Leipzig 88

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rho

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Wie angekündigt hier nun meine West-Antwort auf Teestundes "Der Geheimtipp".

Leipzig 88

Eine Kneipe tief im Westen
lange her, ich war noch jung
gab Dietmar Kaufmannsgarn zum Besten
denn er kam sehr viel herum

Er verstand was von Geschäften
sein guter Riecher war bekannt
neuerdings nicht nur im Westen
sondern auch im fernsten Land

er sagte
Leipzig achtundachtzig,
Sozialismus, doch man macht sich
da nichts vor

Die Messe, die Weiber, der billige Suff
Das ganze Land ist ein Wrack
Nicht mehr lange und wir kaufen den Puff
Zur Mitte, zur Titte, zum Sack!

Er winkte dem Wirt, denn er hatte Durst
sprach weiter und meinte dann mich
mit ein paar Mark West wärst selbst du da der Held
und kämst endlich auch mal zum Stich

Gebrauchtwagen boomen, das hat er erkannt
früher macht' er die Dinger ja flott
doch nach 10 Jahren Warten auf einen Trabant
kaufen die bald auch unseren Schrott

er sagte
Leipzig achtundachtzig,
Sozialismus, doch man macht sich
da nichts vor

Die Messe, die Weiber, der billige Suff
Das ganze Land ist ein Wrack
Nicht mehr lange und wir kaufen den Puff
Zur Mitte, zur Titte, zum Sack!

Jetzt sitz ich mit einer Kollegin zum Tee
unser Blick schweift über die Elbe
auch ohne West-Mark-Helden und Schrott
ist die Welt noch immer dieselbe
 
Gefällt mir gut Dein Text! So war das ja hunderttausendfach :)

Letzte Strophe passt dann auch und rundet das Ganze ab. Daumen hoch!
 
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Soulfrontier, echt doof, dass man hier immer nur einmal auf "Danke" klicken kann ;)
 
Ja, so ist es gewesen :) Sehr geiler Text, sehr geil, einfach geil, ja, wirklich geil, geil isser, da beisst die Maus keinen Faden ab.
 
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Daraus könnte man einen tollen On-the-Road-Song machen. Ich weiß jetzt nicht, wie diese Sparte richtig genannt wird. Erinnert mich heftig an Truck Stop mit "Rosa von der Raste".
Inhaltlich kann ich nur sagen: Hut ab! Du sagst das in einer Zeile, wofür ich wahrscheinlich ne ganze Strophe verbraten hätte. Die Stimmung kommt gut rüber. LG T.
 
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Soulfrontier, echt doof, dass man hier immer nur einmal auf "Danke" klicken kann ;)

Ja, was für ein Unterschied zum Rock'n'Roll Text :)

Dies hier ist schlüssig und imo perfekt erzählt.
 
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Soulfrontier, echt doof, dass man hier immer nur einmal auf "Danke" klicken kann ;)

Ja, was für ein Unterschied zum Rock'n'Roll Text :)

Dies hier ist schlüssig und imo perfekt erzählt.

Das ist ja auch ein linearer Song. Der R'n'R ist ein "Flächen-Song", der Aspekte aufzählt... blablub. Zu meiner Ehrenrettung, zwischen dem hier und dem R'n'R-Song liegen mindestens zwei Jahre und viel Übung.
 
Daraus könnte man einen tollen On-the-Road-Song machen. Ich weiß jetzt nicht, wie diese Sparte richtig genannt wird. Erinnert mich heftig an Truck Stop mit "Rosa von der Raste".
Inhaltlich kann ich nur sagen: Hut ab! Du sagst das in einer Zeile, wofür ich wahrscheinlich ne ganze Strophe verbraten hätte. Die Stimmung kommt gut rüber. LG T.

@ Teestunde
Eine Country-Umsetzung würde ich jetzt nicht bevorzugen, aber du hast Recht, es würde hinhauen.

Übringens danke für's Danken. Das hatte ich übersehen, als ich dich in dem anderen Thread um deine Meinung bat.
 
Na ja, hier wird aber einiges (historisch) durcheinandergewürfelt, was der Textqualität abträglich ist.


Meine Wessi-Sicht:

wir kaufen den Puff
Niemand im Westen hatte 1988 vor den Puff zu kaufen.

Fast jedem Wessi-Touri in den 80gern war zwar nach einem DDR-Trip klar (sofern er kein KP-Mitglied war), dass der Laden absolut marode und dem Untergang geweiht ist. Der Kollaps samt Zeitpunkt hat aber letztendlich jeden überrascht. Jede Regierung, jeden Geheimdienst und erst recht jeden Wirtschafts-Futzi.

Dein Gebrauchtwagenszenario kam auch erst 1990 (nach der Währungsumstellung) in Gang. (Auch die kam überraschend und war so ursprünglich nicht geplant).
Mir ist jedenfalls keiner bekannt der seinen alten Golf vorher gegen Ostmark verkauft hat.



"Suff" stimmt.
Blieb einem auch nichts anderes übrig. Es gab ja den Zwangsumtausch. Brauchbares zu kaufen gabs so gut wie nix. Also blieb einem nur übrig in Naturalien zu investieren.
Womit wir bei den Messedamen wären, die zumeist in staatstragender Funktion tätig waren. Weshalb ich Teestunde Geheimtip-Szenario (DDR-Lolita im elterlich geduldeten Privatpuff ) auch eher in der Märchen/Gerüchte/üble Nachrede-Welt ansiedeln würde. Ein normaler Wessi-Touri wäre da wohl nie aufgeschlagen.
 
Lieber Rex,

Du hast aber schon noch auf dem Schirm, das wir hier über eine künstlerische Fiktion - oder anders gesagt - über künstlerische Freiheit reden? Dass das LI ein gewisser Dietmar ist, der da sein "Kaufmannsgarn" spinnt.... so wie du hier deins?

Wenn ick mir denn schon melde: Lieber rho, der lässige Tonfall deines Textes gefällt mir gut! Die Pointe ebenfalls. Wie gehabt! :) Dein Pech, dass der Song damals kein Klassiker wurde. ;-)

Handwerklich habe ich beim Lesen leise Bedenken, ob die mehrfachen Erzählerwechsel - zwischen Erzählerstimme einerseits und indirekter sowie direkter Rede andererseits - klar genug rüber kommen. Müsste man halt hören.

Lg
 
@Rex
Dann diskutier doch über den Text und nicht über Zeitgeschichte.

1. Gebrauchtwagenszenario erst 1990: stimmt; Es einen fiktiven von der Leipziger Messe heimgekehrten Angeber-Wessi bereits 88 ahnen zu lassen, ist tatsächlich etwas kühne Hollywood-Logik gewesen. Nennen wir es mal "Semifiktionalität".

2. Der Zeitpunkt des Kollaps hat jeden überrascht: stimmt auch. Das Bochumer "Institut für Deutschlandforschung" wurde 1991 aufgelöst, weil es keinerlei Hinweise auf diese Entwicklung geliefert hatte.

3. Messedamen in Stasi-Diensten: nach West-Presseberichten dieser Zeit etc. ist es ebenfalls zutreffend, aber ohne erzählerischen Wert für MEINE Story in dem Song.

4. Die westlichen Messegäste, die daheim geprahlt haben, wie man mit ein paar West-Mark im Osten die Puppen tanzen lassen konnte, gab es. Egal, ob die vielleicht gelogen haben.
Ost-Lolita und private Prostitution, insbesondere im Umfeld der Leipziger Messe: dazu gibt historische Forschungsprojekte an Unis, die man googlen kann.

BUT WHAT'S THE F*CK?

Es soll ein Stimmungsbild und keine zeithistorische Monografie erzeugt werden. Die Strukturvorlage war übrigens "Griechischer Wein" (Udo Jürgens, Text: Michael Kunze, 1975). Das Lied ist auch keine "Sozialgeschichte der Arbeitsmigration in West-Europa".

Der Titel "Leipzig 88" ist eine Anlehnung an "Hamburg 75" von Element of Crime.

"Zur Mitte, zur Titte, zum Sack [Zack Zack]" ist eine Zitat aus dem Ruhrgebietsfilm "Jede Menge Kohle" (Adolf Winkelmann, 1979), das in den 1980ern gern in schnapsseligen Runden des tiefen Westens zitiert wurde. Im Song soll es einfach nur die ordinäre Grobschlächtigkeit eines bestimmten Sozialtypus markieren. Die großkotzige Parole "wir kaufen den Puff" ist ebenfalls in dieser Hinsicht illustrativ gemeint.

Ansonsten war der "Puff" Ende der achtziger bereits insgeheim gekauft, aber nicht etwa von ein paar Touristen. Die DDR war der Niedriglohnsektor des Westens, nur dass man die Malocher hinter der Mauer und den Mauern vom Westen aus nicht zu sehen brauchte. Praktika Kameras, alle Quelle-Produkte der Marke "Privileg" und viele "günstige" IKEA-Möbel sowie viele Textilien wurden im Osten unter fragwürdigen Bedingungen produziert und galten im Westen als Qualitätswaren für den "kleinen Mann". Der Kabarettist Volker Pispers nannte die Mauer in dieser Hinsicht eine "perfekte Membran": sie ließ die billigen Waren ins Land und die Job-Konkurrenz außen vor. So konnte West-D. ein Hochlohnland mit niedrigen Konsumpreisen sein. Wie wir alle wissen, hat sich das nach der Wende geändert.

Im Song geht es aber NUR um das diffuse Überlegenheitsgefühl des Westlers, mit ein wenig Testosteron und Alkohol gewürzt und darum, dass damals wie heute die Idioten nicht aussterben.
( ... aber auch Lichtlblicke möglich sind, wenn man mit der Kollegin zum Tee sitzt und die Mentalitäten nicht aufeinander prallen. Sorry, Teestunde, kleine Schleimattacke!)

Über alle übringen zeitgeschichtlichen Erkenntnisse kann ja jemand anderes einen Song schreiben. Ich bin mit meiner bescheiden-emotionalen Geschichtsklitterung ganz zufrieden.
 
@rho

Ja, ich mag den Song! Gerade weil er etwas " Geschichtsklitterung" betreibt. Er zeigt deine Fantasie und wie es hätte sein können. Ist locker und lakonisch aus der Hüfte erzählt.
Ich musste übrigens an inglourious basterds denken.
Und er hat für mich natürlich Lokalkolorit.So frage ich mich natürlich in welcher Kneipe der Protagonist sitzt? Vielleicht saß ich am Nachbartisch? :) Kann gut sein.
Das Mittte,Titte, Sackzitat freut mich auch besonders, nicht nur wegen seiner herrlichen politischen Unkorrektheit.
Der Spruch im Film ist, na klar,auch nur ein Zitat. Der Spruch ist so alt, da ritten die Cowboys noch auf Dinosauriern...Gehörte schon zum Vokabular der Generation meines Vaters.
Um hier auch völlig überflüssigerweise ein wenig mit zeitgeschichtlichem Wissen zu glänzen.:)

Kleiner Wermutstropfen:

Der Perspektivwechsel, den artname anspricht. Ich würde vermutlich die Geschichte entweder komplett aus der Ichperspektive erzählen ( am wahrscheinlichsten) da ich das auch witziger fände
als den ollen Dietmar vorzuschicken. Oder in der Distanz bleiben.
 
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Ich bin gelernter Ossi, im März 1990 sind wir, meine Frau und ich nach NRW "rüber-gemacht" :)

Dort nun, im Westen, hat man in der überwiegenden Mehrzahl GENAU SO über den Osten geredet/gedacht, wie es der TE in seinem Text auf die Spitze getrieben formuliert hat.

Noch heute, hier und da, höre ich in unserer neuen Heimat NRW ab und an in feuchtfröhlichen Runden/Gesprächen von Westlern, das die Ossis sich in bestimmten Gegenden mal ein bissel "selber an den Haaren aus dem Dreck ziehen müssen, es mal langsam lernen sollten Eigeninitiative zu entwickeln und sich nicht ständig auf die Finanztransfers ausm Westen verlassen sollen".

Na? merkt man was? :)
 
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@rho

So, mal Kleinigkeiten geändert. Dem Protagonisten einen Nomen ist Omen Namen verpasst ( Willi Wucher war schon vergeben :) ), das ganze noch etwas mehr auf die DDR bezogen ( Drübenland, erinnert an Rübenland:)) und einen hoffentlich etwas klareren Perspektivwechsel vollzogen.
Wat meinse, Junge aussem Kohlengräberland???

Leipzig 88

Eine Kneipe tief im Westen
lange her, ich war noch jung
der Rudi Rampe gab's zum Besten
denn er kam sehr viel herum

Er verstand was von Geschäften
sein guter Riecher war bekannt
neuerdings nicht nur im Westen
sondern auch im Drübenland.

er sagte Leipzig achtundachtzig,
Sozialismus, doch man macht sich da nichts vor

Die Messe, die Weiber, der billige Suff
Das ganze Land ist ein Wrack
Nicht mehr lange und wir kaufen den Puff
Zur Mitte, zur Titte, zum Sack!

Er winkte dem Wirt, denn er hatte Durst
sprach weiter und wand sich an mich
mit ein paar Mark West wärst selbst du da der Held
und kämst endlich auch mal zum Stich

Gebrauchtwagen boomen, das hab ich erkannt
früher macht' ich die Dinger selbst flott
doch nach 10 Jahren Warten auf einen Trabant
kaufen die Drüben bald auch unsren Schrott

er sagte Leipzig achtundachtzig,
Sozialismus, doch man macht sich da nichts vor

Die Messe, die Weiber, der billige Suff
Das ganze Land ist ein Wrack
Nicht mehr lange und wir kaufen den Puff
Zur Mitte, zur Titte, zum Sack!

Jetzt sitz ich mit einer Kollegin zum Tee
unser Blick schweift über die Elbe
auch ohne West-Mark-Helden und Schrott
ist die Welt noch immer dieselbe
 
Ich möchte mal noch in die Runde werfen, dass der Gebrauch der Zahl 88 im politischen Kontext natürlich auch zu Missverständnissen führen kann. Insofern würde ich mir an Deiner Stelle noch überlegen, ob Du das willst oder nicht.
 
Ich möchte mal noch in die Runde werfen, dass der Gebrauch der Zahl 88 im politischen Kontext natürlich auch zu Missverständnissen führen kann. Insofern würde ich mir an Deiner Stelle noch überlegen, ob Du das willst oder nicht.
Jup, hab´ auch erst in diese Richtung gedacht und nicht an eine Jahreszahl.

Zum Text: Nix gut, für die Tonne.
 
Ich möchte mal noch in die Runde werfen, dass der Gebrauch der Zahl 88 im politischen Kontext natürlich auch zu Missverständnissen führen kann. Insofern würde ich mir an Deiner Stelle noch überlegen, ob Du das willst oder nicht.
Jup, hab´ auch erst in diese Richtung gedacht und nicht an eine Jahreszahl.

Zum Text: Nix gut, für die Tonne.

Man könnte natürlich 1988 draus machen ... oder um noch einen drauf zu setzen 1888 ;-)
 
@rho

War es nicht 1987? :) Scherz. Also ich würde das nicht ändern, weil ich ansonsten das Gefühl hätte ich würde eine Zahl! denen überlassen, die sie mißbrauchen. Und sie ist hier ja nun sehr sinnvoll verwendet, nämlich kurz vor der Wende und die Zahl erzählt ja so selber Geschichte.

@Schnuffke

Eine etwas differenziertere Rückmeldung zu dem Text wäre für mich wünschenswert.
Wie begründest du dein vernichtenes Urteil?
 
oder um noch einen drauf zu setzen 1888 ;-)
Oh ja, so'n Trabant von 1888 der hat was.
smil451c7211b9e19.gif
 
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