Musiktheorie und Zweitstimme

Ehrlich gesagt kenne ich es einfach nur so aus Noten ...

Naja, man kann in der Popmusik unzählige Beispiele finden, bei denen mindestens eine der Chorstimmen höher ist als die Hauptstimme. Daher fand ich die Aussage, die Hauptmelodie solle der oberste Ton bleiben, etwas irritierend. Es sei denn, Du verstehst unter "Hauptmelodie" und "oben" vielleicht etwas anderes (was ja sein kann).
 
Wenn man die Hauptstimme bereits hat, aber die Zweitstimme einem noch nicht vor dem "inneren Ohr" erscheint, ist es hilfreich diese einfach auf einem Instrument zu suchen, während man die Hauptstimme singt. Das ist eh besser, als jede Theorie. Da hört man sofort, was gut ist und was nicht.
 
Genau, denn terz, quarte, Quinte greift man ja auch auf den Tasten

LG Cherry50
 
Entschuldige, sollte ja nur als Beispiel sein, denn ich kann drei bis vier Stimmen live nach Gehör singen, und brauche das Teil nur hier und da mal um bei Sängern (innen) die Noten ein wenig gerade zu rücken, wenn es dann zu schräg klingt.

cherry;

Du brauchst dich doch nicht entschuldigen :)
 
Oha oha....

Soviel Input hätte ich ja gar nicht geantwortet - aber es scheint ja ein Thema zu sein was zumindest nicht langweilt.

Kurz nochmal gesagt (besonders für Dich Cherry50): Es ging und geht mir hierbei nicht ums "hören" oder "testen". Klar die Harmonielehere an sich hört man auch. Auch ohne Quintenzirkel höre ich das auf C ein F passt :)

Mir ging es wirklich um die reine graue Theorie und inwieweit es festgehaltene "Regeln" für die Festlegung weiter Paralell-Harmonien gibt (zweitstimmen)
Habe aber eine Menge Input bekommen .

Wie ich aber inzwischen rausgehört habe, gibt es da eher Optionen als festegelegte Regeln. Das wiederum zeigt mir, daß ich auch das Prinzip bis dato verstanden haben (Eigentlich einfacher das Ganze als früher angenommen..)

Also alles Gut - gute Ideen hier dabei gewesen für die schnellere Praxis.
Vielen Dank nochmal !!
 
Es ging und geht mir hierbei nicht ums "hören" oder "testen". Klar die Harmonielehere an sich hört man auch.

jojo; s is nur so; dass du das Theorie Zeug 100 mal schneller checkst, wenn du parallel zur Theorie, das ganze auch direkt mit Instrument und per Gehör testest.
Das bleibt dann einfach viel schneller hängen und man hat immer gleich so n "Aha" Erlebnis.

LG
 
jojo; s is nur so; dass du das Theorie Zeug 100 mal schneller checkst, wenn du parallel zur Theorie, das ganze auch direkt mit Instrument und per Gehör testest.
Das bleibt dann einfach viel schneller hängen und man hat immer gleich so n "Aha" Erlebnis.

LG

Klar :) Das ja ohnehin...
 
Im ersten Schritt würde ich in der Daw mit einem zweiten Softwareinstrument eine Terz drüber dazu komponieren und wenn Du mit der kl.T. auf nem falschen Ton (also einer außerhalb der Tonart) landen würdest, die große wählen. Dann immer wieder anhören, obs harmonisch klingt, denn manchmal merkt man, dass an bestimmten Stellen die Terz nicht passt. Dann dort stattdessen die Quarte oder Quinte probieren. Vor allem am Ende einer melodischen Sequenz kann das eine Intervall dafür sorgen, dass die Sequenz dort wie "zu Ende und wie abgeschlossen" klingt, während das Ende beim anderen wie "offengelassen" klingt.

Wenn Du die Terz zusätzl. eine Oktave nach unten kopierst, liegt diese Stimme eine Sexte unter deiner Hauptmelodie.
 
Naja man nimmt halt einfach das Diatonische Material.
Heißt will ich ne c-moll Melodie austerzen nehme ich die Terzen die zur Tonart c-moll gehören (siehe Quintenzirkel). Da braucht man gar nix probieren. Wenn man davon abweicht wirds interessant denn es gibt einerseits auch harmonisch- und melodisch Moll, andererseits will man ja vielleicht auch mal etwas geschmeidig modulieren.
Quarten nimmt man eher für Vorhalte oder zusätzliche Durchgangstöne, die sich in die Terz oder Quinte auflösen.

[ref=[media=youtube]k9yp[/media]-sVrOjo

(typisch Barock btw)

... als Gegenbeispiel an dem man auch gut den unterschied Barock vs Klassik ausmachen kann: Mozarts Nachtmusik. Die Mittelstimmen sind praktisch degradiert zeigen sehr wenig Eigenständigkeit. Das macht die Melodie extrem klar und war ein Grund für den großen Erfolg Mozarts beim durchschnittlichen Puplikum. Das kann man sofort in den Gassen Wiens singen wenn man es nur einmal gehört hat, während Bachs Beispiel eben seine Melodie stärker verschleiert. (Was auch and er Harmonievielfalt selbst liegt)



Nochmal ein Mozartbeispiel: wenn du das Video unten verfolgst: da wo die Melodie wirklich klar ist, ist sie meist alleine oder die anderen stimmen (nicht der Bass) Bewegen sich nur wenig.
(hier kann man nicht von Ober- und Mittelstimme reden, weil die Melodieparts auf die einzelnen Stimmen verteilt werden.)
Dann gibts einen starken "Call and Response" Charakter - Melodieteile werden von anderen Stimmen (anders harmonisiert) immitiert oder abweichend immitiert. "Einer singt vor, die andern machens nach".


anderes Beispiel

=> kann wirklich nicht sagen, dass die Oberstimme da eine wirklich prägnante Melodie bringt. Die Mittelstimmen machens irgendwie. Merkt man vor allem bei 1:41 - sobald die Mittelstimmen "stehen" bleiben auf einem Ton, oder nur kleine Schritte machen, kommt die Melodie sofort raus und man kann sie mitsingen.

Dann kann man sich auch mal diesen wunderschönen Satz aus Schuberts Streichquartett ansehen. Wie das Verhältnis sich dauernd verschiebt.
http://youtu.be/z42GrmR4U2Y?t=15m37s


Um andere Stimmen in den Hintergrund zu setzen, lass' sie kleine Schritte machen, oder repetive rhthmische Muster ausführen. Dann kann die Oberstimme sich einen abdudeln, sie wird nicht als Melodie wahrgenommen. Oder Bewege alle Stimmen im gleichem Umfang (Bach) kontrapunktisch.
Im Grunde ist das das alte Prinzip von Poly- oder Homophonie vs Monodie. Komposition kann durchaus sehr technisch sein. Grade die der alten Meister...
 
Hey fastel, very interesting!
smil451c71f7edf7c.gif
Oft habe ich den Eindruck, im Pop gibts nicht nur ne 2.Stimme eine Terz über der Hauptstimme, sondern noch ne 3., allerdings nicht die 2. einfach ne Oktave tiefer gesungen. Was könnte das sein? Eine 3. Stimme eine Quint über der Hauptstimme vielleicht?

Und wenn ich dich richtig verstanden habe: wenn man will, dass die Hauptmelodie gut rauskommt, sollte sie nicht von einer Stimme drüber und einer drunter begleitet werden, die zusammen mit der Hauptstimme in der Mitte den Akkord ergeben. Richtig?
 
Also das Thema ist komplex und man findet für jede These auch widersprüchliche Beispiele. Man kann sagen: gewisse Sachen funktionieren in gewissen Situationen ganz gut. bach lebte in einer Zeit in der man gerne geprotzt hatt. Schau Dir mal ein Barockes Gemälde an... schau Dir den Rahmen an. Ein Rahmen sollte einen einfachen Zweck erfüllen, stattdessen muss der Bilderrahmen verziert und verschnörkelt sein ohne Ende.
Oder vergleiche das Schloss aus dem Mittelalter mit zinnen und zugbrücke - man musste es schließlich verteidigen, mit einem barocken Schloss mit seinen verwundenen Türmen, Statuen und kitschigen riesen Fenstern auf Bodenhöhe.
Bachs Musik spiegelt diesen zeitgeist wider indem er viele Hamronien auf engstem Raum unterbringt. Man kann sich dabei dumm und dämlich analysieren. Der Effekt ist der, dass sich eine wirklich prägnante Melodie nicht so gut entfalten kann, denn die Stimmen sind immer in Bewegung, bieten keine Stabile Fläche auf der man eine Melodie so richtig gut plazieren kann. Wie gesagt einfach mal Bachchoräle bei youtube durchhören, es werden kaum Ohrwürmer dabei sein.
Das liegt nicht daran, dass es nicht melodiös ist, denn im Grunde basiert viel darauf auf einstimmigen Gesängen aus einigen hundert Jahren früher - Bach harmonisiert das ja nur (allerdings sehr genial).

Mozart hat einige Jahrzehnte später den Zeitgeist (und das Potential der Kundschaft des Bürgertums) richtig eingesetzt und ist weg von dieser barocken Übertreibung hin zum Einfachen/Stabilen gegangen und legte klare Trennungen hin:
Einer macht die Melodie, der Rest begleitet und hält's Maul ;)
Das gibt dem Komponisten den Platz, den er zum Beispiel braucht um weite Strecken auszuterzen > das würde in der bunten Bach-Harmonik wirklich nicht so einfach gehen weil der dauernd und sehr schnell weit weg vom eigentlichen Harmonischen Fundament (aus Sicht des Quintenzirklels) geht. Deswegen kommen die Ohrwürmer erst mit Vivaldi und den ganzen Leuten aus der Klassik.

Und später durfte es dann schräger werden. Neben den Erfindungen der Modernen klassik, die sich in ihrer interlektuellen Soße badet, und auf der Spitze gar keine Harmoniesierung der Stimmen im eigentlichen Sinne brauchte, gab es zum Glück die Jazzer in New Orleans die aus der Militärmusik immer mehr und mehr mit Experimenten abseits des geballten Wissens rund um Bach und Co ihre eigene Schrägheit entwickelten. Da etwas dissonant zu machen hat ja was mit Feuer, Leben und irgendwie auch nem besonderen kick zu tun. Die Popmusik kennt glaube ich weniger Angst vor dem Fall, dass in einem Arrangement die Hauptstimme nicht mehr zur Gelung kommt. Insgesamt ist die Jazzhamronik ja sehr vor allem um Septen aber auch Nonen und Dezimen bereichert. Ich kenne mich da nicht so aus, aber grade im Soul singen die Backings in der Stimmführung oft deutlich höher und (aus harmonischer Sicht) schräger als die Kollegen der Klassik. Ich glaube, da funktioniert diese Trennung vor allem durch den Sound, denn jemand der Backings singt, singt sie ja letztlich aus wie Backings. Wichtig ist in dem Fall dass da eine rhythmische Trennung da ist. Mit andern Worten: der rhytmus der Melodie sollte von den backings nicht über weite Strecken kopiert werden. Dann kann deren eigene Melodie wieder zu einer Verunklarung führen. Deswegen werden die Backings ja oft in langen Haltetönen oder als Response auf das, was die Hauptstimme grade gesungen hat arrangiert.

Wir hatten neulich einen Song bei dem ein Sänger eine Terztonleiter singen musste (also immer Terz rauf, Sekunde runter, Terz rauf, Sekunde runter usw) und eine Sängerin eine None(!) darüber singen sollte - ebenfalls die parallele Leiter. Die Hauptsängerin war in dem Moment mit ihrer Melodie fertig und hatte nur einen langen Liegeton und etwas Atempause um zum zweiten teil der Strophe überzugehen. Das klingt schräg aber funktioniert weil die Haupt-Sängerin in dem Takt einfach Platz gemacht hat und die Band auf dem Tonart-Akkord geblieben ist. Danach gehen die Backings wieder in lange Akkordtöne, die sehr wohl über dem Haupt Gesang gelegen haben. Die Sängerin sing von der Lage wieder eine Mittelstimme, aber da sie ihren eigenen prägnanten Rhythmus hat, den kein Backingvoc befummelt, ist sie eindeutig der Fokus im System.

Wann Gesungene Nonen als Liegeton funktionieren muss man selbst rausfinden. Manchmal gehts nur wenn sie sich in eine bestimmte richtung auflösen im Folgetakt, manchmal gehts, wenn man nur richtig heftig auf die Dissonanz pocht und sie mit Selbstverständlichkeit singt, manchmal nur wenn darunter ein Übermäßiger Akkord liegt usw... das hängt oft vom Progress der Harmonie ab welche Töne ich dazu ballern darf. Und natürlich vom Stil. Im Metal wird man das nicht machen, im Schlager wohl auch nicht. Der Soul und popbereich braucht das aber oftmals um die richtige Farbe zu bekommen.

Und wenn ich dich richtig verstanden habe: wenn man will, dass die Hauptmelodie gut rauskommt, sollte sie nicht von einer Stimme drüber und einer drunter begleitet werden, die zusammen mit der Hauptstimme in der Mitte den Akkord ergeben. Richtig?
Ja also wie gesagt, ich glaube man kann über oder unter der Hauptstimme machen was man will, solange man ihren Rythmus nicht mit einer anderen Stimme kopiert. Bzw haben 2 Stimmen den gleichen oder stark ähnliche Rythmen, so obsiegt die höchste. Haben alle den gleichen Rhythmus (a) oder ihre eigenen sehr eigenwilligen Rythmen (b) wird es Bach.... es verwässert sich entweder die Melodie (a) oder man weiß nicht mehr wer grade die eigentliche Melodie spielt (b)

Beispiel a - schau irgendwelche Bachchoräle.
Beispiel b - schau irgendwelche polyphonen Barock oder Renaissancemusiken zum Beispiel:



Na... welche Stimme trägt die Melodie? :D
Alle - denn sie alle haben ihren eigenen, für sich laufenden Rythmus (streng genommen gibt es nur eine Melodie, die von den anderen Stimmen immer wieder zitiert wird (siehe Kanon) - es bilden sich zwar Akkorde aber man dachte damals in einer möglichst melodiösen Art. Jede Stimme soll für sich Sinn ergeben und zu den anderen Stimmen immer im Terz, Quint oder Sextabstand stehen. Bach hat noch ein wenig in dieser Zeit gesteckt, daher sagt man von ihm gelegentlich, dass er veraltete Musik gemacht hat, was imho auch stimmt. Dennoch ein absolut anbetungswürdiger Meister.


Sicherlich schießt das alles über die eigentliche frage hinaus (deswegen schrieb ich ja auch "falls Du tiefer gehen willst")... aber ich glaube man kann ein wenig besser komponieren, wenn man versteht, wie die Leute damals gedacht haben. Und seine eigene Musik sollte man nach seinen eigenen Maßstäben seiner Zeit verfassen so wie jeder andere auch.

Deshalb gilt: das was man (stilistisch) machen möchte, sollte man vor allem viel hören und am besten auch lesen. Dann kann man erst die richtigen Fragen stellen.
 
Danke für diesen interessanten Exkurs, ich wusste bisher gar nicht, dass man die Geschichte der klassischen Musik so spannend und verständlich wiedergeben kann, echt gut!

Ja also wie gesagt, ich glaube man kann über oder unter der Hauptstimme machen was man will, solange man ihren Rythmus nicht mit einer anderen Stimme kopiert. Bzw haben 2 Stimmen den gleichen oder stark ähnliche Rythmen, so obsiegt die höchste.

Du hast recht, wenn ich beim Mixdown diese 2. Stimme nicht leise genug mache, fällt es mir schwer, die normale Hauptmelodie als solche wahrzunehmen, weil sie von der anderen übertrumpft wird. Daher ist es wichtig, die 2. in diesem Fall viel leiser zu mischen.
 
Ich möchte mich hier auch mal einmischen :)

Soweit ich das verstanden habe hast du eine Melodie sagen wir einmal C-D-E-F (Alle meine Entchen)

Anhand von dem harmonisierst du das jetzt und legst "Akkorde" darunter

C-D-E-F --> Melodie
C-G-C-F (möglich Akkordfolge, es gibt noch unendlich viel andere)

Die einfachste "Unterstimme" ist wenn du dir jetzt den ersten Fehlenden Ton des Akkordes nach unten suchst und den dazuspielst

Also
* der erste ton: ist C
* Der Akkord ist C-Dur
* C-Dur besteht aus C, E, G
* Der erste "richtige" akkordton unter dem C ist das G

Wenn du das für die ersten vier töne wiederholst kommst du auf folgende Zweitstimme
G-H-C-C
Das sind dann auch alles wieder Terzen und Quarten, aber nicht durch "ausprobieren" gefunden

Soweit mal für den Anfang, das kann man dann schön zu einem klassischen vierstimmigen Satz ausbauen, in dem man noch Paralellen vermeidet, Gegenbewegung zwischen oberster und unterster Stimme einbaut, Verdoppelungsregeln und noch viel mehr ...
 

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