So ging er fort

[Teestunde]

So ging er fort

Als endlich wieder Frieden war,
da zog ich sehnsuchtskrank
tatsächlich noch ein Strümpfepaar
aus meinem Kleiderschrank.

Ich trat aus dem zerstörten Haus,
lief durch die Trümmerstadt
und sah bestimmt wie eine aus,
die’s ziemlich nötig hat.

Erschöpft sank ich auf eine Bank,
die letzte, halbwegs heil.
Da kam ein Mensch den Weg entlang,
sein Blick traf wie ein Pfeil.

Die Uniform hätt gestern noch
dem Feind ich zugezählt.
Ich wollte zögernd sein, jedoch,
ich fühlte mich erwählt.

Es folgten Monate voll Glück;
Tom hatte mich so lieb!
Nur selten dachte ich zurück,
wo denn der Gatte blieb?

Mein nagelneuer Lippenstift
war aus Amerika.
Ich malte mir in Sonntagsschrift
das schönste Lippenpaar.

Dann kam ein Brief, kaum noch erhofft,
und meine Scham war groß.
Um mir zu helfen, sagte Tom
sich zärtlich von mir los.

Den nächsten Kuss, sprach sein Gesicht,
kriegst du von deinem Mann!
So ging er fort. Ich winkte nicht.
Die Zuversicht gewann.

 

[SoulFrontier]

Gutes Thema, mir zu trivial abgehandelt.
Ist auch ein Gedicht, kein typisches Lied. Text mit Strophe und Refrain. Refrain fehlt.
Aus der Idee wäre imo mehr zu machen!

Schon alleine der Wechsel von der Vergangenheitsform in Gegenwart würde Dir Türen öffnen, durch die Du nur noch gehen musst. Andere Idee: Einen Bogen schlagen von "damals" in das "Jetzt". Nur spontane Ideen.

 

[Teestunde]

@SoulFrontier Ich wollte mich bei Gelegenheit sowieso noch mal ransetzen. Muss nur ein bisschen Zeit vergehen lassen, um Abstand zu gewinnen. Die Vergangenheit/Gegenwart Idee gefällt mir, danke.

 

[therealelfatale]

könnte mir vorstellen, dass sie auf den Brief hin loszieht um ihren Mann wiederzuholen, immerhin hat er ja einen Brief geschrieben. Dann ist auch ein zeitgemäßes female empowerment Element enthalten.

 

[Teestunde]

So ging er fort
(Fassung 2)

Als dann urplötzlich Frieden war,
zog ich, vor Sehnsucht krank,
tatsächlich noch ein Strümpfepaar
aus meinem Kleiderschrank,
trat aus dem halb zerstörten Haus,
lief durch die Trümmerstadt
und sah bestimmt wie eine aus,
die’s ziemlich nötig hat.

Noch heut hör ich mein Herz von damals lärmen
und fühle, wie’s an Käfigstangen schlägt.
Noch heut kann ich mich an den Träumen wärmen,
die schuldbewusst ich aus der Hand gelegt.

Erschöpft sank ich auf eine Bank,
die letzte halbwegs heil.
Da kam ein Mann den Weg entlang,
sein Blick traf wie ein Pfeil.
Die Uniform hätt gestern noch
dem Feind ich zugezählt.
Ich wollte zögernd sein, jedoch –
ich fühlte mich erwählt.

Noch heut hör ich mein Herz von damals lärmen…

Es folgten Monate voll Glück;
Tom hatte mich so lieb!
Nur selten dachte ich zurück,
wo denn der Gatte blieb?
Mein nagelneuer Lippenstift
war aus Amerika.
Ich malte mir in Sonntagsschrift
das schönste Lippenpaar.

Noch heut hör ich mein Herz von damals lärmen…

Dann kam ein Brief, kaum noch erhofft,
und meine Scham war groß.
Um mir zu helfen, sagte Tom
sich zärtlich von mir los.
Den nächsten Kuss, sprach sein Gesicht,
kriegst du von deinem Mann!
So ging er fort. Ich winkte nicht.
Die Einsicht, sie gewann.

Noch heut hör ich mein Herz von damals lärmen…

 

[Teestunde]

könnte mir vorstellen, dass sie auf den Brief hin loszieht um ihren Mann wiederzuholen,

Das ist (mir) insgesamt zuviel. Mir geht es vor allem um die noble Geste von Tom, der sie nicht überredet, mit ihm nach Amerika zu gehen, sondern sie liebevoll loslässt. Aber danke fürs Mitmachen!

 

[mWermut]

Kleine wahre Geschichte, wie es mir von damals erzählt wurde.

Mein Opa geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft. Meine Oma hatte vier Kinder durchzubekommen und beherbergte für ein wenig dazu, immer wieder ausgebombte, vertriebene und sonstwie angespülte, äh, Männer. Genutzt wurde mitunter die freie Seite des Ehebetts. Das war von meinen Großelern auch so vereinbart, ebenso ein Erkennungszeichen, wenn er zurück ist. Es war mehr als zwei Jahren nach Kriegsende, dass sie plötzlich aufsprang, als ein Pfiff ertönte, rannte vor das Haus und begrüßte ihn stürmisch. Danach wurde das Eheleben wieder aufgenommen.

Schwierige Zeiten.

 

[Teestunde]

Schwierige Zeiten.

Ja. Und bald wird man kaum noch etwas darüber wissen, wenn keine Geschichten erzählt werden.