@Spacerider:
Na da sitzen wir beide wohl in einem Boot. Ich habe größtenteils exakt die gleichen Probleme wie Du und auch meine Ausstattung (SP-C1, VTB1, Computer für Recording) ist ähnlich zu Deinem. Einzig mein Aufnahmeraum hat nur einen wirklich sehr kleinen Raumpegel, da der Raum nicht rechteckig ist und rundum mit Noppenschaumstoff ausgekleidet ist.
Es sind derzeit meine ersten eigenen Erfahrungen, die ich mit Gesangsaufnahmen mache und vielleicht hilft es, wenn ich hier etwas dazu schreibe.
Ich habe auch das Problem, dass der Gesang entweder zu trocken ist oder zu weit hinten liegt. Oftmals hört es sich ein wenig so nach Karaoke Gesang an, sitzt also irgendwie nicht richtig im Mix. Klingt wie aufgesetzt und man hört einfach sofort, dass es eine Hobbyproduktion ist.
Nun, an diesen Problemen sitze ich nun schon einige Stunden rum und habe schon sehr viel versucht und ich glaube meine ersten Fortschritte zu erkennen.
Das wichtigste was ich gemerkt habe ist, dass es oftmals gar nicht nur die schlechte oder falsch eingestellte Technik ist, sondern das Problem schon ganz am Anfang der Kette liegt.
Ich habe inzwischen zu einem kurzen Part schon über 50 Takes aufgenommen und probegehört und mich so immer ein wenig in der Gesangstechnik selbst verbessert. Diese Übung beim Singen hat eigentlich schon den Großteil einer Qualitätsverbesserung gebracht.
Wichtig war auch die optimale Entfernung zum Mikrofon herauszufinden. Solltest Du keinen Popkiller haben empfehle ich Dir unbedingt einen, denn ein solcher vermindert nicht nur Poplaute sondern hilft auch die Entfernung zum Mikrofon einzustellen. Versuch mal einfach viele Takes hintereinander mit verschiedenen Entfernungen einzusingen.
Gerade Großmembrankondenser haben ganz unterschiedliche Klangfarben bei unterschiedlichen Entfernungen und Einsprechwinkel. Hier ist experimentieren angesagt, lerne das Mikrofon kennen.
Ein weiterer Punkt, der bei mir eine tragende Rolle gespielt hat, war die Röhrensättigung des Preamps. Anfang hatte ich da zuviel drauf und der Klang war dann zu weich. Hast Du einen Preamp mit Röhre, dann unbedingt auch damit experimentieren.
Zum Thema Kompressor. Da habe ich eine leicht veränderte Preseteinstellung meiner Creamware SFP Compressor. Dabei ist ein Treshhold von etwa -23db, ein Ratio von 2:1, Attack von ca. 100ms und Release steht auf 500.
Eine gewisse Kompression beim Gesang ist auf jeden Fall nötig, aber wenn man eine einigermassen gute Grundeinstellung hat ändert sich die Klangqualität bei kleineren Änderungen nicht mehr sehr massgebend.
Bei zu starker Kompression wird der Klang etwas unnatürlich, was sich bei einigen Vokalen und Konsonanten dann störend bemerkbar macht. Daher auch nie zu viel komprimieren.
Bei der Aussteuerung des Signals nicht bis an die Spitze fahren (Clipping!), sondern ruhig etwas Headroom lassen. Aber auch nicht mit zu geringem Pegel aufnehmen.
Zum Chorus. Habe ich mehrfach versucht und nie eine zufriedenstellende Einstellung gefunden. Wenn Chorus, dann nur sehr wenig. Ich dopple lieber die Stimme indem ich 2 oder mehrfach einsinge und dann mit Pegel und Pan spiele.
Hall. Mit dem Reverb verändert man natürlich viel vom Klangbild. Bei zuviel Hall hört es sich nach großer Festhalle an und bei kleinem Hall dann auch mal schnell nach Badezimmergesang.
Ich habe in meinem Repertoire so ca. 6 verschiedene Hallplugins, von meinem Waves Bundle bis hin zum DSP basierten Creamware Hall und dem neuen Lexicon Pantheon von Sonar, welcher dann auch erstmal das Rennen machte.
Ich mir einfach mal die jeweiligen Presets der Reverbplugins für Vocals angeschaut und seltsamerweise waren die alle sehr sehr unterschiedlich. Richtig brauchbar war überhaupt kein Preset.
Im Prinzip musst Du erreichen, dass ein Hall vorhanden ist, aber nicht zu sehr hörbar ist und nur etwa soviel Halltiefe hat wie Dein Instrumental.
Als wichtiger Parameter hat sich der Predelay herausgestellt. Damit kannst Du erreichen, dass der Hall nicht gleich ganz vorne auf der Stimme draufliegt, sondern verzögert einsetzt. Damit bleibt die Stimmt für den ersten Eindruck vorne und verhallt dann nach der Predelay Zeit nach hinten und gewinnt so an Tiefe.
Wie tief der Hallraum ist richtet sich nach dem Musikstil. Ich mache gerade ein Weihnachtspopstück mit moderatem 90er Tempo und verwende daher eine schon längere Hallfahne. Dies ist natürlich von Musikstück zu Musikstück anders, was auch schon wieder dafür spricht, dass Hallpresets nicht funktionieren können.
Am besten den Hall auf einen Bus-Send bzw. Aux legen, da man dann mittels Send- und Returnpegel der Vocalspur(en) sehr gut den Hallanteil steuern kann.
Was ich zudem noch eingesetzt habe ist ein leichtes Delay. Dieses darf nicht zu sehr hörbar sein, sondern am besten nur bei Betonungen im Gesang etwas stärker auftreten.
Am besten ein dem Songtempo snychronisierter Hall. Ich habe den 2-Tap von Waves verwendet, der ist sehr gut, weil man die Taps auch im Stereobild pannen kann und somit etwas Stereobreite in den Gesang mit reinbringt.
Hat man eine einigermassen gute Einzelvocalspur, kann man anfangen mit so Sachen wie Doppeln um so den Gesang noch fetter zu machen.
Soweit so gut. Mit diesen Tips habe zwar auch ich selbst noch kein wirklich optimales Ergebnis hinbekommen, aber ich habe eine deutliche Verbesserung bewirkt.
Zu guter letzt habe ich gemerkt, dass "Erfahrung" das überhaupt wichtigste ist. Nicht nur gesangliche Erfahrung sondern auch mit dem Equipment. Lerne Deine Komponenten kennen. Es dauert halt seine Zeit.
In meinem Fall habe ich leider nur noch weniger als 2 Wochen Zeit, denn mein Weihnachtssong soll dieses Weihnachten fertig werden und nicht erst nächstes.
Schöne Grüße,
Organix