Der Deutsche Wald

[Andaraginga]

Für mich Neuland: Große Zeitspanne, externer Akteur, viele Verweise, Andeutungen und Teilgeschichten

Im Idealfall ist es eine gut fortlaufende Geschichte mit Details zum Entdecken.
Im Schlechtfall klappt es nicht, irritiert, verstört, langweilt.

Was bleibt hängen? Wo stolpert man?
Eindrücke? Meinungen? Überraschungen?



Der Deutsche Wald

Tief im Herzen unsrer Seelen
Wollen wir uns doch stets quälen
Durch lange Nacht im Kreis sich winden
Um schließlich doch zu uns zu finden

Irgendwann…Irgendwo...Irgendwie…

Im Deutschen Wald
Vom Heldenmord zum Sehnsuchtsort
Der Deutsche Wald
Kompass, Zeitgeist, Zeitenwende
Steuerrad für Herz und Hände
Der Deutsche Wald

Wo Drachentöter sich zum Brunnen neigten
Wo Barbaren sich zum Angriff reihten
Vom Terrain, das im Kampf ein Schutzwall war
Zum Symbol für das Wilde wie es früher war

Der Deutsche Wald
Zwischen Eichenlaub und Kohlenstaub
Der Deutsche Wald
Verklärt, verschmutzt, Versammlungsort
Beliebt, benutzt, zum Begräbnis dort
Quell der Freude
Trost der Seelen
Hat so vieles zu erzählen
Und lebt doch fort


Nicht in bunten Blumengärten
Will ich Zahl und Maß der Welt bewerten
Nicht an endlos langen (goldenen) Stränden
Jedes Sandkorn in den Fingern wenden
Vielleicht noch will ich Berge steigen
Doch nur um dann den Blick zu neigen
auf den...

Deutschen Wald

Nicht gezähmt in Baum-Chausseen
Nicht in Reih und Glied in Park-Alleen
Nicht gerodet, licht und abgebrannt
Sondern dunkel, kalt und unbekannt

So will er sein

Ein Ort von Hexen, Drachen, Dramen
Hunger, Nahrung und Gefahren
Ruhe und Betörung
Besinnung und Zerstörung

Die Klänge des Chores der unentwegt singt
Das ewige Rauschen der Blätter im Wind

Der Deutsche Wald
Vom Minenfeld zum Leinwandheld
Der Deutsche Wald
Nicht besiegt vom Dreck der vom Himmel fiel
Nicht zerstört von Stürmen die durch Wipfel ziehen
Viel gepriesen, oft besungen
Geliebt, getrieben, ausgewrungen
Der Deutsche Wald

Der Deutsche Wald

 

[micheronfire]

Gefällt mir gut Kann ich mir direkt musikalisch was vorstellen. Halt so mittelalterlich angehaucht.. Hast du vor, das zu vertonen?

 

[Turquoise]

Der Wald als Projektionsfläche, um etwas über "uns" auszusagen, ist eine gute Idee.

Hie und da finde ich die Ausformulierung etwas unrund - aber das kann auch täuschen, falls es schon Musik dazu gibt und der Text darauf geschrieben ist.

Interessant ist der Einstieg. Du beginnst nicht mit dem Wald, sondern mit der den Deutschen nachgesagten Neigung zur inneren Selbstzerfleischung. Wenn das quasi der Prolog ist, wenn es das ist, was Du dem Ganzen voranstellst, dann scheint es fas so, als soll alles, was danach kommt nur eine Ausformulierung dieses Einstiegs sein.
Ist das so? Der Wald als Sinnbild für die "Deutsche Seele"?

Wenn ja - mir gefällt die Idee.

 

[Teestunde]

Da stecken gute Ideen drin, teilweise musste ich richtig lachen. Wenn man sich das als Kabarettnummer vorstellt, vorgetragen vom Helden Siegfried aus der Rückschau - da könnte was draus werden.

Tief im Herzen unsrer Seelen
Wollen wir uns doch stets quälen
Durch lange Nacht im Kreis sich winden
Um schließlich doch zu uns zu finden

Müsste es nicht heißen: durch lange Nacht im Kreis UNS winden - ?

 

[SoulFrontier]

Ich finde den Text prima! Kann das musikalisch umgesetzt werden oder wird es?

 

[Andaraginga]

Schöne Rückmeldungen, freut mich.

Gefällt mir gut Kann ich mir direkt musikalisch was vorstellen. Halt so mittelalterlich angehaucht.. Hast du vor, das zu vertonen?

Es gibt noch keinen konkreten Plan. Der Text ist relativ schnell entstanden (innerhalb einer Woche) und hat sich so ergeben aus meinem Interesse am Thema.

Der Wald als Projektionsfläche, um etwas über "uns" auszusagen, ist eine gute Idee.

Interessant ist der Einstieg. Du beginnst nicht mit dem Wald, sondern mit der den Deutschen nachgesagten Neigung zur inneren Selbstzerfleischung. Wenn das quasi der Prolog ist, wenn es das ist, was Du dem Ganzen voranstellst, dann scheint es fas so, als soll alles, was danach kommt nur eine Ausformulierung dieses Einstiegs sein.
Ist das so? Der Wald als Sinnbild für die "Deutsche Seele"?

Wenn ja - mir gefällt die Idee.

Deine Beschreibung trifft es genau. Das ist allerdings nicht meine Idee. "Deutscher Wald" scheint ein etablierter Begriff zu sein für eben genau dieses kulturgeschichtliche Phänomen.

Wikipedia steigt ein mit:
"Der Deutsche Wald wurde als Metapher und Sehnsuchtslandschaft seit Anfang des 19. Jahrhunderts in Gedichten, Märchen und Sagen der Romantik beschrieben und überhöht. Historische und volkskundliche Abhandlungen erklärten ihn zum Sinnbild germanisch-deutscher Art und Kultur (...). Dabei wurde auch auf historische oder sagenhafte Ereignisse in deutschen Wäldern Bezug genommen, so auf Tacitus’ Beschreibung der Schlacht im Teutoburger Wald oder auch auf die Naturmystik des zum deutschen Nationalmythos stilisierten Nibelungenliedes (...)"

Das und alles damit Zusammenhängende wiederzugeben, stell ich mir sehr schwer vor. Der Einstieg ist mein Versuch anzuzeigen, wo es hingehen soll.

Hie und da finde ich die Ausformulierung etwas unrund - aber das kann auch täuschen, falls es schon Musik dazu gibt und der Text darauf geschrieben ist.

Sag mal konkret, welche Stellen, dir nicht so gefallen.
Ich hab selber welche, kann aber gar nicht einschätzen, wie andere das empfinden bzw. bin in Diskussionen immer wieder überrascht, wie sehr meine Wahrnehmung von der anderer abweicht.

Da stecken gute Ideen drin, teilweise musste ich richtig lachen. Wenn man sich das als Kabarettnummer vorstellt, vorgetragen vom Helden Siegfried aus der Rückschau - da könnte was draus werden.

Nanana, klingt erstmal unvorteilhaft. Passt aber schon.
Viele Passagen sind ziemlich theatralisch formuliert. Da darf Überhöhung und Verklärung auch mit einem Augenzwinkern rüberkommen.

Müsste es nicht heißen: durch lange Nacht im Kreis UNS winden - ?

Genau das hab ich mich auch gefragt. Ich glaube ja, wegen der Verknüpfung mit der vorhergehenden Zeile. Dann wär halt zweimal "uns", vielleicht hat mich das insgeheim gestört.

Ich finde den Text prima! Kann das musikalisch umgesetzt werden oder wird es?

Falls es jemand probieren möchte, gerne!

 

[Turquoise]

"Deutscher Wald" scheint ein etablierter Begriff zu sein für eben genau dieses kulturgeschichtliche Phänomen.

kleine Anekdote:

Mein Opa wollte seinerzeit (müsste so Anfang der 1930er Jahre gewesen sein) Förster werden. Auf der Forsthochschule haben sie ihn wegen Kurzsichtigkeit abgelehnt, weil ein Förster auch schießen können musste und er das mit Brille ihrer Meinung nach nicht konnte. Was ihn sehr enttäuschte. Sein Lebenstraum zerplatzt, weswegen er - quasi um es "denen" nachträglich zu zeigen (und sich selbst zu beweisen?) - im 2. Weltkrieg zu den Scharfschützen ging. Nach dem Krieg war er dann schweigsam, mürrisch und von Alpträumen geplagt... Das Gewehr bezeichnete er einmal als "böses Ding". Nun ja, das ist eine andere Geschichte...

Sein Traum vom Beruf im Wald hat er jedenfalls ein klein wenig weiter geträumt, indem er sich die damals verfügbare Literatur zulegte. Von Brehms Tierleben über Otto Schmeils Zoologie und Botanik fand ich als Kind in seinem Bücherregal auch Das Weidwerk in Bildern (Herczeg) sowie Carl W. Neumanns Das Buch vom deutschen Wald.

Habe da also eine gewisse Vorprägung. Auch mein Text "Jäger & Beute" ist vermutlich davon beeinflusst.

Sag mal konkret, welche Stellen, dir nicht so gefallen.

- im Herzen unsrer Seelen scheint mir ein wenig doppelt gemoppelt, so als würde man sagen in den Augen ihres Gesichts; vielleicht -> Thema Wald -> "tief im Dunkel uns'rer Seele" ? ? ?
- warum "doch"? (stets quälen) Was wurde zuvor gesagt, auf das sich dieses doch bezieht?
- die Zeilen mehrerer Strophen haben eine sehr ungleichmäßige Metrik; es würde z.B. helfen, "Drachentöter" durch "Helden" zu ersetzen (aber ich weiß, Drachentöter ist schöner...)
- Zeilen wie "Zum Symbol für das Wilde wie es früher war", klingen unausgefeilt; da geht noch viel, z.B. "Bild des ungezähmten Ursprungs"

Ich will jetzt nicht auf alles eingehen, da müsste man den Text wirklcih einmal Zeile für Zeile durchsehen; aber dafür fehlt mir gerade die Zeit. Es ist eh Deine Entscheidung. Schön, dass die Idee erst einmal im Raum steht.

 

[Andaraginga]

- im Herzen unsrer Seelen scheint mir ein wenig doppelt gemoppelt, so als würde man sagen in den Augen ihres Gesichts; vielleicht -> Thema Wald -> "tief im Dunkel uns'rer Seele" ? ? ?
- warum "doch"? (stets quälen) Was wurde zuvor gesagt, auf das sich dieses doch bezieht?
- die Zeilen mehrerer Strophen haben eine sehr ungleichmäßige Metrik; es würde z.B. helfen, "Drachentöter" durch "Helden" zu ersetzen (aber ich weiß, Drachentöter ist schöner...)
- Zeilen wie "Zum Symbol für das Wilde wie es früher war", klingen unausgefeilt; da geht noch viel, z.B. "Bild des ungezähmten Ursprungs"

Gute Punkte. 1 bis 3 hatte ich selber im Hinterkopf, war mir aber nicht sicher, ob das vielleicht gar nicht auffällt.
1 hat so was von einem zu sehr gewollten Versuch das Ganze noch "tiefer" zu machen. Das stattdessen mit "Dunkel" zu kombinieren, find ich gut, weil das eine andere Ebene ist.
2 ist für mich ein Modalpartikel. Ich empfinde das "doch" als "tatsächlich", "entgegen dem eigentlich zu Erwartenden". Unschön dass es zwei Zeilen später noch mal kommt.
3: Einige eigentlich gleiche Stellen haben unterschiedliche Silbenzahl. Da hab ich das Vorambringen von Inhalt über das Einhalten der Form gestellt. Für mich beim Durchgehen schien es noch zu passen. Mal sehen.
4 fand ich bisher nicht schlecht, gerade weil es (zur Abwechslung) mal eine normale alltägliche Formulierung ist.

 

[mWermut]

hi @Andaraginga,

fortlaufende Geschichte mit Details zum Entdecken.

..Details entdecken, Erinnerungen wecken.. Ja! Walderlebnisse - die (angedeutete) Beerdigung, schwedische Pfifferlingswälder, tschechisches dralles Grün..speziell deutsches? Für mich eigentlich nicht..

..eine Geschichte ist es eigentlich nicht, die könnte man erzählen..eher eine Sammlung sich nicht entwickelnder Schnipsel..

..irgendwie funktioniert es trotzdem..

Danke und viele Grüße, m

 

[Andaraginga]

..eine Geschichte ist es eigentlich nicht, die könnte man erzählen..eher eine Sammlung sich nicht entwickelnder Schnipsel..

..irgendwie funktioniert es trotzdem..

Auch Danke. "Fortlaufende Geschichte" war missverständlich von mir. Tatsächlich ist es nicht chronologisch und vermischt ja vieles, Nibelungen, Varusschlacht, Waldsterben, Hänsel und Gretel.

Was ich wollte war, dass der Text einen "Flow" hat, einen Spannungsbogen, der funktioniert.
Der Einstieg ist inhaltlich anders, so wie von Turquoise beschrieben. Refrain und Strophen funktionieren unterschiedlich. Der Refrain wirft mit Stichworten und Andeutungen um sich. Die Strophen wird konkretet. Der Teil "Nicht in...will ich" ist das Lobpreis- Interlude.

Ich hatte die einzelnen Teile ursprünglich auch in anderer Reihenfolge geschrieben.