Noch taut der Schnee

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Noch taut der Schnee

Auf einmal stand der Tod bei mir im Zimmer
und blickte mich still von der Seite an.
Bis ich erschrak. Er wartete noch immer.
Mir wurde Nacht, obwohl der Tag begann.

Wie ihm entgehn? Mir war, als ob ich schwebte.
Nicht etwa so, wie man auf Wolken schwebt.
Die Seele, der die Richtung widerstrebte,
empfand sofort, dass sie gleich nicht mehr lebt.

Noch taut der Schnee auf meinem Haar.
Der Tod ist wieder unsichtbar.
Und doch ist mir bei jedem Schritt,
als käm er lautlos mit mir mit.

Der Tod stand wie ein schöner fremder Mann da,
der mit Geduld den Weg nach draußen wies.
So rangen wir zwei schweigend miteinander,
wobei mein Geist den Körper fast verließ.

Wie man sich doch ins Leben krallt am Ende!
Am allerschlimmsten war die Traurigkeit,
das Wissen, dass ich ohne Spur verschwände.
Der Tod stand da und so verging die Zeit.

Noch taut der Schnee auf meinem Haar.
Der Tod ist wieder unsichtbar.
Und doch ist mir bei jedem Schritt,
als käm er lautlos mit mir mit.

Ich war noch nicht imstande aufzugeben.
Mein ganzer Stolz geriet zur Bettelei.
Ich war ein Nichts und flehte um mein Leben:
Nicht wahr, nicht wahr, es ist noch nicht vorbei!

So kleinlaut bin ich vorher nie gewesen.
Dem Tod, ihm reichte dieser Anblick aus,
in höchster Not auf Knien ein Lebewesen.
Er musste lächeln und verließ das Haus.

Noch taut der Schnee auf meinem Haar.
Der Tod ist wieder unsichtbar.
Und doch ist mir bei jedem Schritt,
als käm er lautlos mit mir mit.
---------------------------------------------------------------
(letzte Version hier)

Auf meiner Stirn der Schnee

Auf einmal trat der Tod zu mir ins Zimmer
und blickte mich still von der Seite an.
Bis ich erschrak. Er wartete noch immer.
Mir wurde Nacht, obwohl der Tag begann.

Wie ihm entgehn? Mir war, als ob ich schwebte.
Nicht etwa so, wie man auf Wolken schwebt.
Die Seele, der die Richtung widerstrebte,
empfand sofort, dass sie gleich nicht mehr lebt.

Noch taut auf meiner Stirn der Schnee,
sooft ich in den Himmel seh...

Der Tod stand wie ein schöner fremder Mann da,
der mit Geduld den Weg nach draußen wies.
So kämpften wir zwei schweigend miteinander,
wobei mein Geist den Körper fast verließ.

Wie man sich doch ins Leben krallt am Ende!
Am allerschlimmsten war die Traurigkeit,
das Wissen, dass ich ohne Spur verschwände.
Ich rang nach Luft und so verging die Zeit.

Noch taut auf meiner Stirn der Schnee,
sooft ich in den Himmel seh...

Ich war noch nicht imstande aufzugeben.
Jedoch mein Stolz geriet zur Bettelei.
Ich lag auf Knien und flehte um mein Leben:
Nicht wahr, nicht wahr, es ist noch nicht vorbei!

Es war ein Wunder, dass er mich verschonte
im Augenblick der allerhöchsten Not;
nicht etwa, weil Erbarmen in ihm wohnte,
mein Herz lag noch zu schwer in seinem Boot.

Noch taut auf meiner Stirn der Schnee,
sooft ich in den Himmel seh.
Und doch ist mir bei jedem Schritt,
als käm der Tod ihn lautlos mit.
---------------------------------------------------------------
(anderer Refrain)
Doch fühle ich bei jedem Schritt,
der Tod kommt wie ein Schatten mit.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich find es ziemlich gut:
Grundidee, Sprachfluss, Formulierungen, wirkt auf mich alles sehr rund.
Am besten gefällt mir die Idee hinter der Titelzeile. Interessanes Bild, das hab ich so noch nie gehört hab.
 
Ich hab als Kind mal eine Erzählung gelesen, da wurde geprüft, ob die Person scheintot ist, indem man ihr ein Stück Eis auf die Stirn legte. Ich glaube, von dort hab ich das. :)
 
Liebe Teestunde,
ziemlich beeindruckend auf mich. Toll. Ich hatte Gänsehaut. Vielen Dank
Einzig störte mich ein wenig die zweite Zeile des Refrains, weil sie für mein Empfinden stilistisch etwas aus dem Rahmen fällt, mit der beinahe umgangssprachlich anmutenden Formulierung "aus dem Hirn kriegen".
Aber das ist wirklich nicht entscheidend.

Das Bild mit dem Schnee ist fantastisch plastisch :)

Ich freue mich sehr, dass du so sprudelst.

Liebe Grüße
N.
 
Hm, ich hab auch überlegt. Den Refrain kann ich ja noch mal ändern. Mir fällt nur noch nicht ein, wie.
Liebe Grüße zurück :)
Teestunde

Jetzt hab ich's:

Noch taut der Schnee auf meinem Haar.
Der Tod ist wieder unsichtbar.
Und doch ist mir bei jedem Schritt,
als käm er lautlos mit mir mit.

:)
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Formulierung mit Hirn hätte mich auch am ehesten noch gestört. Ich fänd es aber schade, wenn die Stirn wegfiele.

Die Stirn hat für mich stärkere und passendere Assoziationen als das Haar.
"Schweiß rinnt von der Stirn", "jemandem die Stirn bieten", etc.

Das passt für mich sehr gut zum Kampf mit dem Tod und zur Wärme, die den Schnee taut.
 
Ich lasse mal beide Varianten eine Weile auf mich wirken und entscheide dann. :)

Noch taut auf meiner Stirn der Schnee;
der Tod sagt vorläufig Adieu!
Und doch ist mir bei jedem Schritt,
als käm er lautlos mit mir mit.
 
Ich tendiere zu #7. Und ihr? :)
 
Den Schnee auf der Stirn könntest du auch schmelzen lassen. Auf "schmilzt" reimt sich immerhin "willst" und mit etwas Auge zudrücken auch "hilfst".

Übrigens erinnert mich der Sprachrhythmus des Verses - seit dem ersten Lesen - an die Strophen des Junimond-Liedes.
 
Übrigens erinnert mich der Sprachrhythmus des Verses - seit dem ersten Lesen - an die Strophen des Junimond-Liedes.
Ähm? Ich muss mal ganz dumm fragen: Welches Junimond-Lied? Hab es im Moment nicht auf dem Schirm. :)
 
Beim ansonsten gelungenen Text (bei dem ich auch mich frage, inwieweit er autobiografische Züge hat) habe ich etwas Probleme mit dem Schnee.

Zum einen hat sich mir das Bild erst nach zweimaligem Nachdenken erschlossen. Falls daraus ein Lied werden würde, fände ich das eine Gehirnwindung zuviel des Umweges. Nichtsdestotrotz kann ich nachvollziehen, dass man es um der Poesie Willen einfach gerne so lässt.

Das andere "Problem" ist, dass dieses Bild eigentlich nur auf ein Zusammentreffen mit dem Tod im Winter passt, da es in wärmeren Jahreszeiten keinen Schnee gibt, den man jemandem aufs Haar legen könnte. Das mag jetzt zu rational oder vielleicht sogar kulturbanausisch klingen - was ich damit sagen will ist: mit dem Bild wäre es mMn schwer, so etwas wie poetische Allgemeingültigkeit zu formulieren.
 
Nun, die Begegnung mit dem Tod kann doch im Winter stattgefunden haben. ;) Nee, mal im Ernst, ist das wirklich so kompliziert? :)
 
Nein, natürlich nicht.

Der Winter wird aber an keiner Stelle eingeführt.
Und plötzlich ist der Refrain da mit . . . Schnee.

Ich würde, wäre das mein Text, gerade angesichts der kommenden Monate und des Sommerwetters nicht an schmelzenden Schnee als ein Bild für Leben denken, sondern etwas suchen, was mich bspw. auch im Sommer begleitet. Denn ich lebe ja nicht nur im Winter, sondern auch jetzt.

Eine andere Möglichkeit wäre, den Winter ganz am Anfang einzuführen - etwa als Metapher für Vergänglichkeit. Dann hätte man eine in sich geschlossene und sich aufeinander beziehende Bilderfolge...

Vermutlich hängst Du aber sehr am Titel. ;-)

Deshalb wie immer: es ist Dein Text. Waren nur meine Gedanken dazu.
 
Zuletzt bearbeitet:
Okay, wenn du den Text vertonst, nehm ich für dich den Winter raus. Ansonsten bleibt er drin. :)
 
Ich habe mich dem Thema "Winter + Schweres" textlich und musikalisch schon einmal angenommen. ;-)


Damit habe ich (bis auf Weiteres) alles dazu gesagt, was ich dazu sagen wollte.
 
Hör ich gleich in der Werbepause. ;) Danke. Schönen Abend noch.

Eben reingehört. MMn etwas zu lang geraten. Allerdings ist die Winterstimmung gut erfasst. :)
 
Zuletzt bearbeitet:
Auf die Gefahr hin, die Gemeinde zu langweilen: toller Text.
Der Titel erinnerte mich spontan an "Über ihr taute das Eis" von Werner Karma (für Silly, 1989).
Der gesamte Rest an Edgar Allan Poes "The Raven".

Das ist so einschüchternd, dass ich mich kaum noch traue, was zu schreiben ;)
 
"Auf einmal stand der Tod bei mir im Zimmer"

Da wird gleich mit der ersten Textzeile das ganze Geheimnis enthüllt. Ich würde den Text geheimnisvoller gestalten, statt "der Tod" überall nur "er" einsetzen und am Ende auflösen. Aber ich bin jetzt nicht unbedingt so der Texter. Ansonsten gefällt mir der Text ziemlich gut.
 
Kann mir nicht wirklich vorstellen, dass du es nicht kennst. Aber wer weiß... zum erinnern...
Ja, das Lied kenne sogar ich. Wusste nur nicht, wie es heißt. :)
Das ist so einschüchternd, dass ich mich kaum noch traue, was zu schreiben
Oh, bitte, lass dich nicht einschüchtern! :)
Ich würde den Text geheimnisvoller gestalten
Meinst du wirklich, dass mir die Zuhörer dann noch folgen, wenn bis zuletzt nicht klar ist, was ich meine? :)
 

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