Reverb: Send vs Predelay?

Danke für die neuen Beiträge. Der Oxford Reverb sieht übrigens echt interessant aus! Ich hab da allerdings noch eine frage zu

Je dumpfer der Hallanteil, desto weiter vorne erscheint es.

Ich verstehe ja, dass je dumpfer ein Direktschall ist, desto weiter hinten erscheint er, weil sich hohe Frequenzen leichter absorbieren lassen. Aber sollte es da bei Hall nciht genauso sein? Oder wie ist dazu die physikalische Erklärung? In einem Artikel des Attackmagazine habe ich auch gelesen:

Increasing the high frequency roll-off makes for a duller ambience, which helps place the sound further away from you in the mix. In the real world, high frequencies lose energy very quickly the further they have to travel through a space (this occurs because the high frequencies are more easily absorbed and diffused than low frequencies).
(Quelle: http://www.attackmagazine.com/technique/walkthroughs/how-to-use-reverb-in-a-mix/2/)

Was ist davon jetzt richtig?
 
Wenn du 50 Meter von einer Wand entfernt bist, dann muss ja deine Stimme die Strecke erst zurück legen, um als Raumantwort wieder zurück zu kommen.

In diesen 50 Meter verlieren die Höhen schneller Energie und dann verliert auch der Hall noch eimal an Energie.

Folglich hat der Hall deiner Stimme weniger Höhen.


Was bescheuert an dieser "Realitätsache" ist:

Wenn deine Stimme in so einem Raum steht, wo wirklich schon Höhen so sehr abfallen, dann müsste am Schluss nur Matsch rauskommen, da Schlagzeug und Co. auch so viel Hall haben müssten (Rockkonzert in der Kirche :-D)
 
Ok sogesehen verstehe ich das. Aber sind die ersten Reflektionen bei nahen Intrumenten nciht wesentlich kürzer als bei entfernteren - also diejenigen, die nciht erst nach hinten fallen und wieder zurück müssen, sondern direkt über Decke und Seitenwände nach vorne reflektiert werden? Die müssten doch relativ viele Höhen haben oder? Muss man dann nciht auch eigentlich für jedes Instrument 2 Reverbs einstellen - einmal mit diesen allerersten Reflektionen und dann auch im Prizip ohne/ganz wenig Predelay und ein zweites mit Predelay für die Reflektionen über die hinteren Wände und die Hallfahne. Oder ist das genau das selbe was mit Early und Late- Reflections gemeint ist? Sogesehen wäre das Einstellen von Predelays noch vor den EarlyRef. doch reiner Unsinn oder? Dann wäre die Methode aus AndyGallas Video wesentlich realitätsnaher...

Und wenn ich mich jetzt nicht endgültig selbst verwirrt habe müsste man doch bei nahen Stimmen/Instrumenten die Höhen im gesamten Hall modulieren - also zuerst viele Höhen, die im Verlauf des Hall abgesenkt werden... Oder ist das jetzt totaler Humbug? :D
 
@SiMan

Ich habe mich von der klassischen Methode "Hall" zu gestalten schon länger verabschiedet.
Wenn ich mit meiner Methode von mehreren Räume hier anfange (Raum vorne, hinten, links, rechts) dann endet es in eine Diskussion und darauf habe ich keine Lust.

Mir persönlich gefällt realistisch klingender Raum besser, aber wahrscheinlich durch die 80er geprägt stehen oder erwarten viele eben diesen typischen Ansatz:

Stimme weit vorne = Predelay gross, Hall weniger Höhen

In der Mischmaschine mache ich immer den klassischen Weg...und so klingt die Räumlichkeit dann auch immer, aber ist dann wohl eher akzeptiert.

Mir ist das viel zu unrealistisch. Gerade wenn man mal nur 2 Spuren mischt, geht dieser klassische Weg in die Toilette. Es klingt nicht echt.

Am deutlichsten wird es wenn ich die Stimme (Strophe) mit 4 Räume verhalle und den Rest klassisch:

 
Und wenn ich mich jetzt nicht endgültig selbst verwirrt habe müsste man doch bei nahen Stimmen/Instrumenten die Höhen im gesamten Hall modulieren - also zuerst viele Höhen, die im Verlauf des Hall abgesenkt werden... Oder ist das jetzt totaler Humbug? Lachen

Du kannst ja mal hier ein bissi herum klickern und Dich reindenken:
http://www.openairlib.net/auralizationdb
 
Increasing the high frequency roll-off makes for a duller ambience, which helps place the sound further away from you in the mix. In the real world, high frequencies lose energy very quickly the further they have to travel through a space (this occurs because the high frequencies are more easily absorbed and diffused than low frequencies). (Quelle: http://www.attackmagazine.com/technique/walkthroughs/how-to-use-reverb-in-a-mix/2/)
Was den Ambience angeht ist das kurz gesagt schlichtweg falsch.
Es ist richtig, dass hohe Frequenzen schnell Energie verlieren. Deswegen erscheinen dumpfere Direktsignale ja auch hinten.

Wie LOM schon sagte:
Wenn nun allerdings die weiter hinten liegenden Elemente sich näher an den Wänden als die davor liegenden befinden, haben deren Reflexionen einen insgesamt kürzeren Weg zum Hörer als die der vorne liegenden. Das führt theoretisch dazu, dass deren Reflexionen mehr Höhen haben als weiter vorne liegende.

Weiter entfernte Elemente verschwimmen zunehmend mit dem Diffusschall, während naheliegende Elemente direkter mit verhältnismäßig weniger Diffusschall ankommen.

Das könnte man prinzipiell als "Merksatz" definieren, der in der Realität immer greift. Alles weitere lässt sich schwierig verallgemeinern.

Weil sich nun ein realer Raum mit allem drum und dran sehr schwierig simulieren lässt, vereinfacht man die Sache also mit dem Pre-Delay und dem Hallanteil bzw. der Hallpräsenz. Und da kommt man wieder zu dem simplen Grundsatz, dass der Hallanteil der weiter vorne liegenden Elemente weniger mit dem Direktsignal verschwimmt - also (in der Theorie) verzögert (Stichwort Pre-Delay) und mit weniger Hallanteil (Stichwort Höhendämpfung) ankommt.

Die Sache geht aber noch weiter:

Der Direktschall der weiter hinten liegenden Elemente kommt in der Realität ja auch leicht verzögert an, hinzu kommt die zunehmende Höhendämpfung.
Allerdings ist es sehr unvorteilhaft, bspw. dem Schlagzeug (welches meistens nach hinten gemixt wird) in der Gesamtheit ein Delay und eine hörbare Höhendämpfung zu verpassen. Denn das ändert nicht nur das Timing, sondern auch den Höhenglanz der Becken und ggf. der Snare etc. ...

Ich spreche da aus Erfahrung, weil ich auch schon mal versucht habe reale Räume auch mit entsprechender Delay- und Höhenmanipulation im Direktsignal zu simulieren.
Aber auch wenn dieser Ansatz noch so nah an der Realität ist, führt das definitiv zu nichts.
Und sobald man sich in der Realität in größeren Räumen befindet, wird sowieso alles mit einer PA verstärkt, wodurch Delay und Höhendämpfungen wiederrum ohne entsprechende Eingriffe im Livemix völlig irrelevant werden.
"Reale Bedingungen" gibt es also eigentlich nur noch sehr selten, und wenn dann in relativ kleinen Räumen, in denen die Schallgeschwindigkeit und natürliche Höhendämpfung sowieso kaum zum Tragen kommen.

Was ich damit sagen will:

Tiefenstaffelung in einem Mix ist Simulation und kann nie direkt mit realen Bedingungen verglichen werden.

Oftmals möchte man weiter hinten liegende Dinge wie bspw. Drums weder im Timing (Delay) noch im Höhenanteil verändern. Außer in Spezialfällen ggf.
Daher bleibt einem nix anderes übrig, als die Tiefenwirkung ausschließlich mit dem Raum/Ambience/Hall Anteil zu verwirklichen, von natürlichem Raumanteil (Overheads, Raummikros), Kompression, EQing und Lautstärken abgesehen.

Höhendämpfung für weiter hinten liegende Dinge empfiehlt sich insbesondere bei unwichtigeren Dingen wie backing Vocals, Klangteppichen, Rhythmusgitarren hinter Lead und/oder Sologitarren usw. usf. ...


Ok sogesehen verstehe ich das. Aber sind die ersten Reflektionen bei nahen Intrumenten nciht wesentlich kürzer als bei entfernteren - also diejenigen, die nciht erst nach hinten fallen und wieder zurück müssen, sondern direkt über Decke und Seitenwände nach vorne reflektiert werden? Die müssten doch relativ viele Höhen haben oder?
Ja, in der Realität kann das tatsächlich so sein. Aber wie schon gesagt, muss man das in einem Mix stark vereinfachen, um zum Ziel zu kommen.
Insofern geht man einfach von der simplen Annahme aus, dass weiter hinten liegende Dinge näher an den Raumbegrenzungen sind als weiter vorne liegende.

Man kann einen Mix auch mit sehr wenig Raumanteil bereits tiefenstaffeln - und das empfiehlt sich immer, egal wie viel Raumanteil man hinzufügt.
Die Stereobreite, das EQing (was sich nicht nur auf Höhendämpfung bezieht), der Raumanteil auf der eigentlichen Aufnahme (Abstand zum Mikro, natürlicher Ambience auf der Aufnahme) und auch die Kompression können schon sehr gut dafür sorgen, Dinge in den Vordergrund oder Hintergrund zu stellen - von der Lautstärke ganz abgesehen.
Und das sogar fast besser als die Raumsimulation!

Der hinzugefügte Raumanteil im Mix sollte also letztendlich nur den eigentlichen Mix unterstützen und verfeinern, aber nicht maßgeblich verändern.
Das ist auch einer der Gründe, warum man zusätzlichen Raum erst am Ende des Mix Prozesses hinzufügt.

Ein Beispiel:
In einem Song werden die Drums nur mit Overheads und einem Bassdrum Mikro abgenommen. Ergo wird höchstwahrscheinlich sehr viel Raumanteil auf der Aufnahme sein.
Im gleichen Song wird der Gesang nun mit einem dynamischen Mikro in einem fast schalltoten Raum mit 2cm Abstand aufgenommen.
Man wird bei dieser Aufnahme keine Chance haben, die Drums in den Vordergrund und den Gesang in den Hintergrund zu stellen, ohne etwas - sei es mit EQ, Lautstärke, Hall oder Kompression - extremst zu verbiegen.

Und wenn ich mich jetzt nicht endgültig selbst verwirrt habe müsste man doch bei nahen Stimmen/Instrumenten die Höhen im gesamten Hall modulieren - also zuerst viele Höhen, die im Verlauf des Hall abgesenkt werden... Oder ist das jetzt totaler Humbug? Lachen
Nee, das ist kein Humbug. Denn genau das simuliert jedes anständige Hallplugin. Die Hallfahnen werden mit der Zeit nicht nur leiser, sondern auch dumpfer.
Inwieweit, ist natürlich auch stark vom simulierten Raum abhängig (sind die Wände bspw. aus Holz oder glattem Beton?).
 
Increasing the high frequency roll-off makes for a duller ambience, which helps place the sound further away from you in the mix. In the real world, high frequencies lose energy very quickly the further they have to travel through a space (this occurs because the high frequencies are more easily absorbed and diffused than low frequencies).
http://www.attackmagazine.com/technique/walkthroughs/how-to-use-reverb-in-a-mix/2/

Was ist davon jetzt richtig?

Das ist richtig da er sich rein auf den HI-Regler im Plug-in bezieht um damit die Dämpfung zu erhöhen.

Mit Google darf man sich auch nichts übersetzen lassen, da kommt meist nur Kappes bei raus.

Bei unserer Grammatik soll Englisch zur Absoluten Weltsprache werden :D

Darum werden auch lieber Englische Texte verfasst, da man sich da freier äußern kann und schon mal anders übersetzt wird.

Deutsche Sprache schwere Sprache, dafür aber Klar, Ehrlich, Sachlich und Direkt.

Deutsch ist geil.
 
Nein, es ist nicht richtig. Das einzige was in dem Zitat richtig ist, ist, dass die Höhen schnell Energie verlieren.

Der folgende Satz hingegen ist 100% Schwachsinn, weil er die Sache genau verdreht:

Increasing the high frequency roll-off makes for a duller ambience, which helps place the sound further away from you in the mix.
Auf das Direktsignal bezogen würde es stimmen, beim Ambience aber eben nicht.

Warum und wie hab ich ja eigentlich schon hinreichend erläutert.
 
Danke nochmal für eure Hilfe und die Zeit die ihr euch genommen habt. Besonders m_tree und auch Lord of Mixing: ihr habt mir gut weitergeholfen ;)

Aber wie schon gesagt, muss man das in einem Mix stark vereinfachen, um zum Ziel zu kommen.

Alles klar :) Mit den Grundregeln, die du genannt hast und dem Verständnis das ich jetzt hab werde ich denke schonmal was anfangen können - mit der Zeit lernt man dann ja noch dazu. Werd mich auf jeden Fall noch weiter damit beschäftigen.

Schönes Wochenende euch allen!
 
Falls du es nicht kennst:

Hier vielleicht noch ein absolut sehenswertes Video. Das Plugin ist Freeware.



VG
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Nice. Direkt runtergeladen, ausprobiert und überzeugt. Danke für den Tipp.
 
Nein, es ist nicht richtig. Das einzige was in dem Zitat richtig ist, ist, dass die Höhen schnell Energie verlieren.

Der folgende Satz hingegen ist 100% Schwachsinn, weil er die Sache genau verdreht:

Increasing the high frequency roll-off makes for a duller ambience, which helps place the sound further away from you in the mix.
Auf das Direktsignal bezogen würde es stimmen, beim Ambience aber eben nicht.

Warum und wie hab ich ja eigentlich schon hinreichend erläutert.

Jo Herr Oberfeldwebel
smil47edd9c07daa2.gif
 
Interessanter thread.

Richtig muss es heißen:

Effektkanal 1 'Vorne', Predelay lang, Reverb Highdamp hoch, Instrumentenkanal EQ 'neutral'
Effektkanal 2 'Mittel', Predelay mittel, Reverb Highdamp mittel, Instrumentenkanal EQ Höhen etwas gedämpft
Effektkanal 3 'Hinten' Predelay kurz', Reverb Highdamp wenig, Instrumentenkanal, EQ Höhen noch weiter gedämpft

Bin da auch immer am testen.

Welche Startwerte könnt ihr denn empfehlen bzw. benutzt ihr bzg predelay, reverb highdamp und Instrument-Eq bei einem studio-reverb (10*10) für die drei Staffeltiefen?

Auch übliche compressoreinstellungen für die erwähnte Hall-Komprimierung würden mich interessieren.


Thx!
 
Welche Startwerte könnt ihr denn empfehlen bzw. benutzt ihr bzg predelay
Das hängt stark von der Art der Musik und vom Tempo ab, würde ich sagen. Ich persönlich mache rhytmusbetonte Musik und passe die Längen nach Gefühl dem Flow/Beat an. Aber so paar Richtwerte hab ich shcon rausgefunden:

weit vorne -> Predelay 80-100ms
weit hinten -> Predelay um die 20-40ms
Mitte -> setze ich ca mittig zwischen den zuvor "ermittelten" vorne und hinten Werten und passe das nach Geschmack dann auch nochmal dem Song an
unter 20ms verschmilzt der Hall zunehmend mit dem Originalsignal - solche Predelay-Werte nehme ich dann für Pads. (Ich glaube unter 11ms Zeitdifferenz kann man 2 Signale nicht mehr auseinanderhalten, falls ich mich nicht irre.)

Und was sind eure Richtwerte? Würde mcih auch interessieren.
 

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