Alle neuen Funktionen im Test
Wenn es um Software-Synthesizer geht, kommt man an Serum von xferrecords kaum vorbei. Der beliebte Wavetable-Synth hat allerdings schon über 10 Jahre auf dem Buckel, und die Konkurrenz hat in den letzten Jahren alles andere als geschlafen. Doch zur Überraschung Vieler wurde, wie aus dem Nichts Serum 2 veröffentlicht – eine moderne und verbesserte Version, vollgestopft mit neuen Funktionen und für Serum 1 Besitzer sogar komplett kostenlos!
Als Beta-Tester hatte ich über die letzten Wochen das Privileg, mich bereits ausgiebig mit Serum 2 zu beschäftigen und gebe nun mein Bestes, euch alle wichtigen Neuheiten zu präsentieren.
Die wichtigsten Daten im Überblick
- Serum 2 von xferrecords ist ein Software-Synthesizer, der mit über 600 neuen Presets und circa 1 GB Samplematerial ausgestattet ist.
- Serum 2 unterstützt neben Wavetable-, Granular- und Spektralsynthese auch Sample und Multisample Wiedergabe, inklusive SFZ Import. Es stehen bis zu drei Haupt-Oszillatoren zur Verfügung, als auch ein separater Sub- und Noise-Oszillator.
- Neben 250 Wavetables, von denen 144 brandneu sind, punktet Serum 2 mit einem umfangreichen Mixer, einem Arpeggiator, einem Clip Modul und 13 Effekten inklusive 100+ Impulsantworten.
- Die zwei Filter unterstützen über 100 verschiedene Filtertypen, mit elf Neuzugängen wie diversen Ladder Filtern, einem DJ Filter oder dem einzigartigen PZ SVF.
- Dem Synthesizer liegt zusätzlich das Serum 2 FX Plugin bei, mit dem es möglich ist, Serum 2 als Effekt zu benutzen.
Serum 2 ist als VST3, AU und AAX Plugin für sowohl Windows als auch MacOS erhältlich. Eine Standalone Version gibt es nicht, es wird also eine DAW benötigt.
Das Upgrade auf Serum 2 ist für Serum 1 Besitzer kostenlos. Der Synthesizer ist bis zum 01.06.25 noch für $189 erhältlich und kostet anschließend $249.
Die beliebtesten Fragen im Schnelldurchlauf
Ist Serum 2 wirklich ein kostenloses Update für Serum 1 Besitzer?
Ja, wer Serum 1 besitzt, bekommt Serum 2 komplett kostenlos. Wer den Synthesizer noch nicht besitzt, kann Serum 2 bis zum 1. Juni für weiterhin $189 erwerben, danach steigt der Preis auf $249.
Kann Serum 2 alte Presets von Serum 1 laden?
Ja, Serum 2 lädt problemlos alle bisherigen Serum Presets. Der Sound sollte dabei identisch sein.
Ersetzt Serum 2 das Serum 1 Plugin?
Jein. Serum 2 ist ein separates Plugin, also wird Serum 1 in alten Projekten nicht automatisch durch Serum 2 ersetzt.
Serum 2 kann allerdings alles, was Serum 1 kann, und vieles mehr, dementsprechend macht es keinen Sinn weiterhin Serum 1 zu benutzen.
Braucht Serum 2 mehr Rechenleistung?
Jein. Serum 2 läuft meiner Erfahrung nach durchschnittlich stabiler, flüssiger und sogar teilweise effizienter als Serum 1.
Allerdings ist Serum 2 insgesamt umfangreicher und mit vielen neuen Funktionen ausgestattet. Die laden dazu ein, komplexe und gigantische Presets zu erstellen, die wiederum einiges an CPU-Leistung verlangen können.
Ich habe Serum von Splice rent-to-own, bekomme ich Serum 2 trotzdem kostenlos?
Wer Serum mittels Splices rent-to-own Modell erworben hat und komplett abbezahlt hat, sollte Serum 2 im eigenen xfer Benutzerkonto finden.
Wer noch mitten im rent-to-own Zeitraum ist, kann über Splice zu Serum 2 updaten.(https://support.splice.com/en/articles/10290605-how-serum-users-can-upgrade-to-serum-2)
Altbewährt, aber noch besser!
An vielen Stellen wurden altbekannte Funktionen aufgerüstet oder erweitert, so gibt es jetzt einen dritten Oszillator und einen zweiten Filter-Slot inklusive elf neuer Filtertypen.
Je nach Routing können beide Filter separat, parallel oder in Reihe geschaltet werden.
Die Anzahl der Makro-Knöpfe wurde auf acht verdoppelt, und bei den LFOs stehen jetzt bis zu zehn Stück zur Verfügung. Hier darf man sich auch über neue LFO Modi freuen, wie zum Beispiel „Path“ oder „Chaos: Lorenz“.
Auch bei den Effekten wurde einiges aufgestockt. Bei „Bode“ handelt es sich um einen Frequency-Shifter und „Convolve“ ist ein umfangreicher Faltungshall inklusive 100+ Impulsantworten.
Für etwas allgemeinere Funktionen gibt es jetzt auch einen Utility-Effekt, der zum Beispiel die Stereobreite anpassen oder die Polarität des Signals umkehren kann.
Doch am wohl ausschlaggebendsten ist, dass Effekte nicht mehr auf eine Instanz limitiert sind. Zehn Delays und sieben Reverbs in Folge? Alles möglich!
Und apropos Reverb, neben „Plate“ und „Hall“ gibt es jetzt auch noch „Vintage“, „Nitrous“ und „Basin“ Reverb-Module. Dabei hat mich vor allem der Nitrous Reverb, der vom H3000 inspiriert wurde, mit seinem vollen und butterweichen Klang überzeugt.
Und auch der Distortion Effekt hat mit „Soft Sat.“ und „Overdrive“ ein bisschen Zuwachs bekommen, wodurch es jetzt insgesamt 18 Distortion Modi gibt.
Das steht neu auf dem Programm
Alle neuen Funktionen ausführlich zu beschreiben, würde definitiv den Rahmen sprengen, doch hier sind die wichtigsten Features im Überblick:
Vom Wavetable Synth zum Alleskönner
Neben den altbekannten Wavetables können die drei Oszillatoren jetzt auch als vier weitere Module verwendet werden: Sample, Multisample, Granular und Spectral.
„Sample“ macht dabei genau das, wonach es sich anhört. Hier kann eine Audiodatei geladen und abgespielt werden, doch mit diversen Slice-, Loop-, Unison- und Modulations-Funktionen lässt sich so einiges mit dem Sample anstellen.
„Multisample“ geht dabei noch einen Schritt weiter und ermöglicht das Importieren von SFZ Instrumenten. Dementsprechend findet man zum Beispiel auch diverse Klavier oder Streicher Sounds als Teil der Serum 2 Factory Presets.
Etwas abgefahrener geht es bei „Granular“ zugange, denn Serum 2 kann jetzt auch Granular Synthese. Dabei wird eine Audiodatei in viele kleine Stückchen geteilt und anschließend in verschiedenen Varianten abgespielt.
Und wer schon immer mal wissen wollte, wie sich ein Bild anhört, darf sich über „Spectral“ freuen. Doch hinter der Spektralsynthese steckt natürlich noch einiges mehr, denn hier werden Sounds mittels Echtzeit-Resynthese und Transientenerkennung in die Mangel genommen.
Ich mix' mir die Welt, wie sie mir gefällt
Ganz neu ist der eingebaute Mixer, und der hat es wirklich in sich. Hier können verschiedene Routings für die fünf Oszillatoren (3x Main OSC, 1x Sub-Osc, 1x Noise-Osc), Filter und Bus-Kanäle festgelegt werden.
So können zum Beispiel OSC A und der Sub-Osc zuerst durch Filter 1, dann Filter 2 und anschließend durch die Effekte geschickt werden. OSC B hat hingegen einen eigenen Bus mit separaten Effekten und überspringt die Main-FX. OSC C überspringt einfach alles und geht direkt zum Direct-Out.
Hier muss man sich zwar erst ein bisschen einarbeiten, aber die neuen Möglichkeiten sind phänomenal.
Endlich ein Arpeggiator
Ein eingebauter Arpeggiator war schon lange Wunsch vieler Serum 1 Benutzer, und das Warten hat sich gelohnt.
Das Serum 2 ARP Modul ist wirklich beeindruckend, denn mit einem simplen Arpeggio fängt es an, und plötzlich hat man zwölf selbstgebastelte Arpeggio-Abläufe, die jeweils 20 Takte lang sind und über MIDI-Out auch noch gleichzeitig andere Synthesizer ansteuern.
Wenn der Arpeggiator nicht reicht, kommen Clips ins Spiel
Von einer simplen Melodie, über Akkorde, bis hin zu ganzen Kompositionen lassen sich im Clip-Modul arrangieren. Sogar eine Record-Funktion gibt es, um Noten live einzuspielen oder aus der DAW aufzunehmen.
Zusätzlich können neben der Velocity auch beliebige andere Serum 2 Parameter automatisiert und abgespielt werden.
Und um das Ganze auf die Spitze zu treiben, können Clips und Arpeggios auch gleichzeitig aktiviert werden. Da wird die DAW ja fast überflüssig.
Preset Browser 2.0
Der Markt ist voll mit Serum Presets und das wird sich in naher Zukunft wohl auch nicht ändern. Um hier den Überblick zu bewahren, kommt der verbesserte Preset Browser wie gerufen.
Mehr Kategorien, umfangreichere Tags, eine überarbeitete Suchfunktion und sogar eine Preset-Vorschau Funktion. Dazu können Presets jetzt noch leichter als Preset-Packs importiert und exportiert werden.
Der Schlüssel zur richtigen Tonart
Etwas kleinere, aber durchaus hilfreiche Funktionen findet man bei der neuen Klaviatur, am unteren Rand des Synthesizers.
Möchte man nur bestimmte Töne spielen, hat man jetzt die Möglichkeit, eine Tonart und Skala festzulegen.
Direkt daneben findet man auch noch eine Swing-Funktion, die sich sogar mit den LFOs verbinden lässt. So laufen die LFOs passend zum Swing-Rhythmus mit – wirklich einzigartig!
Viel Kleines, aber feines!
Jetzt, wo die großen Knaller abgehakt wurden, geht es in die Details.
Split FX
Wer gerne mit Effekten experimentiert, darf sich über die neuen Splitter freuen, denn jeder Kanal (Main/Bus 1/Bus 2) kann einen Frequenz- oder Mid/Side-Splitter benutzen.
Diese ermöglichen es, Effekte zum Beispiel nur auf die tiefen Frequenzen oder das Seitensignal anzuwenden.
Kurven, Fenster und LFOs
Endlich können sich die Augen etwas entspannen, denn LFOs und Kurven dürfen jetzt in großen Fenstern editiert und bearbeitet werden. Letztere haben sogar ein extra Update bekommen, denn die Matrix Modulationskurven können jetzt vielseitiger angepasst werden.
Warp im Doppelpack
Mittels Warp konnte man bisher die Wavetable verformen oder modulieren, doch jetzt wurde jedem der drei Oszillatoren noch ein zweiter Warp spendiert, für doppelt so viel Modulationsspaß. Dazu kommen auch noch viele neue Warp Modi, wie zum Beispiel Verzerrungseffekte, Filter oder Phasedistortion-Modulation.
Und fünf kleine neue Funktionen im Schnelldurchlauf direkt hinterher
Der OSC Mapping Editor ermöglicht es, OSCs und Arpeggios auf Bereiche der Klaviatur zu beschränken. So kann man zum Beispiel OSC C nur bei Noten über G#4 hörbar machen.
Makros können nicht nur Knöpfe automatisieren, sondern auch selbst automatisiert werden. Wer also ein Makro hat, das viele coole Dinge verändert, kann mit einem LFO direkt das Makro ansteuern.
Die Hybridize Preset Funktion im neuen Preset Browser ermöglicht es, zufällige Presets miteinander zu verschmelzen. Die Ergebnisse sind dabei allerdings von eher gemischter Qualität.
LFOs nicht schnell genug? Ist ein LFO auf Hz gestellt, kann mit einem Rechtsklick auf den Rate-Knopf die 10x-Funktion aktiviert werden, was Geschwindigkeiten von bis zu 1000Hz ermöglicht.
Und mit dem neuen PZ SVF Filter kann man selbst Filter basteln und zwischen bis zu vier Filtern hin und her morphen.
Und wie ist Serum 2 jetzt?
Mir ist bewusst, dass ich als Beta-Tester vermutlich nicht ganz neutral über Serum 2 reden kann, aber ich versuche so unvoreingenommen wie möglich zu sein und halte mich insgesamt etwas kürzer.
Das Interface – ein grandioses Ungetüm
Selbst als erfahrener Serum-Experte brauchte ich einige Tage, um mich in das neue Interface einzuarbeiten. Viele Abläufe sind identisch zu Serum 1 oder sehr intuitiv gestaltet, aber die schiere Anzahl an neuen Funktionen lässt sich nicht so einfach verarbeiten. Es gibt eine Menge verschachtelter Menüs und diverse Funktionen, die sich erst durch einen Rechtsklick offenbaren.
Gerade für unerfahrene Musiker und Neueinsteiger ist das Interface wirklich überwältigend, aber ich muss sagen, ich wüsste nicht, wie man dieses Problem lösen kann.
Serum 2 ist vollgestopft mit Funktionen und die müssen halt irgendwo hin.
Es handelt sich immerhin um professionelle Software mit einer 350 Seiten langen Bedienungsanleitung, und in Anbetracht dessen kann ich das Interface, sowohl was Design als auch Struktur angeht, nur loben.
The sound of Serum
Den Klang von Serum 2 zu bewerten ist fast unmöglich, denn in puncto Synthesizer hat jeder seine ganz eigenen Vorlieben. Für alles rund um EDM, Drum & Bass, Dubstep, House, etc. war Serum schon immer ein must-have und daran hat sich auch nichts geändert.
Persönlich haben es mir vor allem die erstklassigen Reverbs und der Faltungshall angetan, aber auch das Clip Modul und die Multisample Funktion sind wahrere game-changer.
Die neuen Synthese- und Samplemethoden sind ein Traum für alle Sounddeisnger und eröffnen völlig neue Wege, Sounds zu erstellen.
Und auch wenn die mitgelieferten Factory Presets beeindruckend sind, kratzen diese gerade mal an der Oberfläche des Möglichen. Ich sehe unglaublich viel Potenzial für Serum 2, aber es wird eine Weile dauern, bis Produzenten und Sounddesigner sich in dieses Synthesizer-Ungetüm eingearbeitet haben.
Ein Überblick im Video
View: https://youtu.be/gbWpbPtMHWQ
Fazit
Serum 2 ist ein absolutes Monster, was sowohl Umfang als auch Qualität der neuen Funktionen angeht. Alles, was Serum 1 ausgezeichnet hat, wurde entweder erweitert oder verbessert, und zusätzlich hauchen die neuen Synthese- und Samplemethoden diesem Synth-Klassiker neues Leben ein.
Dazu kommen noch eindrucksvolle Neuerungen wie der Arpeggiator, das Clip-Modul, der Mixer, neue Effekte und vieles, vieles mehr.
Allerdings wird Serum 2 dadurch nicht gerade leichter zu bedienen und für viele Musiker wird es ein langer Weg sein, Serum 2 zu meistern. Doch die Mühe lohnt sich!
Wer Serum 1 besitzt, muss nicht lange überlegen, denn Serum 2 wartet bereits als kostenloses Update im xfer Benutzerkonto.
Wer sich nicht sicher ist, ob Serum 2 die richtige Wahl ist, kann entweder die Demo testen, oder das Splice rent-to-own Modell ausprobieren.
Technische Daten:
Mindestanforderung Betriebssystem: Windwos 10+ / MacOS High Sierra oder aktueller (Intel), MacOS Big Sur oder aktueller (Apple Silicon)
DAW: Alle gängigen DAWs, die 64 bit VST3, AU oder AAX unterstützen
Preis: Einführungspreis von $189 bis zum 01.06.25, danach $249
Website: https://xferrecords.com/