Ist kein gestern, ist kein morgen

[Klauski]

Sorry, wenn ich mit so einem Thema komme, aber es ist die Realität

Zwischen Schläuchen und Maschinen
hebt und senkt ein Brustkorb sich
von Apparaten angetrieben
liegt mein Freund im Neonlicht

Seine Hand liegt regungslos und kalt
auf der Decke ausgestreckt
der helle Streifen auf dem Finger
war mal von ‘nem Ring bedeckt

ist kein gestern
ist kein morgen
ist kein hier
und ist kein jetzt
ziellos zeitlos zwischen Welten
losgelöst von jedem Gesetz

ist kein gestern
ist kein morgen
kein Wahl und auch kein Wort
schweigen warten
und ertragen
was da kommt dann ganz zuletzt

… dann das Geschwätz

Ich weiß nicht, ob da noch ein Vers dazu passt oder was man da noch ändern kann?
Was meint Ihr?

 

[artname]

Hallo Klauski,

für mich ergibt sich die Frage, an wen du dich wendest. Ich bin zwar ein echter Fan konkreter Zeilen... aber zuviel oder zu dürftige Konkretheit kann auch jegliche Nachhaltigkeit beseitigen.

Irgendein Freund ( warum nicht einfach ein "Du"?) mit dem Finger ohne Ring ist für mich noch kein Grund, hier heraus ragendes Mitgefühl zu entwickeln. Mehr bietest Du uns bisher leider nicht zu "Ringen mit dem Tod" oder von mir aus "Getratsche" an....

Nimm es nicht als Ablehnung, sondern eher Anregung. Ich würde - je nach dem - DEIN Thema etwas vertiefen, Mitgefühl für das Opfer wecken wollen.

Gruß

 

[Klauski]

Danke, Ja Du hast recht, ich muss da noch konkreter werden.

Schwierig.

Das Thema zieht mich immer wieder in die konkrete Situation, des im Koma liegenden Freundes. Wochenlanges Warten Hoffen Bangen …

Die Zeile mit dem Geschwätz ist sozusagen der Not-Ausstieg.

Ich muß zwischendurch einfach mal was anderes texten singen bevor ich weitermachen kann.

Gruß
Klaus

 

[User70408]

Servus Klaus,
ich möchte da die Zeilen von artname ganz dicke unterstreichen !

Ich hab da selber vor 4 Jahren, weil ein sehr naher Mensch von mir betroffen, einmal ein Lied zu dem Thema geschrieben.

Ein sehr sensibles und intimes Thema, da musst du viel, viel mehr vertiefen ...

Ich hab dir dazu eine PM geschrieben.

Liebe Grüße vom Don !

 

[artname]

Ich will mal näher auf "Vertiefen" eingehen. MEIN Thema lautet: Koma eines geliebten, und plötzlich erschreckend unbekannten Menschen. Diese große Ungewißheit erfordert große Veränderungen:

Da liegst du nun im Reich der Schläuche
Durchs Fenster singt die Vogelschar
Deine Lunge macht Geräusche
So, als wär ich gar nicht da!

Deine Hand liegt still und kalt
Kein Ring weist hin auf unsern Bund
Zufall? Absicht? Ein Versehen?
Noch schlägt dein Herz. Noch schläft dein Mund.


Was soll uns gestern
und was morgen?
Wo du grad bist, komm ich nicht hin!
Wie denn leben
ohne Reden!
Ohne Schwüre, wer wir sind!

Was soll uns gestern
und was morgen?
Wer sagt wohin die Reise geht?
Müssen wir warten,
schweigend ertragen,
oder bekennen, wofür man lebt?

Hier höre ich mal auf. Ich wollte den Beginn in eine klarere Richtung lenken. Ich würde im nächsten Schritt darüber schreiben, wie seltsam es ist, einem scheinbar schon Toten seine wahren Gedanken und Gefühle zu bekennen! Meine Geschichte klingt eher nach Mann/Frau/Beziehung. Für eine Freundschaft würde ich sie etwas modifizieren.

Nach diesem Schema würde ich auch vorgehen, wenn ich nicht meine Unsicherheit, sondern nur meine Trauer ausdrücken möchte. Sicher würde ich dann auf den Ring verzichten. Der wüde mich DANN nur ablenken! Dafür würde ich einfach ausdrücken, daß ich nicht weiß, wie nun das Leben vom Frühstück bis zum Einschlafen ohne sie verginge. Oder beim Freund würde ich mich u.a. fragen, was die drohende Einsamkeit für mich bedeutet.

Danke, Ja Du hast recht, ich muß da noch konkreter werden.

Nein! Erst muß Dir Dein Thema klar werden. Und dann die generelle Aussage. Eine Aussage, von der Du Dir sicher sein solltest, daß sie viele Menschen berühren könnte.Und erst dann ergeben sich die benötigten konkreten Fakten, Gedanken und Gefühle

Gruss

Edit: Bei meinem skizzierten Beginn ging es mir vor allem um die Notwendigkeit, sich menschenfreundlich zu offenbaren. Warmherzig über seine wahren Gefühle zu reden, wird ja gerade bei Komapatienten empfohlen.Aber viele Menschen vermissen diese Fähigkeiten und Angebote alltäglich! Das wäre für mich eine TRAGENDE Idee. Oder?

 

[Klauski]

@artname

Mein Text ist der Versuch, sich in die Situation eines Menschen zu versetzen, der der Auffassung ist nach dem Tod ist alles vorbei.
Was ist mein Trost, wenn ich am Bett eines Koma-Patienten stehe.
Was ist meine Hoffnung?
Mit wem spreche ich? (Er kann mich ja nicht hören). Und Gott gibt es ja nicht.
Also führe ich ein Selbstgespräch in der Gegenwart von Apparaten und Schläuchen.
Oder?
Meine Warmherzigkeit und Menschenfreundlichkeit wird meinem Freund wieder bei dessen Bewusstsein zuteil. In der Phase der Unsicherheit stehe ich als kleiner Mensch in dieser bedrückenden Situation ziemlich ratlos da.

Du hast es echt gut drauf mit dem Texten, aber "Im Reich der Schläuche" ist doch 'n bisschen sehr steril. Ansonsten aber nicht zu verachten.

Klaus

 

[artname]

Hallo Klaus,

"Im Reich der Schläuche" ist doch 'n bisschen sehr steril.

Wenn Du meinst. Ich wollte vor allem ein Schreibprinzip demonstrieren: Deute als Autor nur an, wenn Du auf das Mitwissen deines Publikum baue kannst!
Auf diese Weise dampfe ich oft 2 Strophen auf 3 Zeilen ein. Wenn man noch keine rechte Idee hat, ist "Eindampfen" deprimierend. Aber letztlich baut mich dieses Verfahren dennoch immer auf: IEs signalisiert mir: "Ey Alter, so Du packst auch den Rest!".

Mit wem spreche ich? (Er kann mich ja nicht hören).

Oops, DAS überrascht mich echt! Ich dachte, Koma-Patienten können zwar nicht reagieren, hören aber. Simmt das nach Denen Erfahrungen nicht?

In der Phase der Unsicherheit stehe ich als kleiner Mensch in dieser bedrückenden Situation ziemlich ratlos da.

Hab das noch nie erleben müssen, kann es mir aber lebhaft vorstellen. Warum schreibst Du nicht dezidiert über DAS Gefühl: kleiner Mensch vor riesiger Herausforderung? Schreib zum Beispiel Gedanken und/oder Metaphern, die dir zu "klein" gegen.riesig" in diesem Zusammenhang einfallen. Je weniger "Ideen" ein Text bedienen will, umso klarer wird er. Sagen mir alle eigenen Erfahrungen!

Ich meine, "Girl from Ipane" beschreibt auch nur den Gang einer Frau und die Sehnsucht, die dieser beim Sänger auslöst. Es reichte für einen absoluten Welthit! Hauptsache, authentisch.

lg

 

[Klauski]

so?

Zwischen Schläuchen und Maschinen
hebt und senkt Dein Brustkorb sich
von Apparaten angetrieben
liegst Du hier im Neonlicht

Deine Hand liegt regungslos und kalt
auf der Decke ausgestreckt
Ich leg meine Hand auf Deine
hätt Dich gerne aufgeweckt

Ist kein Gestern
ist kein Morgen
ist kein hier
und ist kein jetzt
ziellos zeitlos zwischen Welten
losgelöst von jedem Gesetz

Ist kein gestern
ist kein morgen
kein Wahl und auch kein Wort
schweigen warten
und ertragen
was da kommt dann ganz zuletzt

Soll ich sprechen oder schweigen
soll ich bleiben oder geh’n
find ich Dich in Deinem Dasein
werd ich Dich mal wiederseh’n?

Ich find verlorene Gedanken
wie aus einer andren Zeit
eine Welt die längst vergessen
geborgene Vergangenheit

 

[artname]

Hallo Klaus,

Bin leider sehr in Eile. Aber beim ersten Überfliegen zielen mMn Deine Änderungen in die richtige Richtung. Bemängeln würde ich nur, dass die neue Schluss-Strophe sich noch recht vorhersehbar entwickelt. Ich mach mal den Versuch, nicht ganz so vorhersehbar den Schluß zu entwickeln:

Soll ich sprechen oder schweigen
Soll ich bleiben oder gehn
Mit deiner Hand in meinen
kann ich ferne Zeiten sehn.

Wieviel wunderbare Bilder,
treiben noch im Fluß der Zeit?!
Wieviel Liebe wird vergessen,
sind die Wunden erst verheilt.

Lausche in Dich! Zapf deinen originalen Erinnerungsfluß an und führe uns - wie auch immer - zu einem tröstlichen Ende.

Gruß

 

[Plautzo]

Mach daraus eine Kritik an krampfhafter Lebenserhaltung aus einem scheiss Verständnis von Medizin heraus und ich kauf ne CD!

 

[Teestunde]

Sehr inspirierend! Mir hat der Text am Anfang schon gefallen. Er kam sehr authentisch rüber. Bis jetzt kaufe ich dir noch alles ab. Es ist schwer, "ehrlich" zu bleiben, je länger man an den Zeilen herumfeilt. Aber ich hab das gute Gefühl, dass es dir gelingt! Nur zu! LG T.

Beim allerersten Lesen dachte ich, jemand besucht seinen guten Kumpel im Krankenhaus, der einen Selbstmordversuch unternommen hat, als seine Frau ihn verließ. Das Bild mit dem Ring fand ich sehr stark. Wäre schade, wenn es abhanden käme.

 

[Klauski]

Das Bild mit dem Ring fand ich sehr stark. Wäre schade, wenn es abhanden käme.

@teestunde: Danke! Ja, das war für mich auch eine sehr emotionale Aussage, die ich aber nicht erklären wollte, damit es verstanden wird.

 

[McCoy]

Mein Text ist der Versuch, sich in die Situation eines Menschen zu versetzen, der der Auffassung ist nach dem Tod ist alles vorbei.

Da mir die Grundidee des Textes gefällt, setze ich hier auch mal einen Vorschlag der Gestaltung dieser Textidee rein.


Zwischen Schläuchen und Maschinen
hebt und senkt Dein Brustkorb sich
Durch Geräte noch am Leben
liegst Du hier im Neonlicht

Regungslose blasse Finger
auf der Decke ausgestreckt
meine Hand fühlt nach der Deinen
hätte Dich gerne aufgeweckt

Ist kein Gestern, ist kein Morgen
ist kein hier und auch kein jetzt
rastlos suchend zwischen Welten
Grenzen die das Leben setzt

Ist kein gestern, ist kein morgen
keine Wahl und auch kein Wort
schweigend warten und ertragen
was wohl kommt nach dem Zuletzt

Soll ich Reden, oder Schweigen,
lieber bleiben, oder geh’n?
Werd' ich dich im Dasein finden
und auch jemals wiederseh’n?

Längst verlorene Gedanken
noch aus einer and'ren Zeit
steigen auf aus dem Vergessen
Bilder der Vergangenheit

 

[Klauski]

Danke, McCoy,
Ja, das ist ein guter Vorschlag. Die zweite Strophe würde ich lassen, weil...
so eine kalte, leblose Hand fühlt sich äußerst unangenehm an, selbst wenn es der beste Freund ist. Das "Gefühl" ist schwer zu beschreiben, es fehlt eben das Leben.

Zwischen Schläuchen und Maschinen
hebt und senkt Dein Brustkorb sich
Durch Geräte noch am Leben
liegst Du hier im Neonlicht

Deine Hand liegt regungslos und kalt
auf der Decke ausgestreckt
Ich leg meine Hand auf Deine
hätt Dich gerne aufgeweckt

Ist kein Gestern, ist kein Morgen
ist kein hier und auch kein jetzt
rastlos suchend zwischen Welten
Grenzen die das Leben setzt

Ist kein gestern, ist kein morgen
keine Wahl und auch kein Wort
schweigen warten und ertragen
was wohl kommt nach dem Zuletzt

Soll ich Reden, oder Schweigen,
lieber bleiben, oder geh’n?
Werd' ich dich im Dasein finden
und auch jemals wiederseh’n?

Längst verlorene Gedanken
noch aus einer and'ren Zeit
steigen auf aus dem Vergessen
Bilder der Vergangenheit

 

[Teestunde]

Ich hab das mal in "meine" Reihenfolge gebracht.

Zwischen Schläuchen und Maschinen
hebt und senkt Dein Brustkorb sich
Durch Geräte noch am Leben
liegst Du hier im Neonlicht

Deine Hand liegt regungslos und kalt
auf der Decke ausgestreckt
Ich leg meine Hand auf Deine
hätt Dich gerne aufgeweckt

Soll ich Reden, oder Schweigen,
lieber bleiben, oder geh’n?
Werd' ich dich im Dasein finden
und auch jemals wiederseh’n?

Ist kein Gestern, ist kein Morgen
ist kein hier und auch kein jetzt
rastlos suchend zwischen Welten
Grenzen die das Leben setzt

Längst verlorene Gedanken
noch aus einer and'ren Zeit
steigen auf aus dem Vergessen
Bilder der Vergangenheit

Ist kein gestern, ist kein morgen
keine Wahl und auch kein Wort
schweigen warten und ertragen
was wohl kommt nach dem Zuletzt

 

[Teestunde]

Als mein Mann starb, hab ich das auch zuerst an den Händen gesehen. Dein Text trifft es 100%ig.

 

[Locis]

Ich hab das mal in "meine" Reihenfolge gebracht.

Zwischen Schläuchen und Maschinen
hebt und senkt Dein Brustkorb sich
Durch Geräte noch am Leben
liegst Du hier im Neonlicht

Deine Hand liegt regungslos und kalt
auf der Decke ausgestreckt
Ich leg meine Hand auf Deine
hätt Dich gerne aufgeweckt

Soll ich Reden, oder Schweigen,
lieber bleiben, oder geh’n?
Werd' ich dich im Dasein finden
und auch jemals wiederseh’n?

Ist kein Gestern, ist kein Morgen
ist kein hier und auch kein jetzt
rastlos suchend zwischen Welten
Grenzen die das Leben setzt

Längst verlorene Gedanken
noch aus einer and'ren Zeit
steigen auf aus dem Vergessen
Bilder der Vergangenheit

Ist kein gestern, ist kein morgen
keine Wahl und auch kein Wort
schweigen warten und ertragen
was wohl kommt nach dem Zuletzt

Ja, berührt. Reihenfolge ist so rum gut.

 

[Klauski]

Ja, sehr schön,
aber was machen wir jetzt mit der letzten Zeile, die reimt sich nicht.

Wenn wir sie austauschen mit
"schalt ich ab, dann ist es Mord"
dann haben wir unser Politikum und der Plautzo aus #10 kauft die erste CD -
aber da kann ich leider nicht über meinen Schatten springen.

 

[Locis]

Für mich braucht es da kein Reimwort. Erstens ist damit das Durchbrechen des Gewohnten dargestellt und zweitens hat man noch das "jetzt" und das "setzt" aus der anderen Hauptstrophe (Refrain?) im Ohr (zumindest beim Lesen).

 

[MamaMuuht]

Mal ein paar gereimte Ideen für den Schluss:

Was ist Gnade? Was ist Mord?
Seh'n wir uns an andrem Ort?
Du bleibst bei mir, gehst du fort.