Äußere mich auch mal dazu, da es ja mein Thread war, um den es da geht:
Ich kenne das so, dass maximal zwei Revisionen im Auftrag mit drin sind. Dabei geht es aber nicht um grundsätzliche Dinge. Wenn ich z.B. sagen würde: "Ich will in allen Songs den Bass lauter und weniger tiefenlastig." wäre das keine Revision sondern eine ganz grundsätzliche Anmerkung, die zu dem Zeitpunkt nicht mehr legitim ist.
Denn genau dafür wollen wir ja vorher einen Probemix haben. Mit dem entscheiden wir, welcher Mischer uns unseren Sound am besten umsetzt.
Am ehesten wird es zu Revisionen kommen, wenn ein Song sehr unterschiedlich arrangiert ist als andere (z.B. eine einzelne Ballade auf einem Album voller knalliger Rocksongs) oder in einem Song ein Instrument vorkommt, das sonst noch nicht vorkam (z.B. Ukulele oder Bläser).
Dann kann es schon gut vorkommen, dass man sich bei einem Song nicht so schnell einig wird und zweimal nachbessern muss. Danach sollte es aber gut sein, denn sonst hat man von Beginn an den falschen Partner gewählt und ist demnach als Musiker selber schuld.
Bei uns kann es zu solchen Revisionsarien gar nicht kommen, da wir uns nur 2 Wochen Zeit für Nachbesserungen gegeben haben. Damit ist alleine zeitlich die Anzahl der Nachbesserungen begrenzt.
Ich habe es mal bei einem Praktikum in einem Tonstudio erlebt, dass eine Band, die einen vollständigen Plattendeal (ohne Selbstbeteiligung der Kosten) es gnadenlos ausgenutzt hat und jeden Tag mehrere Seiten Revisionswünsche geschickt hat, z.T. sogar mehrfach pro Version. Sowas geht nicht und ist unprofessionell, kommt aber sicherlich nicht selten vor, oder?
das kann man aber nicht wirklich vergleichen. wenn du einen major-LP-auftrag erfüllst, gelten andere regeln, und das auch durchaus zurecht. da gibts einmal einen grossen budget-topf, und dafür wird erwartet, dass geschraubt wird, bis alle parteien (bei so grossen projekten gibt es oft ein gigantisches "zuviele köche" syndrom) hinreichend zufrieden sind.
da gibts dann einerseits die baustelle "A&R will auch mitreden" (bisweilen schwierig, aber da muss man seinen frieden mit machen, sonst kann man damit nicht konstruktiv umgehen), aber da gibts dann eben auch künstler, die mit einigem recht extrem picky sind - die kleben ja schliesslich danach ihre nase aufs cover und nicht deine
da kenne ich schon so einige künstler, die ziemlich lange listen haben. oftmals einfach ein grosser stapel kleinkram, marke "bei 0:36 verstehe ich wort XY nur so mittelgut, bei 1:12 verstehe ich wort YZ nur so mittelgut"...alleine der prozess der vollumfänglichen, möglichst makellosen textverständlichkeit ist da für ein paar revisionen gut, oder mal wird hier und da noch bisschen was vom gesang ausgetauscht wenn mal im nachhinein die phrasierung an der stelle nicht mehr so gefällt...das ist auch völlig in ordnung. schwierig sind eigentlich ganz andere künstler, nämlich die, die keine "langen listen" (also: klare ansagen) machen sondern mehr mit so nem "also, weissnich, irgendwie fehlt mir da noch bisschen gelb" feedback ankommen.
da fehlen dann fachlich klare ansagen, das ist viel schwieriger. hingegen, selbst ultralange revisionslisten sind meistens in real dann nur dolists, die in 10 bis maximal 90 minuten weggearbeitet sind. das ist gar nicht so ein beinbruch.
steckt aber natürlich auch die komponente "angst vor finalen entscheidungen" bzw "angst, den sack zuzumachen" mit drin - da hatte der frühere produktionsprozess ohne total recall schon eine massiv erzieherische komponente, und das war auch sehr gesund. dieses nichtloslassenkönnen halte ich für eine der grossen krankheiten moderner musikproduktion. oftmals sind es ja gerade die ecken und kanten und kleinen kauzigkeiten in einer produktion, die am schluss den charme ausmachen, und genau die fallen bei solchen perfektionierungsorgien oftmals als erstes weg. oft schade.