Wie bekommt man es hin, dass die Instrumente im Mix förmlich um einen herumschweben, bzw. verortet werden können und man das Gefühl hat, mitten in dem Raum zu stehen? Ich dachte zumindest, dass sich das mit einem Reverb lösen ließe, aber vielleicht reicht da auch ein geschickt eingesetztes Delay.
Hi
@oiseau, spannende Frage, wo ich selbst seit Jahren nach Antworten suche. Da könnte man inzwischen ein meterlanges Tutorial zu schreiben, aber ich versuchs mal kurz und knapp:
Es geht um die gesamte Verarbeitung der gesamten Musik eines Tracks, nicht der Reverb allein ist entscheidend für die Erstellung der "Illusion" einer 3D-haften Räumlichkeit. Dazu wird für dieses Vorhaben oft nicht nur Reverb eingesetzt, sondern dieser wird mit allerlei Zeugs angereichert um ...zum einen Bewegung in den Reverb zu bringen und zum anderen den Reverb im Vergleich zum Sound des ausgehenden trockenen Signals zu verändern , damit mehr Seperation zwischen beiden Signalen entsteht. Ein Grund dafür ist auch, das trockene Signal nicht zu sehr mit Reverb zu verwaschen. Das kann mit unbehandelten Reverbs ziemlich schnell passieren, je nach Reverb Model/Plugin. Es gibt aber auch einige wenige Ausnahmen bei Reverbs, die ohne Schnickschnack ausreichend Seperation selbst bei viel Reverb erzeugen und den 3D haften Vibe schon natura mitbringen, wie z.B. das M7 von Bricasti. Das Ding würde ich mir $ bedingt nicht in die Hütte holen, aber anhand der Demos auf YT kann man sich die Idee dahinter abgucken. Kopfhörer druff, eine Vocal Demo mit Bricasti m7 ziehen und genau hinhören was geht.
Das lässt sich einigermaßen kopieren.
Zurück zur Musik ohne Reverb, da sollte die Tiefenstaffelung auf Frequenzbasis, Dynamik, Stereobreite und Verteilung im Panorama stimmig sein. Eine gewisse Gleichmäßigkeit der Stereo Lautheitsverhältnisse kann ebenfalls dazu beitragen, die 3D Illusion am Ende einfacher zu gestalten, also die linke und rechte Seite ähnlich laut halten und dabei besonders die Dymamik auf beiden Seiten im Blick bzw. Ohr zu haben.
Ist die Musik im Sack, ist es einfacher, mit Reverbs und darauf eingesetzte Techniken eine Wunsch-Räumlichkeit zu basteln.
Als kleines Beispiel:
1. Allen trockenen Signalen einen kleinen Raum verpassen, der entweder ziemlich gut hörbar oder kaum hörbar ist je nach Geschmack, Tiefenstaffelung oder was auch immer. Das ist permanentes Finetuning, welches bis zum Finish eines Mixes andauern kann.
Modifikation dieses Raums oder, wie erwecke ich den Raum zum Leben:
* Du kannst VOR das Reverb Plugin einen Stereo Delay schalten, der dem Signal sowohl auf links und rechts Delays hinzufügt. Sehr kurze Delays in einem kurzen Feedback mit unterscheidlichen Zeiten relativ zu BPM, z.b. links 32tel und rechts 16tel. Diese können Solo durchaus hörbar sein, mit der restlichen Musik aber nicht mehr. ( sei denn, du möchtest hörbare FX ).
Wichtig ist, nur einen Teil des Sounds mit Delays zu versehen, also den Mix Regler des Delay Plugins ~ unter 50% halten.
Das ganze erzeugt eine Art (zusätzlicher) Early Reflections und macht den Raum breiter. Erstes Leben kommt in die Hütte!
* NACH Reverb-Plugin kann das Ganze im Sound verändert werden über a) Zerre/saturation und b) Modulation. Chorus z.B. bringt gut Bewegung in einen Reverb, aber auch andere Modulation. Pitch Shifting um einen kleinen Wert nach oben oder unten bringt auch Wunder bei der Seperation. Also einen Pitch Shifter dahinter schalten kann ebenfalls sinnvoll sein.
* zum Reverb selbst: Mit Pre-Delay kann man hier ein wenig experimentieren, muss aber nicht. Wenn, dann nur sehr kurze pre delays( bis 5ms ), weil es hier weniger um die Abbildung von Sound in der Tiefe und Tiefenstaffelung geht. Das trockene Instrument soll just Raum bekommen.
Als Algorithmus kann man einen Raum oder eine Chamber nehmen.
2. Erzeugen einer "Wall".
Jedes Instrument hat jetzt Raum. Dann kann man schauen, was dahinter passieren soll. Denn ohne etwas hinterm Raum wird es schwieriger mit einer 3D Räumlichkeit.
Da kann man unterschiedliche Dinge machen, z.B. einen einfachen Slap Delay ohne Feedback auf 16tel setzen, Lautstärken anpassen in Relation zu den Fronträumen setzen und fertig. So, dass Räume und Slap Delay wie aus einem Guß klingen.
Oder einen ausgeklügelten Reverb basteln, der sich langsam aufbaut und die Tail besonders gut hervorheben kann. Das wäre dann in deinem Fall z.B. eine Jazz Chamber, die sich mehr oder weniger nach den Räumen aus 1. entfaltet.
Diese Wand kannst du mit bestimmten Reverbs auch so gestalten, dass es jazzig dumpf klingt. Das bringt zum einen ein guter Jazz Reverb natura mit. Es gibt aber auch Einstellungen, die den Effekt verstärken, dass z.B. die Höhen mit der Dauer des Reverbs abnehmen.
Wichtig ist halt, dass der Reverb eher ab Mitte bzw. zum Ende seiner Ablaufzeit zu seiner Stärke finden sollte. Einen langsamen Aufbau kannst du mit unterschiedlichen Einstellungen hinbekommen: größerer Pre-Delay(60-120ms) oder Slope, Spread oder Attack, je nachdem, was man bei seinem Reverb an Einstellungen finden kann.
Modifikation:
Im Prinzip wie bei 1., nur dass hier durchaus auch NACH dem Reverb ein Stereo Delay gesetzt werden kann, um die Tail weiter zu verstärken, nebenbei alles breiter und lebendiger zu gestalten. Dazu mit angepassten Einstellungen, längeren Delayzeiten relativ zu BPM und längerem Feedback, angemessen zur Dauer des Reverbs. Auch hier wieder wichtig, dass der Delay Solo durchaus hörbar sein darf, nur nicht innerhalb des Gesamtgeschehens. Ich fahre hier immer ganz gut mit einem Mixanteil des Delays von ca. 30%.
Pitch shifting könnte man in die andere Richtung pitchen als die Räume aus 1., Saturation eventuell mit einem anderen Algorithmus für Saturation( tape statt tube?). Mehr Seperation halt. Nur Vorsicht, es kann auch Gründe geben, die Reverbs homogener zu halten. Also da muss man einfach von Track zu Track und Vorhaben testen.
Reverb Algorithmus: Chamber, Hall oder Plate
3. Erzeugen einer "Hall":
Eine dritte Ebene könnte man auch noch dazu klatschen, die dann je nach Genre und sonstigen Anforderungen mehr oder weniger hinzugefügt wird.
Nicht, dass darüber immer mit einem Effekt der überdimensionalen Superhalle zu rechnen ist, nein eher eine Verstärkung der Tiefe. Einfach mehr "depth", die oft kaum hörbar ist und trotzdem den Track insgesamt geräumiger und luftiger erscheinen lässt.
Bei Klassik oder so kann man das aber auch lauter gestalten, dass am Ende die riesige Classical Hall überragend ist.
Modifikation: wie 2.
Reverb Algorithmus: Hall, RHall, Plate
Jau, wenn dir das zu hart ist fürn Anfang, kannst du ja mal eine PM schreiben. Eventuell kann ich die Infos noch weiter quetschen/vereinfachen.
Danke für die schnelle Antwort und vor allem für Eure Mix-Varianten. 
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