mal versucht, den Limiter vor dem Kompressor zu setzen?
Dann arbeitet er viel entspannter weil er nicht mehr auf etwas reagieren muss was im Nachgang eh nicht mehr (so stark) da ist.

Kann man machen! Kommt aufs Material an und was man am Ende raus haben möcht. War nicht angesagt bei meinen letzten Einsätzen, ich kann mir aber ne Menge Szenarien vorstellen wo es sicher gut kommen würde. Ggf. dann sogar zusätzlich trotzdem noch einen dahinter setzen.

 

[synthpark]

Schon mal versucht, den Limiter vor dem Kompressor zu setzen?
Dann arbeitet er viel entspannter weil er nicht mehr auf etwas reagieren muss was im Nachgang eh nicht mehr (so stark) da ist.

Wozu soll man einen Limiter vor den Compressor setzen, wenn man den auch nach dem Compressor setzen kann?

Du würdest doch auch kein Lenkrad auf die Rücksitzbank verlegen.

 

[SilentWarrior]

Es gibt kein Richtig oder falsch.

Ist doch Material abhängig

 

[LKW-Fahrer]

Wozu soll man einen Limiter vor den Compressor setzen, wenn man den auch nach dem Compressor setzen kann?

Weil er, wenn der Sinn des Limiters ausschliesslich dafür gedacht ist die Transienten abzufangen, vor dem Kompressor mehr Sinn macht.

Wenn du mit einer Feile Material abtragen willst fängst du ja auch erst mit einer Gröberen an und gehst dann mit immer Feineren ran um am Ende eine schöne Oberfläche zu bekommen.

Diesen "Transientenlimiter" bitte nicht vergleichen mit einem Summenlimiter am Ende der Kette. Der hat eine ganz andere Funktion.
Da würde es auch überhaupt keinen Sinn machen ihn vor einem Kompressor zu routen.

 

[synthpark]

Weil er, wenn der Sinn des Limiters ausschliesslich dafür gedacht ist die Transienten abzufangen, vor dem Kompressor mehr Sinn macht.

Seh ich nicht so.

Da der Limiter Transienten abfangen kann, und da es Sinn macht, daß der Kompressor auf Transienten reagiert und schneller zumacht, erreicht man mit der Kombination Compressor-Limiter genau das gewünschte Verhalten, nämlich eine Einengung der Dynamik. Und auch nur in dieser Reihenfolge vermeidet man Zerrungen im Bass. Der Compressor zieht das langzeitliche Signal runter, damit der anschließende Limiter Bässe nicht angreift. Der wiederum kappt aber kurzzeitige Transienten, die der Compressor gar nicht abfangen kann, so dass auch optisch das Signal in einem Audioeditor schön raumgreifend wirkt.

 

[LKW-Fahrer]

...und da es Sinn macht, daß der Kompressor auf Transienten reagiert und schneller zumacht...

Das macht nur Sinn wenn man will, daß der Kompressor das Pumpen anfängt.
Wenn man diesen Effekt aber nicht haben will ist es besser die Transienten vorher zu entfernen/abzumildern.

Und auch nur in dieser Reihenfolge vermeidet man Zerrungen im Bass.

Wenn die Transiente eh kleiner ist als das folgende, tonale Signal macht ein Limiter eh keinen Sinn.

 

[synthpark]

Das macht nur Sinn wenn man will, daß der Kompressor das Pumpen anfängt.
Wenn man diesen Effekt aber nicht haben will ist es besser die Transienten vorher zu entfernen/abzumildern.


Wenn die Transiente eh kleiner ist als das folgende, tonale Signal macht ein Limiter eh keinen Sinn.

Man sollte vielleicht nochmal zu den Basics zurückkehren. Ein Compressor soll typischerweise eine Stimme ausnivellieren. Damit definiert der Compressor auch einen Arbeitspunkt, denn die durchschnittliche Lautstärke sollte hinterher weniger Schwankungen unterworfen sein.

Der Limiter,der die Spitzen abfangen soll, aber definiert keinen Arbeitspunkt. Was hab ich nun davon, wenn der Limiter vor dem Compressor in lauten Passagen die Spitzen viel stärker angreift als in leisen Passagen? Oder gar in die Sustain Phase einwirkt?

Deshalb setze ich den Compressor vor den Limiter, denn der Compressor definiert die durchschnittliche Lautstärke, so daß leise und laute Passagen ein ähnliches Processing durch den Limiter erfahren.

 

[rocking.xmas.man]

Ein Compressor soll typischerweise eine Stimme ausnivellieren.

oder ein Compressor soll die Sustainphase einer Snare hervorholen. Oder eine Kickdrum verkürzen. Oder Konsonanten aus einer Stimmaufnahme einfangen. Oder Eine Summe etwas 'mitatmen' lassen. Oder auf einer Drumsumme Transienten herausarbeiten. Oder einem Bass scharfe Anschläge bescheren.

also da gibts schon mehr als eine Möglichkeit, was ein Kompressor so machen sollen könnte

 

[Fritz]

Ich bin nach so vielen Jahren immer noch sehr irretiert davon. Denn wenn ich ein Signal in einen Lautstärke-Rahmen zwingen / halten will, aber vorne die Transienten durch höhere Attack-Zeiten durchschießen, ergibt es doch keinen Sinn. Vor allem wenn ich im Mixer-Kanal sehr laut / "heiss" drin bin. Also wenn vorne die Transienten durchschießen, wird doch insgesamt der Lautstärke-Rahmen - wenn auch nur kurzfristig - durchbrochen. Um dieses Durchbrechen zu verhindern würde für mich Attack eigentlich nur Sinn machen, wenn dieser immer nur auf 0 ms steht. Weil er nur DANN alles in einem Rahmen halten kann und nichts lautstärkemäßig durch die Schranke ausbricht/durchschießt. Denn durch ein Durchschießen kann es ja schon bei sehr "heißen" Signalen übersteuern in Extremfällen.

Wo liegt da insgesamt mein Denkfehler bzgl. des Lautstärke-Rahmens und des Durchschießens der Transienten? Oder wie seht ihr das?

Ich würde sage dein Denkfehler liegt darin dass du "Begrenzung auf Lautstärke-Rahmen" gleichsetzt mit "Signal auf einen Wertebereich beschränken".

Das ist aber mitnichten dasselbe.
Dazu muss man sich mal überlegen was eigentlich Lautstärke hier genau meinen soll - vgl. mal Begriffe Lautstärke, Lautheit und (Signal-) Pegel und vor allem wie das technisch definiert und messaber ist (oder eben nicht). Siehe zB die unterschiedlichen Zeitskalen die EBU R 128 hat für die Mittelung über die Zeit.
Kurze Transienten und Peaks etc können über die Zeit gesehen sehr wenig zu Lautstärke beitragen je nach Mittelung über die Zeit, würd ich sagen.

 

[synthpark]

also da gibts schon mehr als eine Möglichkeit, was ein Kompressor so machen sollen könnte

Ja, aber ursprünglich soll der Compressor die Dynamik einschränken.

Und ich hab nichts davon, wenn ein Limiter in den lauten Passagen, zum Beispiel wegen ungewollt variierendem Mikrofonabstand, alle Transienten killt und in den leisen nicht, so dass die leisen Passagen dynamischer klingen. Dann klingt es unnatürlich. Ist doch wirklich nicht sonderlich schwer zu verstehen.

 

[jet2]

Compressor: die Sinnhaftigkeit/Sinnlosigkeit der Attack-Zeit Einstellung

man kann den kompressor für unterschiedliche paar schuhe verwenden.
wenn man die transienten deutlicher haben möchte, muss man halt die attackzeit etwas hochschrauben...

 

[Schlumpfpeter]

Ja, aber ursprünglich soll der Compressor die Dynamik einschränken.

Und ich hab nichts davon, wenn ein Limiter in den lauten Passagen, zum Beispiel wegen ungewollt variierendem Mikrofonabstand, alle Transienten killt und in den leisen nicht, so dass die leisen Passagen dynamischer klingen. Dann klingt es unnatürlich. Ist doch wirklich nicht sonderlich schwer zu verstehen.

Das geht, wenn das Lautstärkeverhältnis zwischen lauter transiente und nachfolgendem lauten Signal immer ähnlich ist. Wenn da allerdings laute Transienten drin stecken die von relativ leisem Signal gefolgt werden oder leise Transienten, die von lautem Material gefolgt werden, ist der Nutzen nicht mehr da. Insofern wie immer, materialabhängig.

 

[LKW-Fahrer]

Man sollte vielleicht nochmal zu den Basics zurückkehren.

Sehr schön.

Ein Compressor soll typischerweise eine Stimme ausnivellieren.

Wie rocking.xmas.man schon schrieb ist das nur eine Aufgabe die ein Kompressor machen könnte.
Könnte deswegen weil das ein Kompressor allein gar nicht zufriedenstellend kann.
Ein Netzwerk an Up und Downwardkompressoren mit verschiedenen Attack und Releasezeiten, Ratio, Kennlinien und zu guter letzt einen Threshold.
Apropo Threshold:

Damit definiert der Compressor auch einen Arbeitspunkt, denn die durchschnittliche Lautstärke sollte hinterher weniger Schwankungen unterworfen sein.
Der Limiter,der die Spitzen abfangen soll, aber definiert keinen Arbeitspunkt.

Genau wie der Kompressor hat der Limiter auch einen Threshold oder auch Arbeitspunkt, Schwellenwert genannt.
Ohne den geht es nicht.
Allerdings gibt es auch die Möglichkeit die Transienten pegelunabhängig zu bearbeiten, mit einem Transienten Designer.

Was hab ich nun davon, wenn der Limiter vor dem Compressor in lauten Passagen die Spitzen viel stärker angreift als in leisen Passagen?

Transienten haben die Eigenheit, daß sie nicht unbedingt im Pegel im gleichen Masse ab oder zunehmen als der Rest des Audiomaterials. Eine leise angeschlagene Gitarrensaite hat z.B. eine, im Verhältnis, lautere Transiente als ein laut angeschlagene.
Von daher ist der Limiter wesentlich besser einstellbar als der nachfolgende Kompressor.

Oder gar in die Sustain Phase einwirkt?

Dann hat man den Limiter entweder falsch eingestellt oder für das falsche Signal verwendet.
Wie gesagt, die Transienten sollten mehr Pegel haben als der nachfolgende, tonal Teil sonst macht ein Limiter keinen Sinn.

...denn der Compressor definiert die durchschnittliche Lautstärke...

Wenn wir schon bei den Basics sind, es ist die durchschnittliche Lautheit die erreicht werden soll.