Wie passt man am besten die Länge eines Satzes an den Takt an?

[robotdance]

Für mich ist es das Hauptproblem beim Schreiben von Texten:

Die Sätze sind entweder zu lang oder zu kurz für einen 4-8 Takter und ich muss entweder künstlich kürzen oder wörter dazuerfinden. Das wirkt dann sperrig und icht authentisch. Wenn ein Satz sehr lang ist, kann ich ihn in Zwei teilen. Wie macht ihr das?

Hier meine Fragerunde:
Muss man ständig die Musik im Hintergrund laufen lassen um die richtige Länge zu erreichen?
Muss man beim Singen oder Rappen manche Worte strecken bzw. stauchen um die Länge künsltich zu erzeugen? Welche Methodik nutzt ihr beim Songwriting um eine proper Länge zu bekommen ohne allzu künstlich zu wirken? Kann man Taktlängen auf dem Papier irgendwie so markieren, dass man die Silben nur noch nach und nach einpassen muss und man so ohne Ausprobieren an die richtige Satzlänge kommt?

Danke für eure Hilfe!

 

[CMajor]

Muss man ständig die Musik im Hintergrund laufen lassen um die richtige Länge zu erreichen?
Muss man beim Singen oder Rappen manche Worte strecken bzw. stauchen um die Länge künsltich zu erzeugen?

Also gerade im Rap ist es durchaus sehr üblich, seine Texte "auf den Beat" zu schreiben. Das liegt u.a. daran, dass du hier deine Stimme ja gewissermaßen wie ein percussives Instrument einsetzt und deinen Flow und die Betonung ja nicht nur an den klassischen 4/4 Takt anpasst (das ist es im Übrigen immer, was man oft sehr schön hören kann, wenn Leute sich das erste Mal am Rappen versuchen), sondern den kompletten Groove mitnimmst.

Andererseits hast du im Rap natürlich auch nahezu unbegrenzte Möglichkeiten, was die Länge der Worte, die Anzahl der Silben und - oft unterschätzt - auch kleine Breaks und (Atem-)Pausen innerhalb eines Taktes, Satzes oder gar Wortes angeht. Auch Pausen können Spannung aufbauen, die Aussage beeinflussen etc.

Letztenendes kannst du hier ein und den selben Satz x-mal unterschiedlich was Rhythmik und Betonung angeht auf den selben bzw. auf unterschiedliche Instrumentals erst recht legen. Ein generelles "so oder so sollte man es machen" gibts da nicht.

Kann man Taktlängen auf dem Papier irgendwie so markieren, dass man die Silben nur noch nach und nach einpassen muss und man so ohne Ausprobieren an die richtige Satzlänge kommt?

Also wenn ich das richtig verstehe, ein "Malen-nach-Zahlen" für Songtexte? Also funktionieren würde das ja vielleicht sogar noch, aber vor dem Ergebnis graust es mir

Da hättest du vermutlich ein Resultat von "Stumpf auf die vier Schläge geschrieben" und dem Inhalt einer Google-Übersetzung Einfach, weil das (mMn) viel zu sehr einengt im Kopf. Kunst im Raster = Grenzenlose Freiheit im Kleingartenverein

 

[claux]

Die Idee ist so schlecht nicht. Du könntest dir den Beat aufschreiben, denn es ist ja bestimmt eher eine Loop? Dann dehnst du das über eine ganze Seitenzeile und versuchst den Text zu integrieren. Das Problem sehe ich darin, wenn man vielleicht kein Gefühl für die Sprachrhythmik hat und Hebungen und Senkungen, Auftakte nicht bemerkt, denn es gibt ja auch eine Metrik (regelmäßige Verse) und den bewussten Bruch davon durch Synkopen z. B.

Meistens sind Textzeilen ohnehin zu lang, Lyrik ist ja verdichtete, komprimierte Sprache - hier musst du experimentieren.

 

[robotdance]

Bei mir führt Experimentieren aus einer Mischung aus Doris Walisch und das hyperaktive Eichhörnchen auf Cola in "Ab durch die Hecke" ^^

Also ein Hin und Her, das rein gar nicht zusammenpasst. Halt künstlich ins Raster gequetscht.

 

[CMajor]

Na vielleicht hilft es dir ja was, einfach mal das Instrumental laufen zu lassen und dann erstmal eine Melodie zu summen, oder einfach in Richtung "la la la" zu singen und sie dir auszudenken, auszufeilen. Und danach dann auf eben diese (eine Rhythmik und einen Anhaltspunkt zu den ungefähren Silben hast du ja dann) zu schreiben.

Wenn du also z.B. auf ein...

Schu - bi - duuu - wap - bap - la - la - la - uuuuuh

kommst, dann hast du ja schon ein Raster für dich gefunden.

Schu - bi - duuu - wap - bap - la - la - la - uuuuuh

Wie - du - siehst - ist - es - gar - nicht - so - schweeer

Nur mal zur Verdeutlichung. Ich weiß nicht, ob es dir hilft, aber vielleicht ist es ja ein Ansatz für dich.

 

[Mike3000]

Bei mir ist es so, dass beim Schreiben der Rhythmus "im Kopf" immer weiter laufen muss.

Du kannst dir natürlich eine Art Raster aufs Papier machen - mich würde das eher stören.

Du hast 1/4, 1/8, 1/16-Noten und wenn du willst sogar Triolen, du kannst synkopieren, Silben verkürzen, Sätze kreativ umbauen, Wörter verdoppeln, "Stottern" einbauen...

 

[xristalklang]

warum schreibst die texte nicht einfach auf den beat? oder den beat danach auf den text?

 

[Mike3000]

Die Thematik "Satz und Metrum" wird auch gerade zum Songtext "Rebellion Rebellion" dikutiert ...

https://recording.de/Community/Forum/Homerecording/Songtexte/184319/Post_2053832.html

 

[robotdance]

schweeer

da haben wir wieder das walisch, was ich eigentlich vermeiden will

Denn gut geschriebene Songtexte haben weder gestauchte noch langgezogene Silben/Worte, das fällt besonders beim Rap auf. Alles passt bestens in den Takt.

Noch eine Frage: Bei einem Tempo von 120 Bpm ist ein Satz Pi mal Daumen 3-4 Takte lang oder?

 

[CMajor]

schweeer

da haben wir wieder das walisch, was ich eigentlich vermeiden will

Denn gut geschriebene Songtexte haben weder gestauchte noch langgezogene Silben/Worte, das fällt besonders beim Rap auf. Alles passt bestens in den Takt.

Das war ja auch nur so gewählt, weil ich dir zeigen wollte, dass du da flexibel bist und ein paar Beispiele dafür in den einen Satz packen wollte.



Davon ab muss ich dir mit den lang gezogenen Silben widersprechen. Im Normalfall ist dem oft so, aber eben nur dann, wenn man es lang ziehen oder stauchen würde, einfach nur deshalb, weils sonst nicht passt. Man kann es aber durchaus auch ganz bewusst um eine Stimmung zu unterstreichen oder als Stilmittel einsetzen.
Erstes Beispiel, was mir dafür ganz spontan in den Kopf kam war "White America" von Eminem...

"So many lieeees I touchend, so much aaaanger aaaaimed (...)"

Unterstreicht in diesem Fall die Aussage des Satzes, dieses "Meine Fresse geht mir das auf die E..."-Gefühl.

 

[Mike3000]

Noch eine Frage: Bei einem Tempo von 120 Bpm ist ein Satz Pi mal Daumen 3-4 Takte lang oder?

Denk doch nicht so analytisch. Ein "Satz" kann drei oder dreißig Worte lang sein, dementsprechend zwischen ca. 5 und 90 Silben ...

PS: 90 Silben wären 30 dreisilbige Wörter - das ist vielleicht doch etwas hoch gegriffen ...

Aber als Beispiel vielleicht mal ein Asuzug aus "Ich und mein Computer":

"Zehn Stunden Arbeit.
Kein Back-Up gemacht.
Programm abgestürzt.
Computer kaputt."

... was ich als 4 Sätze verstehe.

und Blumentopf´s "Was der Handel":

"Auch wenn's ´n Weilchen glückt,
egal wie schnell du rennst,
der Alltag bleibt dir immer auf den Fersen
und du wirst sehen es dauert gar nicht lange
da geht ihr nicht mehr Hand in Hand,
sondern euch nur noch gegenseitig auf die Nerven."

...ist für mich ein Satz.

 

[artname]

Sorry, hab den Thread erst jetzt entdeckt. Du sprichst ein zentrales Thema beim Texten an: die Metrik!

Reine Theorie:

Lass uns unbedingt den abgeschlossenen Begriff "Satz" durch den offenen Begriff "Zeile" ersetzen. Anfang und Ende einer "Zeile" bestimmt im Song der Takt. Die Metrik, die Zahl der Hebungen (betont) und Senkungen (unbetont) bestimmt ebenfalls der Takt. Im Popsong (4/4 Takt) hat eine Zeile normaler Weise 4 Hebungen. Im langsameren Rap sind mindestens 6-8 Hebungen angesagt.

Die Dichter unterscheiden seit den alten Griechen Kurzzeilen und Langzeilen. Sie gingen nicht von Musik aus, sondern von der Zahl der Hebungen / Zeile. Und so definierten sie verschiedene Gedichtformen, die sich (neben den Reimformen) nur metrisch unterscheiden. So gibt es ausgesprochene kurzzeiligen Formen wie zum Beispiel die Ballade (3-4 hebig), das Sonett (5 hebig) oder den Hexameter ( 6hebig) UND NUN KOMMTS: nach meiner Erfahrungen wirkt es sich echt aus, ob man ein Thema als Langzeiler oder Kurzzeiler schreibt.

Etwas praktischer:

Das einfache deutsche Volkslied hat eine Aussage pro Takt. Nimm "Horch was kommt von draußen rein".
Im traditionellen Kunstlied erkennt man die Tendenz zur Langzeile: eine Aussage zieht sich oft über 2 Takte. Nimm beispielsweise" am Brunnen vor dem Tore".

Der heutige Schlager besteht meistens aus 4 Hebungen / Takt --> Kurzzeile.
Das langsame Standarttempo im Rap ermöglicht locker 8 Hebungen / Takt --> Langzeile.
Oder nimm "Über 7 Brücken": 6 Hebungen/ Zeile--> Langzeiler

Gerade der Rap befreit die Musik immer mehr von den uralten metrischen Fesseln der Dichter. Im Doubletime sind theoretisch 16 Hebungen / Takt möglich.

Im Popsong hat man die Möglichkeit, eine Aussage über mehrere Zeilen zu ziehen (Enjabement) . Kurz: vergiß beim Schreiben Deutschlehrer und Bandkollegen: Schwing dich empor zum superfrechen metrischen Experiment. Experimentelle Metrik ist in!

Noch praktischer

Nimm mal den Hoochie choochie man: du kannst ihn in Kurzzeilen notieren:

The gypsy woman told my mother
Before I was born
I got a boy child's coming
He's gonna be a son of a gun
He gonna make pretty womens
Jump and shout
Then the world wanna know
What this all about

Oder mit Langzeilen:

The gypsy woman told my mother before I was born
I Gott a boy child's coming he's gonna be a son of a gun
He gonna make pretty womens Jump and shout
Then the world wanna know what this all about

Der Unterschied ist klar: die Kurzzeile animiert zum Schlagzeilenstil - die Langzeile zu mehr Tiefe.

Meine Arbeitsweise:

Ich schreibe als Profi-Texter meistens auf fremde Demos. Dabei notiere ich mir den Demogesang meistens als Langzeile. Also mache aus 2 Vierhebern einen Achtheber. Das nimmt mir schon mal die Angst, lauter geniale Bildzeitungs-Headliners schreiben zu müssen. Langzeiler geraten mir generell persönlicher vom Stil! an dieser Struktur arbeite ich 2-3 Stunden, setzte auch gern mal die Melodie in Noten. NUR UM EIN GEFÜHL FÜR DEN LANGZEILER ZU bekommen.

Danach höre ich die Musik in Schleife (immer 2 Takte im Loop) und arbeite den Text von vorn bis hinten ab.

Lg

 

[morelikeme]

ich habe immer den beat schon lange in mir, der ist schon abgespeichert, dann kommt der text. oft hat man ja schon den textrhythmus dazu auch im kopf. ich nehm mein aufnahmegerät und probier verschiedene versionen aus.
auf pausen nicht vergessen.
am wichtigsten ists, dass du dabei authentisch bleibst und dir nichts extrem unnatürlich vorkommt.
aber gut ding braucht weile, oder manchmal auch nicht. da setzt man sich und schwupps ist ein ganzer song da!

 

[EarlGrey]

Denn gut geschriebene Songtexte haben weder gestauchte noch langgezogene Silben/Worte, das fällt besonders beim Rap auf. Alles passt bestens in den Takt.

Das ist nicht nur beim Rap so. Wenn man eine vorgegebene Melodie und einen vorgegebenen Rhythmus hat, muss man den Text immer so schreiben, dass die Silben und Betonungen zur Melodie und zum Takt / Rhythmus passen. Dann heißt es eben, für den Text die passenden Wörter, Formulierungen, Redewendungen zu finden, die zur Musik passen wie ein Maßanzug und trotzdem das ausdrücken, was man rüberbringen will. Wenn man einen bestimmten Textrhythmus hat / will, muss man den Text eben auch danach ausrichten. Nix stauchen oder strecken, sondern die richtigen Worte finden, die in den Rhythmus passen. Wenn ein, zwei Textzeilen nicht funktionieren, eben radikal verwerfen und stattdessen andere Textzeilen schreiben, die dann hoffentlich gut funktionieren.

Letztlich kann man wohl nur sagen, Übung macht den Meister.

 

[robotdance]

Danach höre ich die Musik in Schleife (immer 2 Takte im Loop) und arbeite den Text von vorn bis hinten ab.

Lg

Danke für deine sehr hilfreiche Antwort!

Gerade im Schlager ziehe ich meinen Hut vor den immer neuen Einfällen, den sie haben und den meist perfekten Einpassen des Textes! Da muss kein Wort gestreckt oder gestaucht werden und trotzdem ist auf jedem Schlag ein genau passendes Wort ohne Worte als Kaugummi verwenden zu müssen.

Beim Rap genau das Gegenteil, die Reime sind unsauber, die Worte mal geqeutscht, mal gezogen, gerade dieses über Bord werfen der Metrik gefällt mir nicht...

Daher bin ich auf der Suche nach dem "Schlagerweg".

 

[robotdance]

Denn gut geschriebene Songtexte haben weder gestauchte noch langgezogene Silben/Worte, das fällt besonders beim Rap auf. Alles passt bestens in den Takt.

[...] Wenn man eine vorgegebene Melodie und einen vorgegebenen Rhythmus hat, muss man den Text immer so schreiben, dass die Silben und Betonungen zur Melodie und zum Takt / Rhythmus passen. [...].

Vielen Dank für deinen Tipp, ich werde versuchen in Zukubft meine Texte in Verbund mit der Musik zu schreiben. Was aber manchmal schwer ist, weil man sein Studio ja nicht immer dabei hat....

 

[Zachmann]

Speziell bei Rappern ist mir aufgefallen: Viele ändern den Text noch an einigen Stellen, nachdem sie ihren Text eigentlich schon fertig aufgeschrieben haben. Wenn ich mir die Lyrics von manchen, "professionelleren" Rappern anschaue fällt mir häufig auf, dass sie im Studio beim Aufnehmen dann doch noch die Zeilenlängen an einigen Stellen anpassen. Dazu entfernen sie einfach hier und da einige Wörter oder fügen einige hinzu. Mir selber fällt es auch unheimlich schwer Zeilen mit zu vielen Wörtern zu verkürzen, oft leidet der Inhalt oder die Technik dadrunter, wobei hingegen das Verlängern einer Zeile sehr simple ist. Man kann sich im Übrigen auch einige Lückenfüller-Wörter merken die man je nach Bedarf einsetzt, das wäre eine Alternative zu den bereits genannten Möglichkeiten.