2 (oder mehr) Kompressoren hintereinander...

[JayT]

Hi,

Habe folgenden interessanten Artikel gefunden,
der meiner bisherige Vorgehensweise widerspricht:

http://www.uaudio.com/webzine/2010/february/power.html

Es geht um die Frage, welche Kompressionsart man beim Hintereinanderschalten
mehrerer Kompressoren verwendet.

Ich war bisher immer der Meinung, man sollte zuerst mit einem "langsameren" und weicheren Kompressor (als Leveller) große Dynamik-Unterschiede ausgleichen und erst dahinter schnellere Kompressoren zum Verändern der Hüllkurve bzw. Limitierung verwenden.
Begründet habe ich das bisher so, dass ein schneller Kompressor oder gar ein Limiter zu Beginn der Kette die lauten Parts stark bearbeitet, die leisen aber nur wenig bis gar nicht.
Damit würde z.B. eine Snare bei laut gespielten Parts "weicher" klingen (da der Attack weggebügelt wurde) als bei leisen Parts. Ein nachgeschalteter Transient-Designer würde in ruhigen Parts dann wieder zuviel des Guten tun....

In dem Artikel wird es (ebenfalls sehr interessant argumentiert) umgekehrt empfohlen:
Zuerst die Spitzen bzw. die Attacks unter Kontrolle bringen, damit der nachfolgende langsamere Kompressor nicht so schnell zu Pumpen anfängt.

Wie seht ihr das?
Ist die Vorgehensweise schneller Komp. -> langsamer Komp. vielleicht für Vocals ein "Geheimtipp" (Beispiel im Artikel hat mir sehr gut gefallen) ?

lg. JayT.

 

[goldendawn]

Ich hätte es bisher auch so gemacht wie du - zuerst langsamer Kompressor, dann schnellerer. Aber mittlerweile bin ich bei einem Umdenken, nicht im Umgang mit Kompression, sondern im Umgang mit Editieren/Automatisieren - wenn eine Spur bei lauten Passagen eine andere Behandlung erfordert, als in leisen (oder zB bei Snare/Bass Drum, bei schnellen Passagen im Gegensatz zu langsamen), mache ich lieber eine Extra-Spur und trenne das von vornherein, oder ich automatisiere von Hand. Unerwünscht große Dynamiksprünge will ich beim Mischen gar nicht mehr haben, das muss vorher im Griff sein. Deswegen werd ich für mich den Arbeitsschritt Editieren in Zukunft einfach wichtiger nehmen, dann werden hoffentlich solche Überlegungen mit zwei Kompressoren und vielleicht noch Tranienten Designer nicht mehr wichtig sein...

 

[classic86]

Das kommt wohl auf die Threshold-Werte an, ich mache das i.d.R. so wie im Artikel beschrieben. Wenn das Signal an ein paar Stellen unangenehme Peaks hat, kommt erst ein quasi-Limiter mit hohem Threshold-Wert drauf und dann ein "normaler" Kompressor.

 

[He-vey]

Ist die Vorgehensweise schneller Komp. -> langsamer Komp. vielleicht für Vocals ein "Geheimtipp"

Jain ...

Die klassische Kette "langsamer > schnellerer" ist unauffälliger. Starke aber fast unhörbare Kompression ist erreichbar.

Der umgekehrte Weg ist "moderner" und auffälliger – also typische Pop-Frauenstimmen die extrem nah klingen etc.


Frank


PS: Gilt für Comps.
Bei Limitern ist es eher so, dass der Limiter vor dem Comp unauffälliger als der Limiter am Ende ist. Will man also den Limiter als Effekt haben > ganz nach hinten, will man unauffällig Spitzen stutzen > ganz nach vorn.

 

[karumba]

es kommt auf das material an & welche dynamik es über den gesamten song entwickelt. schnelle kompression (oder im extremfall limiting) am anfang ist dann sinnvoll, wenn ohne dies der langsame kompressor anfängt unschön zu regeln, weil er auf diese spitzen "getriggert" wird.

 

[JayT]

Danke für die vielen hilfreichen Tipps!
Dem Hinweis auf eine Problemlösung im Editing von goldendawn kann ich nur Zustimmen.
Sehr interessanter Aspekt von He-vey, was die Auswirkung auf die Hörbarkeit/Auffälligkeit betrifft.

Geht stark in die Richtung, die mir immer mehr aufgefallen ist: Gute Kompression hängt nicht
nur von der Wahl des Kompressors und dessen Einstellungen ab, sondern ist stark von dem Abhängig, was in den Kompressor reingeschickt wird.

Ein Problem, für das ich selten bis nie eine für mich zufriedenstellende Lösung gefunden habe, ist die Kompression einer (Pop-)Akustik-Gitarre (Stahlsaiten, mit Plektrum gespielt):
- Um Pumpen zu vermeiden, muss schon sehr viel gemacht werden (Editing, mit EQ säubern,...)
- Keine Attack-Zeit scheint zufriedenstellende Ergebnisse zu liefern. Entweder klingt es unnatürlich oder die Gitarre rutscht nach hinten im Mix und wird weich.

Regelmässig probiere ich alles mögliche bis hin zur Parallel-Kompression.
Offenbar bin ich nicht der einzige:
Ich höre oft auch bei prof. Pop-Songs extrem kastrierte Akustik-Gitarren.

Habt ihr da z.b. mit Kettenschaltung von Kompressoren o.ä. schon gute Erfahrungen gemacht?
Oder verwendet ihr spezielle Kompressoren oder andere Hilfsmittel?

Danke & lg. JayT