Welches Mikrofon?

[SGW1]

Guten Abend,

ein Bekannter bat mich, ihn demnächst aufzunehmen. Er ist in der Ecke Songwriter/Country unterwegs, ich zu 98% in der klassischen Musik.
Daher habe ich keine Erfahrung damit, Stimmen zu unterstützen, indem man ihnen ein "passendes" Mikrofon zur Seite stellt. In der Klassik geht es doch meistens um eine möglichst "neutrale" Aufnahme.

Nun also diese Aufgabe und ich wollte einmal fragen, was Ihr dieser hier anhängenden Stimme für ein Mikrofon zukommen lassen würdet. Die Aufnahme unten ist nicht brillant ... haben die beiden Musiker mit einem Zoom irgendwo im Raum gemacht.

In meinem Fundus oder dem eines Kollegen sind an GMs:
- AT 4047MP
- Neumann TLM 170, U 89, TLM 49
- AKG C414 ULS

Was nicht auf der Liste ist, kann ja auch noch gemietet werden.

Vielen Dank schon mal im Voraus für Eure Vorschläge (und Begründungen).
Schönen Abend!


PS: Den Vorverstärker habe ich noch vergessen: Ich benutze einen Merging Hapi.

 

[Astronautenkost]

TLM 170 undf U 89 haben die gleiche Kapsel und gelten zurecht als ziemlich neutral. Auch eher Klassik. Für andere Vocals würde ich sie nicht wählen, außer es ginge um Sprachaufnahmen, wie Hörspiel oder Hörbuch. Das TLM 49 oder das AKG kann sitzen. Probieren. Ich denke, es geht Dir erst mal um die Vocals, oder? Das TLM 170 ist vorzüglich an Akustikgitarren. Gute käme natürlich ein echtes U 47. Könntest du bei Echoschall mieten. Mit dem Hapi bist Du ja auch neutral unterwegs.

 

[whitealbum]

Bei dieser Stimmlage wie Färbung, da würde ich mit TLM49 und AT4047MP starten.
Das AT4047MP macht eine gute Figur bei Vocals.
Gemeinsam mit dem TLM49 würde ich probieren, ob das passt.

Mich würde wundern, wenn nicht.
Ausnahme: Es reicht ihm nicht, und er möchte mehr von allem

Bei Stimmen auch in diesem Genre machen sich BAE-Preamps sehr gut.
Bspw. BAE 1073mpf, diese fokussieren den Gesang mehr und bringen den Körper sehr gut zur Geltung, auch wenn der Klang gegenüber sehr guten neutralen Preamps "eingeengt" klingt,
passt das sehr gut, vor allem im Mix.

 

[litoni]

nur mein Senf: das U89 würde ich dem TLM 170 sogar vorziehen, ist sehr beliebt im klassischen Bereich.

 

[SGW1]

Herzlichen Dank, das sind schon mal gute Hinweise.
Genau, es soll etwas färben und unterstützen.
Mit meinem Zeug (Hapi, KMs von DPA, Schoeps und Sennheiser) kann ich da nicht sonderlich punkten.
Dann werde ich mal mit AT, TLM und C414 starten und sehen, was davon passt oder ob noch was fehlt.
Die Aufnahme ist in 10 Tagen, ich werde berichten .

 

[leary]

Mit meinem Zeug (Hapi, KMs von DPA, Schoeps und Sennheiser) kann ich da nicht sonderlich punkten.

na klar kannst du damit punkten. wieso solltest du nicht? die stellen allesamt super mikrofone her. damit klappts ganz sicher. gerade für singer/songwriter etc habe ich mit schoeps super erfahrungen gemacht.

 

[SGW1]

Ich meinte im Sinne von "färben und Klang gestalten".
Diese KMs bilden einfach nur ab, sind aber weinger ein kreatives Werkzeug, eher ein dokumetarisches.
Grandios gut sind sie natürlich, keine Frage.

 

[SGW1]

Eine Frage noch: Warum habt Ihr die Mikrofone empfohlen, die Ihr empfohlen habt? Welche Eigenschaften der jeweiligen Mikrofone unterstützen/kaschieren denn welche Eigenheiten der Stimme?

 

[RefinedRough]

Färbung kann man bei guten Mikros sonst ja auch beim Mixing problemlos noch rein bringen, ohne dass das Signal zerfällt. (Eqing, Sättigung..)

 

[whitealbum]

Eine Frage noch: Warum habt Ihr die Mikrofone empfohlen, die Ihr empfohlen habt? Welche Eigenschaften der jeweiligen Mikrofone unterstützen/kaschieren denn welche Eigenheiten der Stimme?

Ich habe mich auf die Mikros beschränkt, die in Deinem Fundus waren.
Das AT wie das TLM49 färben ein Stücck weit mehr als der Rest Deiner GMKs.

Ehrlichweise muss ich sagen, das ich das TLM49 nicht so mag.
Es ist eine Diva, entweder es passt sehr gut oder gar nicht.
Oft habe ich festgestellt, dass es bei Stimmen dann doch nicht so passt (im Vergleich derselben Preisliga).
Dennoch, das TLM49 macht seine Sache im 2,5 -5khz Bereich recht interessant, gerade bei Männerstimmen, da sind die typ. Neumannhochmitten zu hören.
Das AT4047 ist dagegen universeller, und mit dem FET Übertrager hat es einen farbigen Touch, der nicht aufdringlich ist.

Wenn der Songwriter bei beiden Mikros noch Potential nach oben verspürt, dann reden wir über richtig gute Mikros für Gesang.

 

[whitealbum]

Färbung kann man bei guten Mikros sonst ja auch beim Mixing problemlos noch rein bringen, ohne dass das Signal zerfällt. (Eqing, Sättigung..)

Leider nur bis zu einem gewissen Grad.
Bei Signalen die insbesondere im Focus stehen, bspw. Gesang sehe ich das anders.
Da geht nichts über sehr gute Röhrenmikros, das kann man drehen und wenden, letztlich wird man sich bei Lead Vocals immer für ein Röhrenmikro entscheiden. Zumindestens ich.
Röhrenmikros fügen dem Signal noch eine körperhafte Dimension hinzu, die nicht mit EQ, Sättigung und Co. erreicht werden kann.
Ich habe mir mal erlaubt gleiche Takes mit dem MT71s in Richtung UM92.1s zu "drehen".
Letztlich ist es mir nicht gelungen (Bandmaschine, Sweetening EQ, und Gedöns), die Richtung kam recht gut hin, aber es fehlte die Substanz, die Dreidimensionalität und die Sexiness.

Ein Beispiel, Du kennst ja das fabelhafte Gefell MT71s, gegenüber einem M92.1s oder M990 verliert es eindeutig. Das M92.1s hat die gleiche Kapsel, aber bei Gesang kommt eine körperhaftigkeit dazu, die zum Teil atemberaubend ist.
Das gilt auch für M990 oder das Lauten Eden, oder Blackspade UM17B und Co.

Alle Lead Vocals (auch Dopplungen) werden bei mir entweder über das UM92.1s, M990 oder AT4060 gemacht, immer ohne Ausnahme.
Bei akust.. Gitarren oft das M990, gefolgt vom UM92.1s und dann vom AT4081, aber da kann es vorkommen, das ich das MT71s oder M930 bevorzuge, weil sie cleaner klingen.

 

[RefinedRough]

Hm, dann evtl auch einen charaktervollen Preamp in Betracht ziehen?

 

[leary]

also ganz ehrlich, du hast tolle mikros, mit denen du wunderbar aufnehmen kannst. probiere unterschiedliche kombis aus. es klappt ganz sicher, versprochen, amen

 

[whitealbum]

Hm, dann evtl auch einen charaktervollen Preamp in Betracht ziehen?

Unbedingt.
Und das gilt für neutral, clean klingende wie eher farbig-klingende Mikros.
Ein Röhrenmikro profitiert bei Vocals enorm von einem BAE 1073 oder ähnlichem.
Diese alte Technik macht das Signal u.a. kompakter und fokussierter, im Mix ein enormer Gewinn.
Für sich alleine betrachtet, ist ein sehr guter neutraler Preamp klanglich näher an der Realität, klingt oft auch nicht so beengt.
Letztlich zählt aber wie kommt es im Mix durch (auch wenn das Arrangement schlank ist).

Ich denke der Threadersteller sollte mit den beiden GMKs (TLM49 und AT4047) mal beginnen, und warten was der Sänger sagt.
Und zwar im Moment der Aufnahme (unter Kopfhörer) und dann später im Mix.
Je nachdem was dem Kollege klanglich vorschwebt, kann das schon reichen (ich gehe auch davon aus).

Da ich selbst Sänger bin, habe ich eben einige Erfahrungen mit Mikros.
Und ich habe schon über alles gesungen, hochwertige und nicht hochwertige Bändchenmikros, Tauchspulenmikros, hochwertige KMKs und allen möglichen GMKs.

Als Sänger bleibe ich immer bei einem Röhrenmikros hängen.
Da bekommt man das beste Feedback im Moment der Aufnahme, die wiederum die Performance unterstützt, ja forciert. Bei dieser Aussage geht es darum, was funktioniert am Besten.

Klar ist aber auch, ab einem gewissen klanglichem Niveau bekommt man als guter Sänger auch schon für knapp 500€ (Violet The Maestro) ein sehr gutes Mikro.
Die Aufnahmen werden damit sicherlich gut.

 

[verflixte13]

ich verstehe dein/euer problem nicht …

(und deine einschätzung zu den KM, die kann ich auch nicht teilen …
denn gerade ein gutes pärchen KM kann im diesem genre
eine menge wuchten.)

anyway … ihr habt in eurem „mic-Fundus“ bereits alles liegen,
was für eine anspruchsvolle recording-session notwendig ist.
(da sind ein paar echt gute mics dabei!)

welches der mics, FÜR WAS genommen werden soll,
das ist in erster linie eine „produktions-frage“ … *sprich ->

in welche „grundsätzliche“ richtung wollt ihr den sound fahren? …
und dementsprechend würde ich dann schon beim tracking
zu den mics greifen, die dem anvisierten endergebnis,
bereits bei der aufnahme unterstützend vorarbeit leisten können.

und je nach musikalischer vorgabe/soundlicher ausrichtung, da behaupte ich
einfach mal ->

man könnte mit JEDEM eurer mics eine überzeugende produktion fahren,
wenn es mit dieser vorgabe übereinstimmt.

LG

p.s.
dein hinterlegter „soundschnipsel“/ die stimme gefällt mir richtig gut! …
das wird bestimmt eine interessantes projekt!

 

[Rolleum]

Färbung kann man bei guten Mikros sonst ja auch beim Mixing problemlos noch rein bringen, ohne dass das Signal zerfällt. (Eqing, Sättigung..)

Wollt ich grad sagen. Die Signale anzudicken ist nachträglich kein Problem. Es gibt sogar ein Großmembrankorpus, der für ein Schoeps-KM gebaut ist, was darin versteckt ist. Wurde mal in der S&R gezeigt. Allein um dem Sänger zu zeigen, wie groß und toll das Mic ist. So ein Ding kannst Du Dir viell. auf die Husche noch anschaffen, und fertig ist das absolut fette GM.

 

[Astronautenkost]

Ja klar es gab mal dieses Fake-Ribbongehäuse von AEA. Ich weiß nicht ob es die noch gibt. Allerdings baut Schopes nachdem Weggang von Wuttke ja selber einen hervorragenden Hybrid zwischen Klein- und Großmembran, das V 4 U. Ist in der U-87-Liga und da eine echte Alternative. Ansonsten, bei aller Liebe für die M4-Kapseln, für Vocals ist da noch Luft nach oben. Ich selber verfüge für meine Sprachjobs ja inzwischen über ein MT 70 S (mit ADT-Vorstufe), mit dem ich dafür sehr, sehr zufrieden bin. Was Gesangsvocals angeht, würde ich was 90 % der Fälle angeht (bei Klassik dann UM 900) nur noch auf das U 47 oder das C 12 A setzen (mit ADT-Vorstufe), was ja leihweise relativ günstig möglich ist. Dahinter will ich nicht mehr zurück. Whitealbum ist ja mit dem 990 und dem 92.1 schon sehr ähnlich aufgestellt

PS: Wenn ich im Lotto gewinne hole ich mir noch das UM 900

 

[SGW1]

Ja, ich werde mit den genannten Mikrofonen anfangen.
Natürlich kann ich mit meinen KM Mikrofonen eine Menge aufnehmen - mache ich ja auch ständig, allerdings - wie ich schon schrieb - fast nur im Bereich der Klassik.
Dieses gezielte Formen/Unterstützen einer Stimme kommt in dem Bereich seltener vor, bzw wird oft nicht gewünscht. Einzelne Funkhäuser oder Labels haben Mikrofnierungsvorgaben (z.B. Sängerstütze immer u87 in 1,2m Entfernung, bei Orchestern DECCA Tree in 2m Breite und 1,6m Tiefe mit 3 DPA 4006, bei "harter" Akustik MKH 20, etc), die immer beachtet werden sollen. Da geht es also nicht darum, das ideale Mikrofon für Klangvorstellung x des Sängers y in Akustik z zu finden.
Daher habe ich damit wenig Erfahrung und wollte mir hier Tipps und Anregungen holen.
Das ist gelungen, herzlchen Dank.
Auch Dein Kommentar, 13, war mir auf diesem Wege durchaus eine Hilfe.
Ich werde berichten, was wir uns während der Sessions erarbeiten.

 

[SGW1]

und deine einschätzung zu den KM, die kann ich auch nicht teilen …
denn gerade ein gutes pärchen KM kann im diesem genre
eine menge wuchten

Das bezieht sich wohl auf den wohl etwas zu flapsig dahin geschriebenen Satz, dass ich mit meinem Zeug nicht recht punkten könne.
Ok, da muss ich nachbessern. Natürlich haben diese KMs ihre Eigenheiten. Ich nehme als Stützen in einem Steinway beispielsweise ungern beispielsweise Schoeps MK4, weil das für meinen Geschmack oft zu nasal klingt. Lieber MKH 8020. Bei einem älteren Bösendorfer sieht die Sache dann schon wieder anders aus, ebenso bei Fazioli, etc.
Oder bei Geigen nehme ich als Stütze im Orchester gerne Schoeps. Wenn es alber historische Instrumente sind und die Geigen glatte Darme-E-Saiten haben und mit extrem wenig Vibrato und sehr leichten Bögen spielen, ist mir ein KM 140 lieber.
Und so weiter.
Ich wollte mich jetzt einmal in ein für mich völlig neues Feld vorwagen, in dem gerne auch mal so richtig gefärbt wird. Mal was ausprobieren.
Und sicherlich würde ich mit viel Ausprobieren irgendwann in diesem mir eher fremden Bereich zu einem Ergebnis kommen, wollte aber die Findungsphase (nicht für mich, sondern vor allem für die Musiker) dank Eurer Tipps etwas kürzer halten.

 

[verflixte13]

Ich wollte mich jetzt einmal in ein für mich völlig neues Feld vorwagen, in dem gerne auch mal so richtig gefärbt wird.

@SGW1 … neue felder für sich zu erkunden, das ist ja auch eine
spannende sache. und du hast ja anscheinend schon etliche erfahrungen
in deinem arbeitsfeld eingefahren … aber, gerade weil du schon so viele
erfahrungen gesammelt hast, solltest du eigentlich wissen ->

das einzige, das wirklich „so richtig gefärbt ist“,
das sind die hinterlegten „gear-tipps“ der forenkollegen …

nur noch ein nachgedanke:

du schreibst es ja selbst … beim Steinway gehst du diesen und beim Bösendorfer
einen anderen weg … und so ist das eben auch in anderen genre.

und wenn ich einen Steinway zum recorden hätte, dann würde ich zwar deinem
recording-tipp nachsteigen, aber „höchstwahrscheinlich“ würde das, was bei dir
prächtig funzt, bei mir nicht zwingend den gleichen widerhall finden.

und was bleibt? … sicherlich anregungen! … aber, jeder einzelne muss durch
seine eigene findungsphase durch ... und da gibt es keine abkürzungen.

ich kenne ja einige mics aus eurem „Fundus“, aber dennoch würde ich mich
schwertun eine klaren eindeutigen tipp zu hinterlegen, da ich weder eure angedachten
„produktions-vorgaben“ noch den raum noch die eingesetzten quellen/instrumente kenne.

aber spielen wir einfach mal einen kleinen „kettengedanken“ fiktiv durch:

… das U89er bringt z.b. keinen balladenhaften „höhenrausch“, aber einen
verdammt guten und stabilen körper … schon alleine mit diesem mic,
lässt sich eine menge gutes recorden … auch nur so zum bleistift ->
dem TLM49 fehlen diese körperhaften tiefmitten, aber dafür öffnet es
mühelos die höhen … (ich bin immer wieder erstaunt, wie gut es das macht.)

und so „könnte“ es „eventuell“ sein, dass eine akuaxt, die mit dem U89er
eingespielt wurde, hervorragend zu einer stimme passt, die über das
TLM49 eingesungen wird … da sich beide frequenzbereiche schon perfekt ergänzen,
ohne nachträglichem exzessiven EQ-gefummel.

aber, wie gesagt -> … es „könnte“ sein, muss aber nicht …

mein abschliessender rat:

denke jetzt nicht an neue anschaffungen/investitionen, sondern, lerne das
vorhandene material erst kennen und erst dann, wenn du den mangel eindeutig
bestimmen/ klar definieren kannst … dann suche gezielt, um diesen mangel zu beheben …

ihr habt bereits sehr gute mikrofone und die sollten/ und wollen erst
einmal genutzt werden …

LG